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Die braune Elite von morgen. Bestandsaufnahme neonazistischer Jugendarbeit

Einleitung

Im deutschen Neonazismus gab und gibt es Gruppen, die eine gezielte Ausbildung der braunen Kader von Morgen organisieren. Sie bemühen sich, die Lücke zu füllen, die das Verbot der Wiking-Jugend (WJ) im Oktober 1994 hinterlassen hat. Bis heute gibt es keine vergleichbare Organisation, die im bundesweiten Rahmen Jugendliche theoretisch, kulturell und paramilitärisch schult. 

Der Neonazi und V-Mann Toni Stadler (3.v.l.) bei einer Fahrt der Wanderjugend Gibor.

Wichtig war der WJ nicht die Breitenwirkung bei der Jugendarbeit, sondern die Heranbildung einer neuen Elite, die verantwortungsvolle Aufgaben im politischen Tagesgeschäft übernehmen und das Vertrauen der Hintergrundstrukturen des deutschsprachigen Neonazismus gewinnen soll.

Die Junge Landsmannschaft Ostpreußen (JLO)

In den vergangenen drei Jahren entwickelte sich die JLO zur größten Scharnierorganisation im Jugendbereich des deutschen Neonazismus. Als Organisation, die öffentlich agiert und nach innen den Aufbau von Kadern organisiert, arbeiteten ihre Mitglieder häufig Hand in Hand mit anderen neonazistischen Gruppen. Ihre Attraktivität erzielt die JLO aufgrund ihres Engagements für »Ostpreußen« bzw. allgemeiner gegen »die Vertreibung der Deutschen nach dem Zweiten Weltkrieg«. Das Thema »Vertreibung« ist ein Brückenthema, bei dem die Übergänge von der Mitte der Gesellschaft über die zahlreichen Vertriebenenverbände bis hin zu neonazistischen Kreisen fließend sind.

Mit der Initiierung einer Jugendorganisation1 verband die revanchistische Landsmannschaft Ostpreußen (LMO) nicht nur den Wunsch, »Erben« für die sterbende Erlebnisgeneration heranzuziehen, sondern vielmehr auch das Ziel, dass eine zukünftige Gesinnungsgeneration neben der Pflege kultureller Bräuche auch eine eindeutige politische Ausrichtung haben soll. Dieser politische Charakter der Vertriebenenverbände bei der Konzeption der Organisierung von Jugendlichen orientiert sich an der politischen Zweckmäßigkeit und führte zur Gründung der JLO im Jahr 1991.

Diese fühlte sich »durch familiäre Abstammung, nationales Zusammengehörigkeitsgefühl« und dem »Bekenntnis zu dem geistigen und sittlichen Erbe« mit Ostpreußen verbunden.2 Der völkisch durchsetzte Revanchismus zog sich durch die Aktivitäten der JLO, und es dauerte bis zum Januar 2000, bevor die LMO ihr den Status als verbandseigene Jugendorganisation entzog. Zu offensichtlich waren inzwischen auch die Verflechtungen mit Rechtsaußen. Der ehemalige JLO-Kader Thomas Maiwald beklagte sich nach der Abspaltung über die engen Verbindungen der sächsischen JLO zu rechtsextremen Kreisen. »Bei mehreren Treffen in Dresden waren mehr Leute von der NPD am Gästetisch als (...) JLOler am JLO-Tisch«.3

Selbstständig nach Rechtsaußen

Bei der Betrachtung ihrer führenden (ex-)Kader fällt ins Auge, dass die JLO schon als LMO-Jugendorganisation die Rolle einer Politisierungsinstanz für den Neonazismus spielte, die sie bis heute inne hat. Eine Reihe heute sehr aktiver NPD/JN-Kader waren zuvor bei der JLO. Dies gilt sowohl für den heutigen JN-Bundesvorsitzenden Stefan Rochow (ab 1995 JLO-Mit-glied), als auch für Jürgen W. Gansel und Safet Babic (beide JLO Hessen).4 Die JLO wandte sich also als eigenständig arbeitende Gruppe dem Neonazismus zu und dürfte nur begrenzt von Neonazis unterwandert worden sein.

