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Jock Palfreeman in Bulgarien zu 20 Jahren Haft verurteilt

Einleitung

Jock Palfreeman ist ein junger Australier, der nach ungefähr zwei Jahren Untersuchungshaft im Zentralgefängnis in Sofia (Bulgarien) am 2. Dezember 2009 des vorsätzlichen und des versuchten Mordes aus »antisozialen« Beweggründen für schuldig gesprochen wurde. Jock hatte sich bei einem rassistischen Überfall gegen Roma spontan entschlossen dem Betroffenen zu helfen und sich gegen die Angreifer gestellt. Er wurde zu 20 Jahren Haft und 450.000 Leva (ca. 230.000 Euro) Geldbuße verurteilt. Jocks Freunde und seine Eltern, Dr. Simon Palfreeman und Helen Palfreeman, halten das für ein politisches Urteil, von einem Mord aus niederen Bewegründen könne keine Rede sein.

Jock Palfreeman wurde in Bulgarien zu 20 Jahren Haft verurteilt, weil er einen rassistischen Angriff verhindern wollte.

Ende Dezember 2007 war Jock in Sofia unterwegs. Ziemlich spät in dieser Nacht bemerkte er eine Gruppe von mindestens 15 Männern, die zwei Roma angriffen. Bei dieser größeren Gruppe handelte es sich um Fußballhooligans mit neonazistischen Tendenzen und dieser Angriff war offensichtlich eine rassistische Attacke. Roma sind in Bulgarien von schwerwiegender Verfolgung betroffen. Jock ging dazwischen und die Roma konnten flüchten. Die Gruppe wandte sich nun Jock zu und attackierte ihn mit Pflastersteinen. Er verteidigte sich mit einem Messer, wobei ein Angreifer getötet und ein anderer verwundet wurde. Schlecht für Jock, dass es sich bei dem Getöteten um einen Angehörigen einer wohlbekannten bulgarischen Familie handelte, die hohes Ansehen genießt. Er wurde der Ermordung von Andrej Monov und der Verwundung des Angreifers Antoan Zahariev für schuldig befunden. Monovs Vater ist ranghoher Mitarbeiter der bulgarischen Regierung und arbeitete früher für die Polizei.

Besuch in Sofia

Jock, damals 21, diente 2007 in der britischen Armee und absolvierte in Yorkshire seine Erstausbildung. Er entschied sich Weihnachten mit Freunden im Dorf Madjare, 50 km südlich von Sofia, zu verbringen, wo er im Jahr zuvor für sechs Monate gearbeitet hatte. Er kannte sich in Bulgarien entsprechend gut aus. Zwei Tage nach Weihnachten fuhren Jock und seine Freunde nach Sofia, weil ein Mitglied der Gruppe am nächsten Tag nach England zurückflog. Sie buchten sich in einer Jugendherberge ein und gingen mit anderen Travellern in die Stadt. Zwei Personen waren mit Jock in der Nacht zum 28. Dezember 2007 unterwegs, ein junger bulgarischer Mann, den sie an diesem Abend erst kennen gelernt hatten und eine weitere Bekannte. Der Bulgare wollte in einen Club gehen und sie machten sich auf den Weg dorthin. Die drei bemerkten eine Gruppe junger Männer, welche die Straße entlang rannten. Der Bulgare identifizierte sie als Anhänger des Fußballvereins Levski Sofia.

Kurz darauf sah Jock die gleiche Gruppe von etwa 15 jungen Männern,  wie sie zwei andere Personen jagten. Ein Mann lief in Richtung Sveta Nedelja Kirche, der andere lag am Boden und wurde getreten. Jock lief hinterher um zu helfen, während seine Gefährten versuchten per Handy Hilfe zu holen. Jock beschrieb das Opfer auf dem Boden später als  jungen Mann mit einem dunklen Teint. Er lief auf die Angreifergruppe zu und stieß sie beiseite. Als die Angreifer sich daraufhin ihm zuwandten, nahm Jock ein Messer aus seiner Tasche. Er habe nicht die Absicht gehabt, es zu benutzen, er wedelte mit ihm herum, um die Angreifer zu verängstigen. An diesem Punkt zog sich die Hooligangruppe zunächst zurück. Jock drehte sich um und kümmerte sich um den Jungen auf dem Boden. In diesem Moment wurde Jock erneut attackiert, die Gruppe verfolgte ihn und bewarf ihn mit Steinen.

