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Bewaffnete Verdachtsfälle

Einleitung

Das Analysepapier »BfV-Spezial« des Bundesamtes für den Verfassungsschutz zeigt die jahrelange Strukturblindheit der Behörden, wenn es um militante Neonazistrukturen geht.

Manfred Börm, damaliger NPD-Ordnerdienst-Chef beim NPD-Bundesparteitag 2009 in Berlin.

Der Gerichtsprozess gegen das neonazistische »AB Mittelrhein«, wegen Bildung einer »kriminellen Vereinigung« hat vor dem Landgericht Koblenz begonnen. Bei einem der renitentesten bundesdeutschen Neonazis, Christian Worch, läuten die Alarmglocken: »Das Koblenz-Syndrom hat das Potential zu einer ansteckenden Krankheit, zu einer Seuche, die sich ausweiten wird. Besonders, wenn wir nicht mal imstande sind, den Anfängen zu wehren«1 . Als »Anfänge« identifiziert er einen »129-er Angriff«2 und eine gänzlich neue Dimension staatlicher Repression: »Ermittlungsverfahren wegen Verstoß gegen § 129 sind selten (…) Anklagen und Verurteilungen waren dabei die Ausnahme«. Die Überraschung, die in den Worten des Neonazis mitschwingt, ist unüberhörbar.

Ist der Staat auf dem rechten Auge blind? Ein Blick auf die Ermittlungsquoten bestätigt dies eindrucksvoll. Diese werden durch die Linkspartei regelmäßig parlamentarisch abgefragt. Das Ergebnis: Nimmt man etwa die Strafverfahren wegen »linksterroristischer« und hiermit in unmittelbarem Zusammenhang stehender Straftaten im Zeitraum von 1996 bis 2000, kommt man auf 494 Strafverfahren nach Paragraph 129 und 428 Strafverfahren nach Paragraph 129a. Wobei es den Informationen der Bundesregierung zufolge zu 29 Verurteilungen kam – diese waren zum Teil aber noch nicht rechtskräftig. Wegen »rechtsextremis­tischer« und hiermit in unmittelbarem Zusammenhang stehender Straftaten waren beim Generalbundesanwalt in diesem Zeitraum ganze drei Paragraph 129a-Verfahren anhängig. Zwei der Verfahren wurden eingestellt, eines wurde an die Landesstaatsanwaltschaft abgegeben.3 Kein Wunder, dass dem Neonazi Worch die Geschichtsaufarbeitung zu Ermittlungen der Staatsanwaltschaft gegen Neonazis nach Paragraph 129 nicht schwerfällt: »Der erste mir bekannte Fall der Anwendung von § 129 StGB ›gegen rechts‹ erfolgte im be­rühmten ›Bückeburger Wehrwolfprozeß‹ im Jahre 1979.« Damals war, zusammen mit weiteren Neonazis, unter anderem der bis 2009 als NPD-Ordnerdienst-Chef tätige Manfred Börm wegen Überfälle auf Banken, Bundeswehreinrichtungen und wegen eines Waffenraubs auf einem NATO-Truppenübungsgelände angeklagt worden. »Nach 1979 hörte ich lange nichts mehr davon, daß gegen eine rechte Gruppierung § 129 StGB angewandt worden ist.«

