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Der »Nationale Medienverband« mit neuen Konzepten

Einleitung

Als Ende des Jahres 1996 der langjährige Neonazi Christian Wendt (Berlin) ins Gefängnis wanderte, war dies ein schwerer Schlag für die medialen Bestrebungen der Neonazis um den Herausgeber der »Zeitungen der nationalen Erneuerung« Frank Schwerdt. Wendt war und ist als »Leitender Redakteur« eine der treibenden Kräfte im Projekt "Nationaler Medienverband", in dessen Rahmen die "Berlin Brandenburger Zeitung" (BBZ) und deren Regionalausleger erscheinen.

Frank-Schwerdt-Christian-wendt

Frank Schwerdt (links) und Christian Wendt (rechts) sind die Köpfe des "Nationalen Medienverband".

Ein Rückblick

Die BBZ entwickelte sich aus den von Andreas Storr (NPD) herausgegebenen "Nationalen Nachrichten", einer Wahlkampfzeitung der "Die Nationalen" zu den Berliner Abgeordnetenhauswahlen von 1992. Die erste Ausgabe der BBZ erscheint Anfang 1993, zunächst noch mit dem Untertitel "Zeitung der Nationalen". Von Beginn an dient die BBZ als Mitteilungsblatt dieser Vereinigung. In der Ausgabe Juli-August 1994 tritt das "Kommando F" als "Redaktionsstab" in die BBZ ein. Mit diesem Redaktionsteil, der sich nach eigenem Bekunden aus "mitteldeutschen Jugendlichen" zusammensetzte, "welche unterschiedlichen nationalen Jugendbewegungen angehören" , erscheinen erstmals Artikel stark nationalrevolutionärer Färbung in der BBZ. Die AutorInnen dürften aus den Netzwerken der früheren NF stammen. In der folgenden Ausgabe vom September 1994 füllt der "Redaktionsstab" fast die Hälfte der Seiten. Doch schon im Dezember 1994 ist die Zusammenarbeit beendet. Sang- und klanglos verschwinden ihre Artikel aus dem Blatt und das "Kommando" aus dem Impressum.

Mit der Ausgabe Nr. 15 vom Februar 1995 verbreitert die BBZ ihre redaktionelle und organisatorische Grundlage. Zum einen wird der Mitarbeiterkreis zunächst auf zehn und dann auf über zwanzig (!) Personen vergrößert, zum anderen wird Frank Schwerdt jetzt alleiniger Herausgeber. Die Partei "Die Nationalen" verschwindet aus dem Impressum und der Untertitel wird ergänzt zu "Zeitung der Nationalen Erneuerung". Christian Wendt schreibt in dieser Ausgabe: "Doch nicht nur äußerlich hat sich die BBZ verändert. Sie steht nunmehr erstmals nach zwei Jahren Aufbauarbeit auf wirklich eigenen Füßen. In Zukunft erscheint unsere Zeitung - ab dieser Ausgabe - in einem unabhängigen Verlag. Auch personell hat sich einiges getan. So wurde unsere Redaktion um die Mitarbeiter des ehemaligen "Aufbruch" bereichert." Der "Aufbruch" war das "Informationsblatt der Freiheitlichen Deutschen Arbeiterpartei für Mitteldeutschland", sprich: für die FAP-Netzwerke neuen Bundesländer. Zu der Redaktion stoßen nun neben Christian Wendt noch diverse andere frühere FAP-Aktivisten u.a. der ehemalige Bundesvorsitzende der FAP Friedhelm Busse, der Berliner Michael Dräger ("Aufbruch"), Erhard Kemper sowie der Berliner Detlef Cholewa (jetzt Nolde). Im August 1996 tritt die Redaktion der seit 1994 erscheinenden Zeitschrift "Thule" dem Mitarbeiterkreis bei. Diese wurde vom "Thule-Orden" herausgegeben, einem Kreis von Neofaschisten um Christian Malcoci und Jürgen Mosler. Mit dem Eintritt in die BBZ-Redaktion wird die Zeitschrift "Thule" eingestellt.1

Wer nichts wird, wird virtuell?

Lange Zeit konnte der "VBR Verlag" mit Sitz in Berlin, der die BBZ und deren Ableger herausgibt, lediglich Entschuldigungsbriefe verschicken. Eigentlich heißt der Verlag "VBR Vortrag-Buch-Reise Verlagsgesellschaft für politische Bildung mit beschränkter Haftung" und wird von Rudolf Kendzia (Berlin) betrieben. Er hatte den "VBR Verlag" 1990 ursprünglich als "VBR - Verlag der Berliner Republikaner mit beschränkter Haftung" mit einem Startkapital von 50.000 DM gegründet.