Diese wichtige Rolle der JLO soll natürlich nicht darüber hinwegtäuschen, dass die JLO anziehend auf Neonazis wirkt. Exemplarisch steht hierfür Christian Kapke ("Erlwig"), der erste Vorsitzende der Ende 1999 gegründeten JLO Thüringen. Der Jenaer war zuvor im neonazistischen Thüringer Heimatschutz aktiv, gehörte Eigenaussagen nach der Wanderjugend Gibor an und stellte zusammen mit Claudia Walter das rechte Liedermacher Duo namens "Eichenlaub".5  Darüber hinaus pflegten einzelne JLO-Landesverbände enge Kontakte zur extremen Rechten. So plante die hessische JLO ein gemeinsames Winterlager mit der bündisch-völkischen Jungdeutschen Jugend aus Gießen, und die sächsische JLO bewarb gemeinsame Aktionen mit der neonazistischen Wanderjugend Gibor. Der völkische Freibund e.V. suchte mehrmals im LMO-Organ Ostpreußenblatt nach TeilnehmerInnen für das Bundeswinterlager, womit wohl vor allem Mitglieder der JLO angesprochen waren.

Egal von wo, Hauptsache vertrieben

Kurz nach der Trennung von der Landsmannschaft Ostpreußen vereinbarte der Witikobund eine enge Zusammenarbeit mit der JLO. Schon früher pflegte man Kontakte zu dieser »nationalen Gesinnungsgemeinschaft« innerhalb der revanchistischen Sudetendeutschen Landsmannschaft (SL). So war Hans-Ulrich Kopp, langjähriger Verantwortlicher des Verbandsorgans Witiko-Briefe, Anfang 1998 ein gern gesehener Referent bei der JLO Bayern. Inzwischen ist es dem elitären Zirkel Witikobund mit der offiziellen »Inkorpierung« der JLO gelungen, eine tatsächlich neue Generation an Gesinnungsvertriebenen in die eigene, überalterte Struktur einzubinden. Der führende JLO-Funktionär Stefan Rochow vertritt beispielsweise als Witikone im Vorstand der SL-Hessen die Interessen des Witikobundes. Die Einbindung in den Witikobund dokumentiert, dass die Bestrebungen der JLO nicht nur auf die Re-Germanisierung Ostpreußens abzielen, sondern dass die JLO vielmehr den »Kampf um alle ehemaligen Ostgebiete« führt.

Verflechtungen mit der NPD

Inzwischen ist die JLO als eine Art Vorfeldorganisation der NPD zu beschreiben, die nach innen zumindest die selbe Bedeutung wie die parteieigene Jugendorganisation Junge Nationaldemokraten (JN) haben dürfte. Diese Rolle wird nicht nur durch die personellen Überschneidungen dokumentiert. Auch strukturell ist die NPD präsent. Von außen sind die Aktivitäten der JLO häufig sehr schwer von denen der NPD zu unterscheiden.

In Dresden zeichnete in diesem Jahr Sven Hagendorf, Führungskader des NPD-Kreisverbandes, für den Aufruf der JLO zur Demonstration am 13. Februar 2003 verantwortlich. An diesem Tag vor 58 Jahren zerlegten alliierte Bomberverbände die Stadt Dresden und holten damit den Zweiten Weltkrieg in die letzten heilgeblieben Wohnzimmer. Die jährlichen Demonstrationen stehen szeneintern für die gruppenübergreifende Zusammenarbeit der gesamten extremen Rechten und zählen zu den bundesweit größten regelmäßigen Naziaufmärschen.