Ungestörte Allmachtsgefühle

Auch wenn es bis heute weitaus mehr Verfahren nach Paragraph 129 gegen neonazistische Gruppierungen gegeben hat, als die Handvoll, an die sich Worch erinnert, wird die Wahrnehmung der bundesdeutschen Neonaziszene, der Staat ließe sie gewähren, aus realer Erfahrung gespeist. Denn angesichts der organisiert neonazistischen (Stra­ßen-)Gewalt, der unzähligen Waffenfun­de, Anschläge und bewaffneten »Kampf­­gruppen«, »Wehrsportgruppen« oder lokalen Neonazibanden sind Verfahren selten. Dabei haben Neonazigruppierungen aus ihrer Weltanschauung und deren Umsetzung in organisierter und gewalttätiger Form nie­mals einen Hehl gemacht. Nicht nur Antifaschist_innen haben auf solche Strukturen und Organisationsmodelle sowie ihre Ziele  immer wieder öffentlich hingewiesen. Als der Neonazi Thomas Dienel 1992 in Drosselberg bei Erfurt auf einem ehemaligen NVA-Truppenübungsplatz einem SPIEGEL-TV-Fernsehteam eine Gruppe Neonazis präsentierte, die regelmäßig übte, wie u.a. mit Sprengstoff und Baseballschlägern besetzte Häuser oder Flüchtlingsunterkünfte zu stürmen seien, schien seine Angst vor staatlicher Verfolgung gering. Dienel erklärte den Journalisten: »Es hat ja schon ein paar mal geklappt«4 . Aufgrund des Beitrages von SPIEGEL-TV leitete die Staatsanwaltschaft Erfurt ein Verfahren wegen des Verdachts der Bildung einer kriminellen Vereinigung gegen Thomas Dienel und Daniel M. ein. Im September 1992 führte das Thüringer LKA in diesem Zusammenhang Durchsuchung- und Festnahmeaktionen gegen sechs Neonazis durch. Obwohl Waffen, Munition, Sprengvorrichtungen, militärische Ausrüstungsgegenstände und Übungsmunition gefunden wurden, ergaben sich den Behörden keine Anhaltspunkte für die Bildung einer organisierten "Wehrsportgruppe". Die politische Sozialisation von Neonazis im Kontext staatlichen Appeasements prägte die Szene, zumindest bis zur Enttarnung des NSU. Der NSU selbst ist in diesem Kontext entstanden. Die Frage ist, ob diese jahrzehntelange staatliche Appeasementpolitik gegenüber Neonazis nicht letztlich erst zur Entstehung des NSU geführt hat. Zu seinem Selbstverständnis und seiner Selbstwahrnehmung hat sie in jedem Fall beigetragen. Denn auch wenn derzeit der Fokus der Behörden aufgrund des öffentlichen Drucks in der Anwendung des »Gummiparagraphen« auf der Neonaziszene liegt, zeigt die Geschichte seiner Anwendung durch die deutschen Sicherheitsbehörden die eigentliche politische Zielrichtung. Daher müssen uns die militanten Protagonis­ten aus diesen »allmachts­erfahrenen« Neo­nazigenerationen wei­ter beschäftigen. Gleichermaßen ist es von Bedeutung, den Umgang staatlicher Stellen mit und mögliche Schnittstellen zu  bewaffneten Neonazistrukturen zu analysieren.

Alte Bekannte unter Waffen

Zu den ProtagonistInnen dieser Zeit gehört der ehemalige Gründer der neonazistischen »Nationalistischen Front« (NF), Meinolf Schönborn. Zuletzt geriet er Anfang diesen Jahres in den Fokus der Ermittlungsbehörden, da er im Verdacht steht einer bewaffneten Gruppe von Neonazis anzugehören. In einer von Schönborns Lebensgefährtin gepachteten Pension in Brandenburg war der Berliner Neonazi Jörg Lange im März 2012 gestorben. In seinem Gepäck wurden scharfe Waffen gefunden. Darauf wurden Hausdurchsuchungen u.a. bei dem Berliner Neonazi Jan Gallasch durchgeführt – er hatte Lange tot aufgefunden. Lange genoss Medienberichten zufolge in der Szene aufgrund seiner Kampferfahrungen als Söldner im Jugoslawienkrieg auf kroatischer Seite eine gewisse Anerkennung.

Da die neonazistische Kaderbildung bei der NF ein wesentlicher Schwerpunkt der politischen Arbeit war, leite­te der Generalbundesanwalt ein erfolgloses Verfahren wegen des Verdachts der Gründung einer rechtsterroristischen Vereinigung ein, als 1991 in der NF die Gründung von »Nationalen Einsatzkommandos« (NEK) beschlossen wurde. Für den gleichermaßen undurchschaubaren wie kaum abschreckenden Umgang der Sicherheitsbehörden mit militanten Bestrebungen der Neonaziszene ist der Fall Schönborn symptomatisch. Er gehört zu den »Verdachtsfällen«, welche das Bundesamt für Verfassungsschutz für den Zeitraum von 1997 bis 2004 gesammelt hat, um die »Gefahr eines bewaffneten Kampfes deutscher Rechtsextremisten« zu erörtern. Gemeint ist vor allem die gewaltsame Sys­temüberwindung. Denn bewaffnete und gewalttätige Neonazis gehören zum Inventar der Bundesrepublik. Damals kamen die Behörden zu dem  Fazit: »Anhaltspunkte dafür, dass Schönborn seither militante Planungen verfolgte, ließen sich bisher nicht bestätigen«.