Vor Gericht

Zwei Jahre später wurde er für sein Handeln verurteilt. Das Gerichtsverfahren war geprägt von einer Missachtung der Verfahrensordnung und Jocks Rechten sowie dubiosen Praktiken, wie verschwundenem Filmmaterial, beeinflußten Zeug_innenaussagen, dem Ausbleiben der Vernehmungen von Schlüsselzeug_innen, Absprachen innerhalb der Hooligan-Gang und bei der Polizei. Andere entlastende Beweise wurden vom Gericht abgelehnt. Die Anklage bestritt, dass die Attacke auf den Roma stattgefunden habe und bezeichnete Jock als »Psychopath« und »professionellen Killer«. Jocks Stellungnahme nach seiner Verurteilung: »Die Entscheidung des Stadtgerichts Sofia vom 2. Dezember 2009 steht im völligen Widerspruch zu allen verfügbaren Beweisen, die dem Gericht vorgelegt wurden. Angesichts aller neutralen Augenzeug_innenberichte, den Aussagen der Polizei, forensischer Untersuchungen, psychologischer Untersuchungen, Blutalkoholtestergebnissen und den Überwachungsvideoaufnahmen, die meine Aussage Wort für Wort bestätigen, hat mich das Gericht trotzdem des Angriffs auf eine Gruppe ohne vorhergehende Provokation und ohne Grund und des vorsätzlichen Mordes an einem Mann sowie des versuchten Mordes an einem anderen für schuldig erklärt.

Das ist nicht nur eine Scheußlichkeit des Rechtswesens und gegen mein Recht auf einen fairen und objektiven Prozess, sondern bedeutet gleichzeitig auch grünes Licht für Fußballhooligans mit ihren Attacken auf andere Mitglieder der Gesellschaft, vor allem ethnische Minderheiten, die in Bulgarien, der EU und der ganzen Welt Hauptziele solcher Gruppen sind, weiterzumachen.« Auch das europäische antirassistische Netzwerk UNITED for Intercultural Action fordert einen neuen, fairen Prozess für Jock. Zwei Gutachten wurden vom Gericht in Auftrag gegeben. Sie beinhalteten psychometrische und psychologische Tests. Sie schlossen daraus, Jock sei nicht von Natur aus eine aggressive oder gewalttätige Person und verfüge über einen ausgeprägten Sinn für Gerechtigkeit.

Im Februar 2010 wurde Jock auf unbestimmte Zeit in Isolationshaft verlegt. Isolation bedeutet, dass er keinen Kontakt zu anderen Inhaftierten hat und keinen Zugang zu Büchern, Radio oder Fernsehen bekommt. Er kann weder arbeiten noch studieren oder die Gefängnissporthalle benutzen. Alle Mahlzeiten muss er in der Zelle zu sich nehmen. Die einzige Möglichkeit diese zu verlassen sind die 90 Minuten, in denen er alleine Übungen im Gefängnishof machen kann. Jocks Haftbedingungen sind das Ergebnis eines im Juni 2009 eingeführten Gesetzes, das besagt, dass jede_r ausländische Gefangene_r, dem/der eine Gefängnisstrafe von mehr als 15 Jahren bevorsteht, unter solchen Haftbedingungen untergebracht werden soll, bis ein endgültiges Urteil über sie/ihn gefällt wurde. Bis jetzt wurde Jock vom Stadtgericht verurteilt, jedoch wurde Einspruch eingelegt: zuerst in einer Anhörung beim Oberen Gerichtshof und später vielleicht auch beim Obersten Gerichtshof. Sollte der Berufungsprozess, wie zu erwarten, weitere zwei Jahre andauern, könnte Jock für diese Zeit in isolierter Haft bleiben.

Jock freut sich über Post:
Jock Palfreeman
Sofia Central Prison
21 Gen. N. Stoletov Bul.
Sofia 1309
Bulgarien

Mehr Informationen unter
www.freejock.com