In Thüringen teilt sich die JLO mit dem örtlichen NPD-Kreisverband ihr Postfach in Erfurt. Am deutlichsten wurde die NPD-Nähe aber mit der Wahl von Stefan Rochow im November 2002 zum neuen Bundesvorsitzenden der Jungen Nationaldemokraten. Der hatte von 1997 bis 2001 die Position des stellvertretenden Bundesvorsitzenden der JLO inne und schraubt sein dortiges Engagement nun zugunsten der NPD-Jugendorganisation zurück.

Über die NPD hinaus

Mehrfachmitgliedschaften sind erwünscht, da sich die JLO gruppenübergreifend als »unabhängiger gesamtdeutscher Jugendverband« begreift. Deswegen würde es zu kurz greifen, die JLO als ausschließliche Vorfeldorganisation der NPD zu beschreiben. So ist die JLO-Regionalgruppe Hoyerswerda identisch mit der örtlichen Freien Kameradschaft. Einer  Selbstdarstellung in der Lausitzer Rundschau zufolge will diese JLO-Struktur die Mitteldeutsche Jugendzeitung (MJZ) herausgeben.6 Fakt ist aber, dass die MJZ offiziell von knapp einem Dutzend freier Kameradschaften aus Sachsen und Brandenburg herausgegeben wird. Das illustriert die Personalüberschneidungen.

Ein anderer Aspekt sind die Mitgliedschaften der führenden (ex-) JLO-Kader in Burschenschaften. So soll der heutige Bundesvorsitzende der JLO, Christian Schaar, Mitglied der Normannia in Heidelberg gewesen sein. In der Burschenschaft Rugia zu Greifswald engagier(t)en sich der regionale NPD-Kader Mathias Rochow und der bereits erwähnte Stefan Rochow. Letzterer wechselte später nach Gießen und trat der Burschenschaft Dresdensia bei, deren Farben auch Jürgen W. Gansel trägt. Und der sächsische JLO-Aktivist Alexander Kleber bekam seine Post in das Haus der Cheruscia in Dresden geschickt.

Schulungen

Der auffällige studentische Hintergrund lenkt den Blick auf die intensive Vortrags- und Schulungsarbeit der JLO. Denn neben Radtouren und Wanderungen dokumentiert die Homepage der sächsischen JLO mehr als 35 Veranstaltungen allein für die Jahre 2000 bis 2002. So gaben sich ein Vorstandsmitglied des Schulvereins zur Förderung der Russland-deutschen in Ostpreußen e.V.7 , der NPD-Anwalt Horst Mahler oder auch der NPD-Ideologe Jürgen Schwab die Klinke in die Hand.

Heimattreue Deutsche Jugend e.V.

Michael Gellenthin, bis zum Sommer 1999 Landesvorsitzender der JLO in Mecklenburg-Vorpommern und Mitglied der Burschenschaft Rugia Greifswald, widmet sein Engagement auch der Heimattreuen Deutschen Jugend (HDJ). Im September 1999 wurde Gellenthin, der gegenwärtig als Internetbetreuer an der Fachhochschule im bayerischen Ansbach arbeitet, zum Bundesgeschäftsführer dieses neonazistischen Vereins gewählt.

Die HDJ kann als nahe Verwandte der verbotenen Wiking-Jugend (WJ) bezeichnet werden, denn nirgendwo anders wird im deutschen Neonazismus die Einbeziehung von Eltern und Kindern in völkische Aktivitäten so offen betrieben. Ihr Konzept gleicht dem Lebensbund-Prinzip der WJ oder auch dem des Freibund e.V., deren Mitglieder »von der Wiege bis zur Bahre« dem Verein und seinen Unternehmungen verbunden waren und sind. Schon Kleinstkinder finden Aufnahme in die HDJ, und die Erwachsenen unterstützen die Arbeit mit Spenden an einen Förderkreis. Die Erwachsenen wissen genau um die neonazistischen Aktivitäten der HDJ, denn hier lassen ältere Nazis ihren Nachwuchs ausbilden. Schenkt man dem Gästebuch der HDJ im Internet glauben, so pflegt etwa die Tochter von Christiane R. und Sven R. – beide waren Ende der 80er Jahre AktivistInnen der NPD/JN in Frankfurt/Main – persönliche Kontakte zur HDJ. Deutlichstes Zeichen für das Lebensbund-Prinzip war und ist die Bildung von Familienklans, die führende Rollen innerhalb der Vereine inne haben.8