Seit Mitte des vergangenen Jahres ist Wendt nun wieder frei und die Folgen ließen nicht lange auf sich warten: Mit verstärkten Aktivitäten und neuen Projekten ist der Medienverband auf den Plan getreten. Hinzu kommt, daß die ehemalige Mitglieder und Funktionäre des aufgelösten Neonazi-Vereins "Die Nationalen e.V.", die ihrem ex-Chef Schwerdt nicht in die NPD folgen, in den Projekten des Medienverbandes ein erweitertes Betätigungsfeld finden.

Aus der Not eine Tugend machen, dachten sich Ende letzten Jahres die MacherInnen der BBZ ("Zeitungen für nationale Erneuerung"), nachdem das seit fünf Jahren unregelmäßig herausgegebene, eindeutig neonazistische Blättchen »aufgrund staatlicher Repression« vier mal nicht erscheinen konnte.

Durch die Verzögerung der angestrebten zweimonatlichen Erscheinungsweise, so die BBZ-Redaktion, »war es der BBZ nur in einem geringen Maße möglich, auf tagespolitische Ereignisse mit der erforderlichen Aktualität zu reagieren.« Entsprechend in Mitleidenschaft gezogen wurden die Tochterzeitungen der BBZ: Die "Neue Thüringer Zeitung" (NTZ), das "Junges Franken" (JF), die "Süddeutsche Allgemeine" (SAZ), die "Mitteldeutsche Rundschau", "Westdeutsche Volkszeitung" und "Hansekurier"/"Norddeutsche Zeitung", die den überregionalen Teil der BBZ übernehmen und eigene Regionalseiten dazustellen.

Die eigene Unzulänglichkeit wird nun umgedeutet in eine »Stärke in der inhaltlichen Aussage" und daraus das neue BBZ-Konzept gebastelt. Künftig soll die Papierausgabe nur noch vierteljährlich erscheinen, zwölf Seiten Umfang haben und sich mit »dem Wesentlichen", nämlich den »weltanschaulichen Hintergründen« beschäftigen. Für die aktuellen Dinge wurden neue Projekte aus dem Boden gestampft.

Der »BBZ Pressedienst«

Im November vergangenen Jahres wurde der »Pressedienst« "BBZ Aktuell" ins Leben gerufen, der wöchentlich an die AbonenntInnen verschickt werden soll. »Dabei gellt der BBZ-Pressedienst zuerst an den Staat«, heißt es in einer Ankündigung (Schreibweise im Original), »sollte sich dieser gut einführen, werden weitere Pressedienste der Regionalzeitungen folgen.« In dem »Pressedienst« wollen die Neonazis um Wendt und Schwerdt im bereits aus der BBZ bekannten antisemitischen und nationalsozialistischen Grundtenor das Tagesgeschehen kommentieren und die staatliche Repression bejammern. Neu ist eigentlich nur die Sparte »Blick nach links«. Hier versucht man sich in der Anti-Antifa-Arbeit, es finden sich die üblichen Verschwörungstheorien: Vom Aussteiger Ingo Hasselbach über die PDS bis zur Antifa wittern die Kameraden überall das Böse in Form von »Kommandozentralen« oder »Kaderschmiede(n) von Alt- und Neo-Stalinisten«. Faktisch handelt es sich bei der BBZ-Aktuell um eine Auswertung der bürgerlichen und linken Tages- und Wochenpresse, die von überzeugten Neonazis kommentiert und aufbereitet wird. Im Gegensatz zur alten BBZ hat sich nicht viel geändert, außer das die AbonenntInnen nun mit noch mehr Nachrichten bombardiert werden. Die Fotos werden dabei mangels eigener FotografInnen gerne mal aus dem AIB geklaut.