Bewaffnete Verdachtsfälle

Das Heft »BfV-Spezial Rechtsextremismus Nr.21« untersuchte 30 »Verdachtsfälle« bzw. »Sachverhalte«, aus denen sich rechtsterroristische Strukturen ergeben könnten. Nach Auffassung des Bundes-VS handelt es sich hierbei jeweils zur Hälfte um »isolier­te Einzelpersonen« und »Kleinstgruppen«. Ohne dass eine ernsthafte Gefährdung entstanden sei, seien die­se aber frühzeitig entdeckt und zerschlagen worden. Tatsächlich kam es zu keiner Verurteilung im Sinne des »Terrorparagraphen«, abgesehen von den Ermittlungen gegen Martin Wiese (Vgl. AIB Nr. 66). Meist wurden die Ermittlungen eingestellt oder lediglich der Besitz von Waffen und Sprengstoff verhandelt.

Die Verfassungsschützer sind einem Terrorbegriff bzw. der Idee eines bewaffneten Kampfes verhaftet, welcher sich an der RAF bzw. der Bewegung 2. Juni orientiert. Ihrer Sichtweise nach handle es sich deswegen bei extrem rechtem Terror lediglich um »Feierabendterrorismus« oder dem Attentätertypus des »einsamen Wolfes«. Zur »gewaltsamen Systemüberwindung« fehle es an einer Strategie, einer wirkungsvollen Unterstützerszene usw., daher seien in Deutschland keine rechtsterroristischen Strukturen erkennbar. Dass bekannte Neonaziaktivisten und spätere Mörder wie Gundolf Köhler oder Kay Diesner als »fanatische Einzelgänger« des Typus »einsamer Wolf« durchgewunken werden, welche für die Sicherheitsbehörden im Vorfeld »in der Regel kaum zu erkennen« seien, da sie zumeist »weder in rechtsextremistischen Organisationen noch als einzelne rechtsextreme Agitatoren in Erscheinung getreten sind« beweist eindrucksvoll, dass es in den Behörden kein Raster gibt neonazis­tisch organisierte Gewaltstrukturen, als solche zu erkennen.5

Als Verdachtsfall finden sich auch die Rohrbombenfunde in Jena des damals bereits untergetauchten NSU-Mördertrios: »Hinweise dafür, dass mittels der sichergestellten Rohrbomben konkrete tatsächliche Anschläge geplant waren, liegen nicht vor. Auch haben sich keine Anhaltspunkte für weitere militante Aktivitäten der Flüchtigen ergeben (…) Ungeachtet der Tatsache, dass es den ›Bombenbastlern von Jena‹ jahrelang gelungen war, sich ihrer Verhaftung zu entziehen, gibt es keine wirkungsvolle Unterstützerszene, um einen nachhaltigen Kampf aus dem Untergrund heraus führen zu können«.

Strukturblinde Behörden

Auffallend ist, dass die Behörden neonazistische Strukturen, in welchen sich die vermeintlich isolierten Einzelpersonen und Kleinstgruppen bewegen, weitestgehend ausblenden. Bei den 129er-Ermittlungen gegen den »Kreis um Anton Pfahler« wird zwar aufgeführt, dass dieser bereits seit 1964 im Fokus der Behörden stehe und ein Funktionär der »Wehr­sportgruppe Hoffmann« als auch zuletzt der NPD gewesen sei. Dass der NPD-Verlag »Deutsche Stimme« seinen Sitz auf Pfahlers Anwesen hatte, hält man hingegen für nicht erwähnenswert (Vgl. AIB Nr. 50). Einem verdeckten Ermittler wurden von Pfahler und dem Neonazifunktionär Alexander Rotelli (geb. Larras) Maschinenpistolen und Handgranaten verkauft, weswegen es 1998 zu Hausdurchsuchungen kam. Dabei wurde ein beachtliches Waffenarsenal gefunden, das teilweise aus Waffengeschäften in Deutschland und Kroatien stammte (Vgl. AIB Nr. 50, AIB Nr. 74). Ein politischer Hintergrund ließ sich aus Sicht der Behörden nicht belegen und Pfahler wurde 2001 vorzeitig aus der Haft entlassen. Rotelli wiederum reis­te unmittelbar nach seiner Haftentlassung 2003 in die Schweiz, versuchte sich erneut im Waffenkauf und begann konspirative Strukturen aufzubauen. Gegen ihn und andere Neonazis wurde erneut ein 129er-Verfahren eingeleitet.