Im völkischen Kindergarten HDJ lernen die Kleinen von der Pieke auf völkisches Brauchtum; aber auch körperliche Ertüchtigung und Schulungen kennzeichnen das Profil der HDJ. Unübersehbar erscheint hierbei immer wieder eine Bezugnahme zum Nationalsozialismus. Kaum verwunderlich, dass an den Veranstaltungen der HDJ – so etwa Mitte September 2001 in Mecklenburg-Vorpommern – ehemalige Mitglieder der WJ teilnahmen. Die WJ wurde ja verboten, weil sie einen nationalsozialistischen Staat in Deutschland errichten wollte.

Strukturell ist die HDJ vor allem in Berlin und Brandenburg präsent und eng mit der NPD/JN verwoben. So war der im Februar 2002 verstorbene Bundesführer Alexander Scholz auch an führender Stelle in der Berliner NPD tätig. An führender Stelle in der HDJ ist ebenfalls der NPDler Jörg Hähnel aus Frankfurt/Oder engagiert. Daneben sind  auch der frühere Aktivist der Berliner Kameradschafts Szene, Lutz Giesen, und Christian Berisha, Anmelder der demagogischen Internetseite »Todesstrafe für Kinderschänder«, der Neonazigruppe zuzurechnen. In Weißwasser (Sachsen) stellten Nachfolgestrukturen der Jugendgruppe des Nationalen e.V. den »Bereich Schlesien«.

Dem politischen Umfeld der HDJ ist die Gemeinschaft Deutscher Frauen (GDF) zuzurechnen. Gemeinsam mit der HDJ und der Berliner Kulturgemeinschaft Preußen (BKP)9 organisierte die GDF im Juli 2001 im brandenburgischen Friedersdorf den »1. Märkischen Kulturtag«. Alle drei Gruppen nähren sich aus dem selben braunen Sumpf im Raum Berlin. Nicht nur, dass Alexander Scholz früher schon für die BKP aktiv war. Auch dürfte als sicher gelten, dass sich hinter der Anmelderin der Homepage der GDF, Michaela Zanker, seine Witwe verbirgt.10

Die Wanderjugend Gibor

Bereits Mitte der 90er Jahre gründeten im Raum Cottbus einige Neonazis die Wanderjugend Gibor (WJG). In ihrem Selbstverständnis strebte die Gruppe das Ansprechen junger Neonazis und deren Ausbildung zu Kadern an. Später sollten diese »viele neue Gruppen gründen«.11 Auch die WJG agierte dabei als Scharnierorganisation für das neonazistische Spektrum. Viele der Teilnehmenden an den Aktivitäten der WJG hatten ihren politischen Schwerpunkt in anderen Gruppen und Projekten. Hier sind u.a. Aktivisten der Berliner Kameradschaft Germania und der JLO zu erwähnen. Die Thüringer WJG-Gruppe12 teilte sich ihr Postfach mit der Regionalredaktion Thüringen der Dresdner Zeitschrift Hagal.13 Der V-Mann und Nazi-Musikproduzent Toni Stadler war ebenfalls regelmäßiger Gast bei den WJG-Wanderungen.14

