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Rechte Parteien in Bulgarien

Reiko Pinkert und Uwe Stegemann (Gastbeitrag)
Einleitung

Während momentan viele auf die erstarkende Rechte in Griechenland schauen, herrscht im Nachbarland Bulgarien Pogromstimmung. Die Regierung des Landes spielt diese seit Jahren herunter, die westliche Öffentlichkeit interessiert sich sowohl für die Opfer rassistischer Gewalt als auch für die Täter_innen nur wenig. Ziel und Opfer des Rassismus sind vor allem Roma. Die Täter_innen sind para­militärisch organisierte Neonazis, Hooligans oder vermeintlich unbescholtene Bürger_innen. Rassismus, Antiziganismus, Antisemitismus und völkischer Pseudo-Antikapitalismus sind das ideologische Fundament. 

Foto: flickr.com; Nedko Ivanov/CC BY 2.0

Volen Siderov, Parteichef von »Ataka«, hier bei einem Wahlkampfauftritt 2007.

Solidarität oder eine Repräsentation der Interessen der Roma im politischen System Bulgariens ist aufgrund des rassistischen und antiziganistischen Konsenses in einem großen Teil der bulgarischen Gesellschaft kaum zu finden. Zivilcourage wird im Zweifel eher bestraft als geehrt, wie man an folgendem Beispiel sehen kann: Der australische Tourist Jock Palfreeman mischte sich im Dezember 2007 ein, als zwei jugendliche Roma von 16 Neonazis zusammengeschlagen wurden. Daraufhin konnten zwar die beiden angegriffenen Roma fliehen, doch wurde nun Jock seinerseits von den Rassisten angegriffen.  Im Laufe der weiteren Auseinandersetzung wurde einer der Angreifer schwer verletzt, ein anderer durch einen Messerstich getötet. Seitdem sitzt der mittlerweile 25-jährige Palfreeman in Bulgarien im Gefängnis;  verurteilt zu 20 Jahren Haft wegen versuchten Mordes und wegen Mordes. Trotz diverser Zeugenaussagen, dass Jock Palfreeman in Notwehr gehandelt hat, wurde er ohne Strafmilderung verurteilt (vgl. AIB Nr. 87). Zweifel an der Rechtsstaatlichkeit des Urteils sind nicht nur deshalb aufgekommen, weil der Vater des getöteten Neonazis eine sehr einflussreiche Persönlichkeit Bulgariens ist, sondern auch, weil rassistische Übergriffe, vor allem auf Roma, in Bulgarien keine Seltenheit sind und scheinbar eher als Kavaliersdelikte seitens der Strafverfolgungsbehörden behandelt werden. Es muss zudem davon ausgegangen werden, dass Bulgarien entsprechende gesellschaftliche Rahmenbedingungen und Strukturen bietet, die es nicht abwegig erscheinen lassen, dass das BKA die bulgarischen Polizeibehörden über Interpol um Hilfe bei der Fahndung der seit November 2011 als NSU-Trio bekannten Neonazis gebeten hat. Hintergrund dieses Ersuchens waren Hinweise, wonach sich die Gesuchten seinerzeit in Bulgarien aufhielten bzw. von dort nach Südafrika weiterreisen wollten. Grund genug, einen Blick auf rechte Parteien und Organisationen zu werfen.

Bei den politischen Parteien sind es in der ansonsten zersplitterten extrem rechten und rassistischen Parteienlandschaft z.B. »VMRO-BND« (Innere Mazedonische Revolutionäre Organisation – Bulgarische Nationale Bewegung), »Ataka« (Attacke) und der »Bulgarische Nationalbund« (BNS), die nationalistische und rassistische bis hin zu neofaschistischen Positionen offensiv vertreten.

Die von dem früheren Journalisten Volen Siderov geführte Partei »Ataka«, war 2007 neben der fränzösischen »Front National« (FN), der rumänischen »Partidul România Mare« (PRM), dem belgischen »Vlaams Belang« (VB) und der »Freiheitlichen Partei Österreichs« (FPÖ) sowie zwei italienischen und einem britischen Abgeordneten an der Gründung der extrem rechten und neofaschistischen Fraktion »Identität,  Tradition, Souveränität« (ITS) im Europaparlament beteiligt. Anteil am bereits erreichten Wahlerfolg dürfte auch die antisemitische Ausrichtung von »Ataka« haben, die auf ihrer Homepage eine Liste mit 1.500 Namen bekannter bulgarischer Juden unter der Überschrift »Die Juden sind eine von der Pest verseuchte, gefährliche Rasse…«1 veröffentlichte. Darüber hinaus bedienten sich die Partei und Siderov rassistischer und antiziganistischer Hetze. Roma wurden als »diebische, gewaltbereite und die bulgarische Mehrheitsbevölkerung terrorisierende« Minderheit dargestellt, die angesichts ihrer »über­pro­por­tio­nalen Vermehrung« eine Gefahr für den Fortbestand der bulgarischen Nation seien.

