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Der V-Mann Didier Magnien

Robert Andreasch
Einleitung

»Grosser Bumm mit 2.000 Toten«

Frankreich, 1987: Aus dem Umfeld der Polizeigewerkschaft FPIP wird unter Leitung von Hauptkommissar Serge Lacanu die »Parti nationaliste francais et européen« (PNFE) gebildet, der terroristischste Teil des französischen Neofaschismus. Vorsitzender der PNFE in der Region »Ile de France« wird der 1969 in Nantes geborene Didier Magnien. Weil man den »jüdischen und Dritte-Welt-Feind überall treffen« müsse, verüben Mitglieder der PNFE Bombenanschläge  auf ein vollbesetztes Cafe in Paris und auf die Büros einer MigrantInnenorganisation in Cannes und Cagnes-sur-mer. Dabei wird ein Mensch getötet, vierzehn werden verletzt. Im Mai 1990 wird duch Mitglieder der PNFE und der Charlemagne Hammerskins der jüdische Friedhof in Carpentras verwüstet und ein Leichnam geschändet. Nach Deutschland unterhalten die französischen Neonazis gute Kontakte. Abgesandte der PNFE beteiligen sich 1992 am Rudolf-Heß-Marsch in Rudolstadt, und die PNFE-Zentrale bei Paris taucht in Michael Kühnens Adressbuch auf.

Bild: attenzione-photo.com

Martin Wiese (mit Bart) und dessen politisches Umfeld sollte durch den V-Mann Didier Magnien bespitzelt werden.

Magnien wechselt 1997 nach der faktischen PNFE-Auflösung zur neofaschistischen Nouvelle Resistance und im Juni 1998 zur Unité Radicale. Als »Didier Magnier« wird er im gleichen Jahr beim 4. Europäischen Kongress der Jugend der JN in Fürth von Holger Apfel namentlich begrüßt, von nun an ist er oft in der bayerischen Neonazi-Szene unterwegs. Auf der neonazistischen Veranstaltung in Fürth tritt Magnien für die Delegation der Cercles Resistance auf und spricht auch im Namen des Front Europeen de Liberation (FEL).

Umzug nach Deutschland

Seine nächste Station ist das bayerische Dorf Sinning bei Neuburg an der Donau. Dort vermietet der ehemalige Wiking-Jugend- und »Wehrsportgruppe Hoffmann«-Aktivist Anton Pfahler ab Ende 1997 sein Gelände an die Neonaziszene: Redaktion und Verlag der »Deutschen Stimme« ziehen aus Stuttgart hierher, der Freiheitliche Volksblock kommt, die Nationale Initiative Schweiz mit Stephan und Karin Göbeke-Teichert, Jens Pühse (NPD) und viele andere. Pfahler propagiert dazu ein »Siedlungsprojekt Sinning« des »Naturreligiösen Stammesverbands der Bajuwaren«, einer Organisation der Arbeitsgemeinschaft naturreligiöser Stammesverbände Europas (ANSE) im Vorfeld des sogenannten Armanen-Ordens.

Didier Magnien zieht dort ebenfalls ein, unter dem gleichen Dach wohnen Holger Apfel und Norman Kempken (Anti-Antifa Nürnberg). Im Juni 1998 kommt es zu einer Razzia auf dem Gelände: Bei Pfahler, auf dem Anwesen, in Bunkern und Depots werden eine Maschinenpistole, Sturmgewehre, Handgranaten, eine Tretmine und Munition gefunden. Drei Neonazis, darunter Pfahler und Alexander Larras, werden festgenommen. Im späteren Prozess vor dem Landgericht Ingolstadt und danach wird von neonazistischer Seite immer wieder angedeutet, dass hinter den Ermittlungen Hinweise eines Spitzels stehen dürften. Pfahler wird zu mehreren Jahren Haft verurteilt. 1998 ist Magnien Teilnehmer beim »Tag des nationalen Widerstands« der NPD in Passau und übersetzt ein Interview mit dem NPD-Bundesvorsitzenden Udo Voigt. Im Frühjahr 2002 nimmt Magnien, der zu dieser Zeit in Augsburg wohnt, Kontakt zu Fred Eichner in München auf. Dieser war früher Bundesvorsitzender des Nationalen Blocks und gehört schon seit einiger Zeit zu Magniens Bekannten.

Martin Wiese im Visier

Über Eichner und über Magdalena und Norman Bordin, die er schon einmal besucht hatte, will Magnien an Martin Wiese herankommen. Magniens Auftrag vom bayerischen Landesamt für Verfassungsschutz (LfV), die Wiese-Gruppe zu beobachten, ist am effektivsten auszuführen, wenn die »Spitze« dieser Gruppe, also Wiese selbst, von ihm beobachtet wird. Wiese vertraut ihm schnell. Magnien erzählt, seine rechte Gruppe (Charlemagne Hammerskins) in Frankreich habe Mist gebaut. Jetzt wolle er in Deutschland ein Buch gegen Multikultur schreiben. Vielen »Kameraden« erzählt der ehemalige Fallschirmjäger von einer angeblichen früheren Mitgliedschaft in der französischen Fremdenlegion. Dass dies für einen französischen Staatsbürger schlicht unmöglich ist, fällt niemandem auf.