Die politische Praxis der WJG war die Schaffung eines neonazistischen Gemeinschaftserlebnisses in der freien Natur in Verbindung mit körperlicher Ertüchtigung. Als (ästhetisches) Vorbild diente auch hier die WJ. Teilnehmer berichteten, dass im Anschluss an die anstrengenden Wanderungen immer noch ein schulungsähnliches Abendprogramm stattfand. Auffällig sei hier der offene Bezug zum Nationalsozialismus gewesen. Innerhalb der WJG-Struktur gab es eine Reihe von Liederheften, die den  Bezug zum Nationalsozialismus dokumentieren. Die abgedruckten völkischen Werke verherrlichen den »Lebenskampf« des einsamen Helden in einer vermeintlich niedergehenden Welt und verklären die Ursprünglichkeit und Naturverbundenheit des Bauerntums.

Die Gedichte wurden unter dem Pseudonym »Iwolf« von Ivo H. verfasst. Er war eine zentrale Figur der Wanderjugend. Seine politische Laufbahn begann er bei rassistischen Ausschreitungen 1992 in Cottbus, als ein Neonazimob das örtliche Asylbewerberheim angriff. Ein Jahr später wurde er erwischt, als er mit einem Kameraden das KZ Sachsenhausen schändete. Die Lokalpresse bezeichnete ihn damals als DVU-Mitglied.15 Der Student verzog später nach Radebeul bei Dresden und verkehrte dort weiterhin in rechtsextremen Kreisen. Interne Papiere  der Dresdner Neonaziszene dokumentieren seine Kontakte zu ehemaligen WJ-Aktivisten.

Heute finden sich »Iwolfs« Ergüsse im gesamten neonazistischen Spektrum wieder, etwa bei den Vorschlägen für den Ablauf heidnischer Feierlichkeiten auf den Internetseiten der »Kulturkammer«.16 Seine Texte waren auch die Grundlage für die offiziellen Lieder der Wanderjugend Gibor, der JLO und der Deutschen Hochschulgilde Witiko zu Passau.17

Staffelstab wird übergeben

Die NS-»Erlebnisgeneration« stirbt aus und ist seit langem bestrebt, ihre Arbeitsweise, ihr Wissen, ihre Kontakte und ihre Finanzen an die nachkommenden Generationen weiter zu geben. Dabei wählen die Altnazis ihren Nachwuchs genau aus und greifen nur auf Kader bewährter Organisationen zurück. Schon Mitte der 90er Jahre beschrieb das Antifaschistische Autorenkollektiv im Handbuch »Drahtzieher im braunen Netz« diese Praxis: »Im Laufe unserer Recherchen stießen wir immer wieder auf ein Kartell von Altnazis.(...) Die Alten stehen ausgewählten Neonazis mit Rat, Tat und finanzieller Unterstützung zur Seite. (...) Sie bevorzugten die Sammlung einer ‘Elite’, die aus dem Hintergrund heraus in verschiedenen gesellschaftlichen Bereichen, in konservativen sowie in neofaschistischen Gruppen operierte«.18

Waren es bis zu ihrem Verbot u.a. Neonazis der Wiking-Jugend und der Nationalistischen Front, haben alle weiter oben genannten Organisationen immer mehr diese Rolle übernommen. Schon die Zeitschriften der Wanderjugend Gibor beschrieben u.a. die Teilnahme an einem Treffen des Bundes der Goden Ende 1997 im sächsischen Altenberg und an den Treffen der Zeitschrift »Recht und Wahrheit«.19 Die HDJ plante ihren 2. Märkischen Kulturtag am 7. September 2002 in Brandenburg mit Lisbeth Grolitsch, der Vorsitzenden der Deutschen Kulturgemeinschaft (DKG) aus Österreich. Da die alte Dame des deutschsprachigen Neonazismus nicht teilnehmen konnte, referierten schlussendlich der DKG-Aktivist Gerd Zikeli und der frühere Bundesführer der Wiking-Jugend, Wolfram Nahrath.