Die virtuelle BBZ und mehr

Als weiteren Ersatz für die Papierausgabe der BBZ und ihrer Tochterzeitungen ist das Blatt seit Oktober vergangenen Jahres mit einer eigenen Domain im World Wide Web des Internets vertreten. Die professionell aufgemachten Seiten dienen als virtuelle Ausgabe der BBZ und Wendt & Co verwenden viel Energie auf diese Arbeit: Täglich werden neue Nachrichten eingespielt, bei denen es sich allerdings um die gleichen Meldungen handelt, die später in der "BBZ-Aktuell" veröffentlicht werden. Zu allem Überfluß werden die gleichen Texte dann auch noch in den beiden Mailbox-Netzen "Thule Netz" und "Nordland Netz" veröffentlicht. Für "Kameraden" ohne eigenen Internet-Zugang steht das im Oktober '97 in Betrieb genommene "Nationale Infotelefon Preußen" zur Verfügung, auf dem sich ebenfalls die zuvor bereits vierfach veröffentlichten Nachrichten wiederfinden. Betrieben wird das "NIT Preußen" von dem in Berlin-Schönefeld lebenden Mike Penkert. Er zeichnet auch verantwortlich für die Radioprojekte im Berliner "Offenen Kanal", die sich ebenfalls zum "Nationalen Medienverband" zählen. Nachdem weitere Sendungen von "Radio Deutschland" und später "Radio Germania" im vergangenen Jahr vom "Offenen Kanal" untersagt wurden, frohlocken die Neonazis nun, das sie bald wieder auf Sendung gehen würden. Vermutlich folgen nach "Radio Z" und "Radio knorke" weitere Projekt-Namen...Außerdem sei ein Fernsehprojekt namens "Thule TV" im Offenen Kanal geplant. Als weiteres Projekt hat der Medienverband nun auch eine eigene Tonträgerproduktion mit angeschlossenem Mini-Versand gestartet.

Auch auf Holzwegen kann man stolpern

Der Kurswechsel der BBZ wirkt etwas verwirrend. Waren die Neonazis bislang bemüht, das Projekt BBZ in eine Massenzeitung münden zu lassen und breitere Bevölkerungsschichten zu erreichen, scheinen sie dies nun aufgegeben zu haben. Denn auch wenn die nächste Papier-BBZ abzuwarten bleibt: Nach dem Konzept zu urteilen, richtet sie sich mehr an die Szene als an Außenstehende.

Statt "nationaler Gegenöffentlichkeit" gegen die "Systemmedien" scheint "Meinungsführerschaft" innerhalb der NS-Szene das neue Ziel zu sein.

Daß die dann fehlende Außenwirkung durch den »Pressedienst« und die Internet-BBZ übernommen wird, kann getrost bezweifelt werden: Wer sucht sich schon im Internet die BBZ heraus oder abonniert die BBZ-Aktuell? Sollte die Papierausgabe der BBZ nach der Konzeptänderung tatsächlich ihre Funktion als »besseres Flugblatt«, daß man auf der Straße verteilen kann, verlieren, scheint die politische Gefährlichkeit des Medienprojekts arg gemindert: Es würde sich nicht mehr um unterschwellige nationalsozialistische Propaganda handeln, die in größerem Stil unter die Leute gebracht wird. Genauso unverständlich wie diese Wandlung scheinen auch die neuen Projekte aus dem Kreis um Schwerdt und Wendt: Die Neonazi-Szene wird mit den alles andere als weltbewegenden Nachrichten aus der BBZ-Redaktion bombardiert, die zumeist aus anderen Zeitungen abgeschrieben und  kommentierend umformuliert werden. Und das nicht nur in einem Medium, sondern gleich in vier.

Offensichtlich fühlt sich der "Medienverband" berufen, durch massive Präsenz im Internet und in den beiden Neonazi-Mailboxnetzen "Thule" und "Nordland" über Berlin und Brandenburg hinaus das neofaschistische Lager ideologisch anzuführen und zu koordinieren. Dafür wird auch ohne Skrupel gelogen und übertrieben.

Ob sich auf diesem Weg ein Propagandaeffekt und eine stärkere Organisierung bei den Neonazis einstellt, darf bezweifelt werden. Schließlich ersetzt ein Neonazi vor dem Computer noch nicht den Neonazi auf der Straße und die für alle öffentlich zugängliche Kommunikationsstruktur bedeutet noch nicht, daß diese auch angenommen wird.

Die Strukturen des "Nationalen Medienverbands" selbst allerdings scheinen sich seit der Entlassung Wendts aus dem Knast weiter gefestigt zu haben und befinden sich im Auftrieb.