Magnien empfiehlt Wiese, in spätestens vier oder fünf Jahren die »Kameraden« in Tschechien oder Jugoslawien militärisch ausbilden zu lassen. Wiese zeigt Magnien mindestens zwei Mal Waffen, eine Pistole und eine Handgranate. Magnien und seine Vorgesetzten im bayerischen LfV warten einfach ab. Auf dem Computer Wieses installiert Magnien ein Verschlüsselungsprogramm. Ständig spielt er mit einem Wurfmesser herum, das er in seiner Tasche aufbewahrt: »Pistolen sind mir zu unpersönlich. Am besten, man tötet Menschen mit dem Messer«. In der Öffentlichkeit bemüht sich Magnien, nicht aufzufallen, schon gar nicht an der Seite Wieses. Später wird er behaupten, regelmäßig auch die Münchner Linke bespitzelt zu haben. Für das Aktionsbüro Süddeutschland Wieses kümmert sich Magnien vor allem um die Kontakte zur Fränkischen Aktionsfront (FAF), der dann im Januar 2004 verbotenen Nürnberger Kameradschaftsorganisation. Der paramilitärischen »Schutzgruppe« der Kameradschaft Süd bringt Magnien einmal im Wald das militärische Marschieren und Antreten bei.

Anti-Antifa

Aktiver ist Magnien in der sogenannten Anti-Antifa-AG der »Schutzgruppe«, die jeden Dienstag recherchiertes Material auswertet und zusammenstellt. Magnien gibt vor, als Detektiv ausgebildet worden zu sein und schult die Neonazis in Listenführung und gibt zahlreiche Anregungen. So will er mit Hilfe der neonazistischen »Schutzgruppe«-Aktivistin Monika Stillger, die als Azubi der Postbank dort Konten linker Organisationen ausspioniert, Gelder von diesen Konten auf eigene Konten umleiten. Und er macht den Vorschlag, in den linken Infoladen in der Breisacherstr. einzubrechen und den dortigen Computer zu stehlen.

Außerdem bringt Magnien Wiese das Ausspionieren  von Personen bei. Mindestens einmal gehen Magnien und Wiese gemeinsam einen Münchner Linken observieren, dessen »Steckbrief« zuvor in Roland Wuttkes »München direkt«-Kolumne im Internet erschienen war. Der Anti-Antifa-AG stellt der V-Mann eine hochauflösende Kamera zu Verfügung. Zahlreiche Dokumente aus der Anti-Antifa-Arbeit lässt er sich kopieren. Mit Monika Stillger trifft sich Magnien im Augustiner-Biergarten, wo er ihr vorschlägt, sie in linke Gruppen einzuschleusen. Sie solle sich mindestens drei Jahre aus der neonazistischen Szene rausziehen, um dann über Antifagruppen in Augsburg oder Ingolstadt letztlich erst in der Nürnberger Antifa, später in der Münchner Linken zur Ausforschung linker Strukturen und Personen aktiv zu werden. Magnien soll Wiese, dies bleibt im späteren Prozess unwidersprochen, die Adresse des bekannten Münchner Linken Claus S. und eine Namensliste weiterer linker AktivistInnen aus München gegeben haben. Falls dies so zutrifft, hätte also das bayerische LfV die eigenen Erkenntnisse über antifaschistische AktivistInnen direkt an eine schwerbewaffnete rechtsterroristische Gruppe weitergegeben.

Vor dem Anschlagsversuch

Vom 12. bis 14. April 2003 fährt Didier Magnien mit seinem Wagen Martin Wiese und einige Mitstreiter zum Waffenkauf nach Brandenburg. Bei Peter Böttcher in Güstrow erstehen sie für 4.000 Euro sechs Pistolen und Munition. Für den Fall einer eventuellen Polizeikontrolle auf der Rückfahrt empfiehlt Magnien, sich nichts anmerken zu lassen und die Beamten dann »wegzublasen«. »Dann haben wir zwei Waffen mehr«, ergänzt Wiese. Bei einem Zeltlager bayerischer Neonazis zum Hitler-Geburtstag am 20. April 2003 spricht Magnien mehrfach von einem »großem Bumm«, gemeint ist ein Selbstmordattentat mit »2.000 Toten«. »Wenn ich über den Marienplatz gehe, dann stelle ich mir vor, wie toll es wäre, wenn so ein Ding hochgeht und 2.000 Leute draufgehen«. Magnien und die anderen Teilnehmer werden von der Polizei in Gewahrsam genommen. Um dies in Zukunft zu vermeiden, sorgt der V-Mann dafür, dass Treffen ab diesem Zeitpunkt nur noch verschlüsselt ausgemacht werden.

Zu all diesen Punkten wird Magnien im späteren Prozess gegen Wiese & Co. keine Angaben machen. Wann immer es für ihn oder seinen Arbeitgeber kritisch werden könnte, sind die Fragen plötzlich »nicht von der Aussagegenehmigung« gedeckt. Didier Magnien entpuppt sich letztendlich mehr als ein Zeuge der Verteidigung als der Anklage: Anschlagspläne der terroristischen Wiese-Gruppe? Nein, davon habe er niemals etwas mitbekommen.

Broschürentipp

A.I.D.A.-Archiv (Hg.) 
Sprengstoff in München. Martin Wiese, Kameradschaft Süd, NPD.
München: 2005, 2,50 Euro.

Zur Thematik siehe auch AIB Nr. 66: »Terrorpläne vor Gericht«.