Neben Pfahler finden sich weitere NPD-Mitglieder und -Funktionsträger in der VS-Analyse, ohne dass die Rolle der Neonazipartei in diesem Zusammenhang näher beleuchtet wird. In den Verdacht der Bildung einer terroristischen Vereinigung geriet 1999 etwa der damalige NPD-Kreisvorsitzende von Göttingen Stephan Pfingsten (Vgl. AIB Nr. 50). Als im August 2000 in Eisenach ein Sprengstoffanschlag auf einen türkischen Imbiss verübt wurde, ist in unmittelbarer Tatortnähe Patrick Wieschke, damals stellvertretender thüringischer Landesvorsitzender der NPD-Jugendorganisation, festgenommen worden.6 Für die NPD als Redner und später als Wahlkampforganisa­tor trat Peter Naumann auf, der bereits 1988 u.a. wegen eines Sprengstoffanschlags sowie versuchter Gründung einer terroristischen Vereinigung verurteilt wurde. Im August 1995 deckte er vor Journalisten zehn mit Waffen und Sprengstoff gefüllte Erddepots auf. Das brachte ihm eine Bewährungsstrafe wegen Waffen- und Sprengstoffbesitzes ein. Zu den Hintergründen und MitwisserInnen konnten die Ermittler_innen keine Hinweise finden. 1993 hatte die »Gruppe um Gerd Ulrich« ebenfalls Erddepots mit Spreng­mitteln angelegt und »Wehrsportübun­gen« durchgeführt. Im Jahr 1994 folgte ein 129er-Ermittlungsverfahren gegen (mehrere Personen, unter anderen auch gegen) Gerd Ulrich und den jetzigen NPD-Kreisvorsitzenden Andreas Theißen. Theißen wurde 1999 auch wegen Sprengstoffbesitzes zu einer Bewährungsstrafe verurteilt. Offen waffenaffine Neonazistrukturen wie Blood&Honour (B&H), Hammerskins oder die Berliner Neonazi-»Rocker« der »Vandalen – ariogermanische Kampfgemein­schaft« (Vgl. AIB Nr. 65) werden in der VS-Analyse mit keiner Silbe erwähnt. Dabei ist z.B. der bekannte B&H- und Vandalen-Aktivist Jean René B. aus Berlin in der Analyse zu finden. Das im Mai 2000 bei dem Brandenburger Neonazi Ralf L.7 gefundene halbautomatische Gewehr mit Zielfernrohr und Schall­dämpfer, mit dem Neonazis gegen die lokale linke Szene vorzugehen geplant hatten, stammte von Jean René B. und dem langjährigen Berliner Neonaziaktivisten Frank Lutz.

Über den Neonazi und Mörder Kay Diesner, welcher 1997 einen linken Buchhändler anschoss und später einen Polizisten ermordete, heißt es lapidar, er habe sich zuvor: »mit rechtsextremer Musik aufgeputscht« und die Tat stünde im Kontext eines zuvor verhinderten NPD-Jugend-Aufmarsches in Berlin. Die Einbindung Kay Diesners in die organisierte Berliner Neonaziszene bleibt – wie gehabt – unbeleuchtet. Der Fall zeige lediglich: »dass der Waffenbesitz in der Szene ein erhebliches Gefahrenpotenzial birgt und gewalttätige Einzeltäter ein unkalkulierbares Risiko darstellen«.

Geradezu grotesk ist die Analyse zu einem neonazistischen Personenkreis um den heutigen Betreiber der Berliner Neonazikneipe »Zum Henker« Paul Stuart Barrington. Dieser hatte nach polizeilichen Erkenntnissen 2001 mit dem mittlerweile nach Kahla verzogenen Neonazi Sebastian Dahl ebenfalls Sprengstoffanschläge geplant. Da Dahl jedoch seine Überwachung bekannt wurde blieb es bei polizeilichen »Gefährderansprachen«. Im selben Zeitraum war er quasi unter den Augen der Polizei an einem Brandanschlag auf Antifaschist_innen beteiligt und wurde später u.a. wegen versuchten Mordes verurteilt. (Vgl. AIB Nr. 68) Bei Barrington wurden 2002 Bombenbauanleitungen und Papiere mit dem Titel »Zentralrat der Juden Friedhöfe und Gedenkstätten/ Adressen« beschlagnahmt. Auf seiner eigenen Internetseite firmierte Barrington als »Combat 18 Berlin«. In Anbetracht zweier ungeklärter Sprengstoffanschläge auf das Berliner Grab des ehemaligen Präsidenten des Zentralrats der Juden in Deutschland, Dr. Heinz Galinski eigentlich ein nicht unerheblicher Fund. Doch im Jahr 2003 kamen die Behörden, nachdem deutschsprachige C18-Publikationen und Anschlagserklärungen von »Combat 18 Deutschland« öffentlich wurden, zu dem Lagebild »in Deutschland gibt es keine Terrororganisation C18«.
Reaktionsgewalt?