Bereits ein Jahr zuvor nahm Alexander Scholz an der 25. Gästewoche der DKG im November 2001 in Rosenheim teil. Diese jährlichen Treffen gelten innerhalb der Neonaziszene als Highlight und führen Altnazis mit bewährten Jungnazis zusammen. Im Jahr 2001 war dort auch eine Abordnung der Bewegung Deutsche Volksgemeinschaft (BDVG) anwesend.20 Der sächsische JLO-Aktivist Alexander Kleber sprach Mitte Oktober 2002 bei der 37. Politischen Akademie der Arbeitsgemeinschaft für demokratische Politik (AFP) in Offenhausen.21 Auch die AFP widmet sich der »ideologisch-kulturelle[n] Arbeit« und vereint Jung-und Altnazis.

Einschätzung

Alle genannten Organisationen beton(t)en den besonderen Wert der kulturellen Bildung ihrer Mitglieder. Im Gegensatz zum Massenansatz der NPD oder zu den Kameradschafts-strukturen, deren politische Bildungsarbeit oft bei der Organisation von Konzerten endet, legen sie grossen Wert auf das abgeschottete gemeinsame Erlebnis am Lagerfeuer, beim Volkstanz oder heidnisch geprägten Feiern. Sie pflegen eine mythische und von Legenden durchzogene, imaginäre »Volkskultur«, die sich angeblich über »Jahrtausende entwickelt« haben soll und deshalb hier heimisch sei. Treffender ausgedrückt setzen diese Gruppen eine völkische Blut-und-Boden-Kultur in die Tat um und begreifen ihre politischen Aktivitäten als kulturelle Fundamentalopposition von Rechtsaußen zum derzeitigen politischen System.

Das Gemeinschaftserlebnis innerhalb einer überschaubaren Gruppe Gleichgesinnter schafft nicht nur eine starke emotionale Bindung, sondern vermittelt dem Einzelnen das Gefühl, Teil einer Elite zu sein. In der Praxis findet hier eine Arbeitsteilung statt. Während Gruppen wie die HDJ bereits Kleinstkinder in ihre abgeschotteten Unternehmungen einbeziehen, präsentiert sich die JLO eher als offener Jugendverband mit einem studentischen Hintergrund und öffentlichen Aktionen. Gemeinsam streben sie die konsequente Heranbildung von zukünftigen Nazikadern an, die in die Fußstapfen der aussterbenden Erlebnisgeneration des Nationalsozialismus treten sollen. Sie bilden die braune Elite von morgen aus.

Der Leiter des neugeschaffenen »Amtes für Kultur« im JN-Bundesvorstand ist Jan Gallasch. Der Berliner begann seine Karriere in der inzwischen verbotenen Nationalistischen Front und gehörte deren Führungsgremium an. Darüber hinaus organisierte er als Vorstandsmitglied der Berliner Kulturgemeinschaft Preußen die Schulung der Nachwuchskader mit hochkarätigen Referenten der extremen Rechten. Er nahm 1997 u.a. zusammen mit Alexander Scholz und Ulli Boldt an einer Neonaziveranstraltung im Neonazizentrum in Hetendorf teil. Die BKP hat sich dem »Kampf gegen Lüge und Verzerrung der Geschichte, gegen die kulturelle Zersetzung und die ethnische Unterwanderung unseres Volkes« verschrieben.22 Auch zählte Gallasch Ende September 1995 zu den Teilnehmern der Gästewoche der Deutschen Kulturgemeinschaft in Altenberg. Die Berliner JN, für deren Kurs auch Jan Gallasch steht, bezieht sich in ihrer Publikation »Jugend wacht«  offen auf den Nationalsozialismus. Kultur bedeutet hier das Pflegen des nationalsozialistischen Brauchtums.