Totalausfälle und Personalmangel

Die BBZ "sucht für den Ausbau ihrer Arbeit noch geeignete ehrenamtliche Redakteure und technische Mitarbeiter." Ein »gewisses journalistisches Talent und eine nationale Grundhaltung« werden vorausgesetzt, heißt es in der Internet-Ausgabe der BBZ vom 3. Januar. Dies ist nicht verwunderlich, verlor doch der "Nationale Medienverband" mit dem Totalausfall von Thomas Kubiak, Andree Zimmermann und Harald Theodor Mehr, die sich auf der Autobahn totgefahren haben, laut BBZ-Aktuell »drei wichtige Mitarbeiter, Redakteure und finanzielle Förderer.« Während Wendt noch über die Beteiligung »radikal-israelischer Gruppen« (sic!) an diesem Autounfall räsoniert, hat es bereits zwei weitere Kameraden schwer erwischt: Der Redakteur der Westdeutschen Volkszeitung, Ferdinand Eisenbrecher (vermutlich ein Pseudonym), sei bei einem Schußwechsel in Nepal schwer verwundet worden, während der Herausgeber des Blattes, Rüdiger Kahsner (Hagen), mit Herzinfarkt ins Krankenhaus eingeliefert werden mußte. Neben der Frage, was deutsche Neonazis eigentlich in bewaffneten Konflikten in Nepal zu suchen haben, interessiert vor allem, ob sich der "Nationale Medienverband" von diesem »schweren Schlag für die nationale Bewegung« so schnell wieder erholen wird und die doch beträchtlichen personellen Verluste ausgleichen kann.

Chefredakteur Wendt dürfte einige Schwierigkeiten haben, ehrenamtliche Mitarbeiter zu finden, sind doch die meisten seiner (militanten) "Kameraden" oftmals nicht besonders kompetent in der Publizistik oder bereits in andere Projekte eingebunden. Trotzdem muß davon ausgegangen werden, daß sich diese legale publizistische Struktur noch eine Weile über Wasser halten kann.

Wer macht was bei den »Zeitungen der nationalen Erneuerung«?

Bei dem aus dem BBZ-Netzwerk2
veröffentlichten MitarbeiterInnen-Kreis dürfte es sich in vielen Fällen um fiktive Namen handeln.

Herausgeber: Frank Schwerdt (Kultur)

Leitender Redakteur: Christian Wendt (Titel, Hauptstadt)

Weitere Redaktionsmitglieder: Carola Bauer (Meinung/Kontroverse), Jürgen Schwab über sein Alias Andreas Morbach (Inland Politik), der Berliner NPD-Kader Andreas Storr3
, Karsten Voigt (Letzte Seite), Andreas Sennlaub (Lokales), Andreas Schulz (Leserbriefe, Zuschriften), Dr. Walter Menz (Wirtschaft und Soziales), Dr. Jens-Ottfried Berger (Hintergrund)

Freie Mitarbeiter: Katrin Berger, Martina Voß, Udo Hempel, Steffen Dittmann, Ingo Günther, Erhard Kemper alias "Germanicus" aus Münster, Mike Penkert, Klaus Beier4
, Lutz Giesen5
und , Frank Hübner3
und Nicolas Wernicke3

Korrespondenten: Tino Brandt (Thüringen), Steffen Hupka (Sachsen-Anhalt), Udo Hempel (Sachsen), Jürgen Schwab alias Andreas Morbach (Franken, Bayern)

BBZ-Online-Ausgabe: Rudolf Bachstein6

Verantwortliche für die Regionalausgaben:

"Junges Franken": Klaus Beier (Miltenberg)

"Neue Thüringer Zeitung" Tino Brandt (Rudolstadt)

"Mitteldeutsche Rundschau": Udo Hempel (Weißwasser), Carola Bauer (Zahna)

"Westdeutsche Volkszeitung": Rüdiger Kahsner (Hagen)

"Süddeutsche Allgemeine Zeitung": Peter von Singhofen (Aichwald, Schwaben), dies dürfte ein Pseudonym sein. Die erste Ausgabe 1995 entstand noch unter Federführung von Friedhelm Busse. Autor in der SAZ ist u.a. der NPD-Funktionär Christoph Dietermann.7

Langfristige Vernetzung

Der Herausgeberkreis dieser Neonazi-Publikationen vernetzte sich auf eigenen "Redaktionssitzungen". So zum Beispiel am 16. Mai 1996 in einem "Jugendclub" in Benewitz im Muldentalkreis in Sachsen und am 7. September 1996 in Hochheim im Hochtaunus-Kreis. Die hier entstandenen Kontakte und Verbindungen werden unabhängig der Erfolge der BBZ-Projekte weiter bestehen.