Nur in einem der 30 Verdachtsfälle zeigte sich die Behörde vorsichtig alarmiert. Der aus Berlin stammende Neonazi Ekkehard Weil hatte bereits 1970 einen sowjetischen Soldaten am Ehrenmal in Berlin-Tiergarten angeschossen und 1979 einen Brandanschlag auf die Geschäftsstelle der »Sozialistischen Einheitspartei Westberlins« (SEW) verübt. Im selben Jahr habe er sich während eines Hafturlaubs nach Österreich abgesetzt und dort 1982 mit anderen Neonazis Sprengstoffanschläge auf Wohnhäuser und Geschäfte von Personen jüdischen Glaubens verübt. Als 1995 wieder Waffen und Sprengstoff bei ihm gefunden wurden, tauchte er 1998 unter und wurde 2000 verhaftet. Die Ermittlungen ergaben Hinweise auf bis heute existierende Erddepots mit Sprengstoff, deren Ort Weil nicht preis­gibt. Beunruhigend, da es sich bei dem haftentlassenen Weil sogar nach Auffassung der Behörden »um einen ungebrochenen überzeugten und militanten Rechtsextremisten mit hoher Affinität zu Waffen und Sprengstoff« handelt.

Die Bereitschaft, Anschläge und Gewalt gegen Personen und Objekte zu verüben, die in der Neonaziideologie als bekämpfenswert gelten, bedarf keines Anlasses. Die Terroranalyse des VS krankte (zumindest vor der Enttarnung des NSU) an der nicht vorhandenen Erkenntnis darüber, dass der NS-Ideologie ein Vernichtungswille innewohnt, der sich selbst genügt und ohne gesellschaftsüberwindende Pers­pektiven oder wortreiche Selbstbezich­tigungen daher kommen kann.

Bemerkenswert ist, dass antifaschistische Interventionen von der Behörde als Auslöser neonazistischen Terrors dargestellt werden: »…verfestigt sich in der rechtsextremen Szene seit Jahren die Sichtweise, schutzlos den Angriffen der Antifa ausgesetzt zu sein…« 

  • 1www.worch.info, 4. Juli 2012, Der 129-er Angriff
  • 2Der »129-er Angriff« bezieht sich auf den Paragraphen 129, welcher die Bildung einer krimineller Vereinigungen unter Strafe stellt, also eine Vereinigung zu gründen deren Zwecke oder deren Tätigkeit darauf gerichtet ist, Straftaten zu begehen. Der Paragraph 129a des Strafgesetzbuches, stellt zusätzich die Mitgliedschaft, Werbung und Unterstützung einer »terroristischen Vereinigung« unter Strafe. Die §§129 und 129a StGB zeichnen sich durch eine massive Einleitung von Verfahren bei vergleichsweise wenigen Verurteilungen aus. Sicherheitsbehörden nutzen den Verdacht des Verstoßes gegen §129 bzw. §129a StGB mit Vorliebe, um politische Gruppen – vor allem der radikalen Linken – über einen langen Zeitraum extensiv auszuforschen. Erinnert sei an die 39 Antifaschist_innen in Passau welche über Jahre überwacht wurden, Anti-Cas­tor-Gruppen, Globalisierungskritiker_innen etc.
  • 3Bundestags-Drucksache Nr. 14/5687 vom 28.3.2001, Straf- und Ermittlungsverfahren nach § 129 und § 129a StGB in den Jahren 1996 bis 2000
  • 4www.youtube.com/watch?v=RJWD5dwANFs
  • 5Die Fälle des Münchener Oktoberfest-Attentäters Gundolf Köhler (1980), des österreichischen (Brief-) Bombenattentäters Franz Fuchs (1993 bis 1997), des Berliner Neonazis und Polizis­tenmörders Kay Diesner (1997) und des extrem rechten Waffenräubers und Anschlagsplaner Andre Chladek (2000) werden als solche Fälle benannt. Chladek war zuvor Angehöriger der Bundeswehr-Eliteeinheit »Kommando Spezialkräfte« (KSK).
  • 6Wieschke wurde zusammen mit Robert Hochhaus wegen der Beihilfe an einer Sprengstoffexplosion verurteilt.
  • 7Ralf L. aus Königs Wusterhausen war 1992 neben dem späteren V-Mann Carsten Szczepanski ein Beschuldigter in einem Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts einer Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung nach § 129a Abs. 1 StGB. Das Verfahren galt der Gründung oder des Versuchs der Gründung einer Teilorganisation des amerikanischen Ku-Klux-Klan auf deutschem Boden.