Eine Partei, die nicht nur in Bulgarien aktiv, sondern auch mit anderen neonazistischen und rassistischen Parteien und Organisationen in Europa vernetzt ist, ist der 2001 gegründete »Bulgarische Nationalbund« (BNS). Der BNS verbreitet eine antiziganistische, antisemitische und antitürkische Hetze. So polemisierte er 2011: »Die Diebstähle, Vergewaltigungen, Betrügereien und die Morde sind an  der Tagesordnung, was der anständige und arbeitsame Bulgare seit Jahren erdulden muss.« In einem Interview betonte Partei-Chef Boyan Boyanov Stankov, der allgemein unter dem Namen Bojan Rassate auftritt, »dass wir (...) die Zigeuner nicht als Teil des bulgarischen Volkes betrachten. Von fremder Kultur rede ich bewusst nicht, weil sie keine Kultur haben. (…) Wir können heute nicht daran denken, die Zigeuner einfach umzubringen. Die Zeiten sind andere.« Da passt es auch ins Bild, dass er die Einführung eines »Ariernachweises« forderte.2

Boyan Boyanov Stankov (alias Bojan Rassate) steht nicht nur in Kontakt mit der deutschen NPD und der rumänischen extrem rechten »Nua Dreapta«, sondern firmiert auch als »Landesleiter«3  und »Vertreter« Bulgariens in der 2010 zunächst unter der Bezeichnung »Bund Freies Europa« (BFE) gegründeten »Europäischen Aktion« (EA), einem neuen Organisationsversuch von Schweizer Neonazis unter Führung des bekannten Holocaustleugners Bernhard Schaub. Es verwundert kaum, dass Boyan Boyanov Stankov (Rassate) in seiner Rede auf einem Treffen der EA am 10. September 2011 seine Solidarität mit HolocaustleugnerInnen ausdrückte: »Es wird weiterhin Aufklärungsarbeit geleistet und lebhaft über die Gerichtsfälle der europäischen Märtyrer der Meinungsfreiheit wie Horst Mahler, Ernst Zündel, Sylvia Stolz, Pedro Varela, Wolfgang Fröhlich, Gerd Honsig usw. diskutiert.«4
 
Personell bestehen gute Kontakte zu Neonazis in Deutschland und anderen europäischen Ländern. So nehmen immer wieder auch Vertreter_innen neonazistischer und rassistischer Gruppierungen und Parteien aus Bulgarien am »Fest der Völker« in Jena, an Veranstaltungen zum »Antikriegs­tag« in Dortmund oder auch den Neonazidemonatrationen in Dresden anlässlich der alliierten Bombardierungen der Stadt teil. Ausdruck dieser Vernetzung sind entsprechende »Gegenbesuche« von Mitgliedern und BeobachterInnen der ENF-Parteien bei  jährlich stattfindenden sog. »Gedenkfeiern« bzw. »-märschen«, wie die zu Ehren von Ion Mota und Vasile Marin im Januar in Madrid, anlässlich des jährlichen nationalistischen Imia-Aufmarschs im Januar in Athen5 oder auch zu Ehren des Faschistenführers Corneliu Codreanu im November in Bukarest.

Ein weiteres Beispiel ist der jährlich seit 2004 im Februar zu Ehren des  nationalsozialistischen Generals Hristo Nikolov Lukov6 stattfindende sog. Lukov-Marsch in Sofia, an dem sich neben »Blood & Honour«, Angehörige des »Nationalen Widerstandes« (»Nazionalna Saprotiva«), des »Bulgarischen Nationalbundes«, Neonazi-Skinheads und Mitglieder der sogenannten Ultras des Fußballvereins Levski Sofia auch Mitglieder extrem rechter Gruppen aus mehreren europäischen Ländern beteiligen. Im Zusammenhang mit dem »Lukov-Marsch« traten auch die Neonazi-Bands »Libertin« aus Dortmund und »Civil Disorder« aus Magdeburg auf.7

Während es eine über Ansätze hinausgehende europäische Vernetzung der Neonaziaktivitäten gibt, sieht es auf der Gegenseite düster aus. Wünschenswert wäre mehr gegenseitige Unterstützung, sei sie personell, materiell und/ oder finanziell. Auch ein Erfahrungsaustausch über Möglichkeiten der Bündnisarbeit gegen Neonazidemonstrationen über linksradikale Gruppen hinaus – wie z.B. in Dresden – könnten ein Anfang sein.