  • 1Die JLO war nicht die erste Jugendorganisation der Landsmannschaft Ostpreußen.
  • 2Samuel Salzborn: Grenzenlose Heimat. Geschichte, Gegenwart und Zukunft der Vertriebenenverbände, o.J., S.96.
  • 3eMail, 28.07.2001: [ostpr] Re: Trennung von der JLO.
  • 4Gansel war bis zum 14.11.98 JLO-Chef in Hessen. Babic war ab Ende 1998 Schriftwart im Landesvorstand.
  • 5Er hat einen Faible für bündische Vereinigungen mit völkischen Traditionen, was etwa seine Begeisterung für den Freibund e.V. begründet. Mit der Etablierung des Neofolk-Internetportal lichttaufe.de im Sommer 2000 bedient Kapke inzwischen maßgeblich den (extrem) rechten Teil der Gruftszene.
  • 6Lausitzer Rundschau (Ausgabe Hoyerswerda), 12.8.2002: Mein Verein.
  • 7Die revanchistischen Aktivitäten der Gesellschaft für Siedlungsförderung in Trakehnen mbH und des ihr angeschlossenen Schulvereins in Russland wurden bisher mit mehr als ca. 250000,-DM vom neonazistischen Freundeskreis Ulrich von Hutten unterstützt (vgl. monitor, Nr. 7, 2002, S. 5f). Mitglieder der JLO unterstützten dort im Jahr 2000 tatkräftig den Bau einer Biokläranlage.
  • 8Exemplarisch sei hier die Familie Nahrath genannt, welche mehrere Führer der Wiking-Jugend stellte.
  • 9Die BKP ist der Berliner Ableger der Deutschen Kulturgemeinschaft.
  • 10Michaela und Alexander Zanker haben gemeinsam den Sohn Ansgar Wilhelm bekommen (Nachrichten der HNG, Nr. 244, 2001, S.19). Michaela und Alexander Scholz haben am selben Tag einen Sohn mit dem selben Namen bekommen (DS, Nr.  6, 2001, S. 23).
  • 11Brief eines Ehemaligen/WJG Nachlassverwaltung, 25.1.2000.
  • 12Die WJG Thüringen stand auch im Kontakt mit der Jungdeutschen Jugend aus Gießen.
  • 13Leiter der Regionalredaktion ist Olaf Neubauer. Hagal ist das offizielle Organ der deutschen Sektion der Europäischen Synergien, vgl.: AIB, Nr. 55, 2002, S. 42.
  • 14Ausführlich AIB, Nr. 57, 2002, S. 22-25.
  • 15Oranienburger Generalanzeiger, 31.8.93: Brandenburgische DVU gegründet; Tagesspiegel, 15.5.94: "Winken" mit gestrecktem Arm.
  • 16Der Inhaber der Homepage, Thomas Rackow (ausführlich S. 28), wollte eine Jugendgruppe nach dem Vorbild der WJG aufbauen.
  • 17Die Hochschulgilde Passau ist ein Ableger der Deutschen Hochschulgilde, die burschenschaftliche mit bündischen Traditionen verbindet.
  • 18Antifaschistisches Autorenkollektiv (Hg.): Drahtzieher im braunen Netz, Hamburg 1996, S. 212f.
  • 19Heute nehmen u.a. Aktivisten der JN Berlin an diesen Treffen teil.
  • 20Zwar spielt die BDVG in der Außenwirkung nur eine geringe Rolle, jedoch betreibt auch sie Elitenbildung. Dies verdeutlichen die Herausgabe von Schulungsbriefen und auch die Autorenschaft von Gerd Zikeli und dem DKG-Chefideologen Herbert Schweiger im Vereinsblatt »Volk in Bewegung".
  • 21Gemeinsam mit ihm referierte dort Richard Miosga, führender Kopf des Berliner Hoffmann-von-Fallersleben-Bildungswerkes. Miosga sprach auch am 13. Februar 2002 bei der JLO-Demonstration in Dresden.
  • 22Holger Apfel (Hg.): Alles Große steht im Sturm, Stuttgart 1999, S. 27.