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Braunzonen Shopping

Einleitung

Jena, knapp 500 Meter vom Rathaus entfernt: Im »Madley«1 , einem Laden, dessen Schaufenster mit Aufklebern von bei Hooligans, Rechten aber auch vermeintlich unpolitischen Jugendlichen beliebten Klamottenmarken zugeklebt ist, erhält man auf Nachfrage nicht nur die zum Verkauf angebotenen T-Shirts und Kapuzenpullover. Sondern auch Musik von Skrewdriver oder dem kanadischen Neonaziballaden-Sänger Griffin, die der Skin hinter dem Tresen eigens aus einem silbernen Alu-Koffer hervorholt und für 35 D-Mark pro Stück anbietet. Das Problem rechter und extrem rechter Ladengeschäfte ist längst nicht mehr ein regionales, sondern ein bundesweites.

  • 1Als (Mit)Betreiber des "Madley" bzw. des "Madley In - Out Siders" wurden Frank Liebau (Laasdorf), Andreas Schultz und Anja Bosger bekannt.
Bild: attenzione-photo.com

Seit Jahren im Geschäft mit Neonazi-Merchandise: Markus Thielke von dem Klamotten-Laden "New Dawn" in Anklam.

Zahlen über rechte und neonazistische Läden finden sich jedoch bislang in keiner offiziellen Statistik. Das liegt zum einen an dem altbekannten Hang der Sicherheitsbehörden zur Verharmlosung von allem, was sich an neuen Trends von Rechts abzeichnet. Zum anderen trägt dazu möglicherweise aber auch ein Phänomen bei, das AntifaschistInnen seit langem beobachten. Im rechten Business herrscht sowohl bezüglich der BetreiberInnen als auch der Räumlichkeiten eine hohe Fluktuation. Zudem ist es schwieriger geworden, einzelne Läden als eindeutig neonazistisch zu bezeichnen, denn die Übergänge zwischen Geschäftemacherei und Propagandaarbeit aus Überzeugung verschwimmen zunehmend. Ehemalige Kader verbotener Neonazi-Organisationen betreiben ebenso wie vermeintlich unpolitische Geschäftemacher Läden, in denen hauptsächlich Kleidung und Accessoires für den rechten Life-Style verkauft werden.

Beinahe nebenbei läuft das Geschäft mit nicht strafbaren Neonazi-CDs oder Propagandamaterial über den Ladentisch und unter der Hand mit indiziertem Material. Letzteres ist aufgrund der regional zunehmenden Überwachung durch die Sicherheitsbehörden zwar schwieriger geworden, aber wegen der höheren Gewinnspanne und der ungebrochenen Nachfrage eines anwachsenden »KundInnenkreises« lukrativ und üblich. Die Motivationen, Ladengeschäfte zu eröffnen, die sich durch ihr Angebot überwiegend an eine rechte Jugendszene richten, sind vielfältig und unterschiedlich. Herauskristallisiert haben sich in den letzten zehn Jahren mehrere unterschiedliche »Typen«. Da sind einerseits Vertreter der ersten und zweiten Neonazi-Skingeneration aus den frühen 1990er Jahren, die sich mit eigenem Gewerbe aus »den ersten Reihen« zurückgezogen haben und nun in aller Ruhe Geld verdienen wollen. Sie verfügen meistens noch über gute Kontakte in die Szene hinein und einen entsprechenden »Ruf«. Beides sorgt dafür, dass sie leichten Zugang zu einschlägigen Neonaziversänden haben und dementsprechend neben Kleidung häufig auch deren Musik, Klamottenmarken und Propagandamaterial anbieten.

Einige dieser Läden sind zu Kristallisationspunkten für rechte Jugendliche in der jeweiligen Stadt oder der gesamten Region geworden - soziale Orte, wo man Gleichgesinnte trifft und Informationen über Musikneuerscheinungen oder Konzerte erhält. In den seltensten Fällen fliesst der Gewinn, der in diesen Läden gemacht wird, direkt in die Arbeit extrem rechter politischer Gruppen oder Organisationen zurück. Zumeist dient der Reingewinn dem persönlichen Lebensunterhalt der LadenbetreiberInnen. Festzuhalten bleibt aber, dass beispielsweise im Musikbusiness die Macher der Neonazimusik durch das Netzwerk der Läden kräftig mitverdienen, Zugang zu einem größeren Absatzmarkt und weniger Aufwand beim Vertrieb haben. Darüber hinaus entsteht - ganz im Sinne des NHB-Konzepts »Schafft befreite Zonen« - ein eigener rechter Wirtschaftskreislauf, der nicht alleine aus »Freiräumen« besteht, sondern auch aus Arbeitsbeschaffungsmassnahmen in der Neonaziszene für die Neonaziszene.

Manchmal wird die Eröffnung von Ladengeschäften durch Neonazis auch als Resozialisierungsprojekt verkauft, wie beispielsweise »Hehls World« durch den vorbestraften Neonazi Christian Hehl Ende der 1990er Jahre in Ludwigshafen oder bei Carsten Szczepanski, dem brandenburgischen Neonazi, der nach seiner Haftentlassung ebenfalls einen einschlägigen - öffentlich nicht zugänglichen - Laden in Königs Wusterhausen betrieb. Beide mussten wieder schliessen. »Hehls World« aufgrund einer lang anhaltenden Kampagne von AntifaschistInnen1 und Szczepanskis »Thule«-Laden nach seiner Enttarnung als V-Mann des brandenburgischen Verfassungsschutzes.2 Daneben existieren seit einigen Jahren Läden, die von sogenannten unpolitischen Geschäftemachern geführt werden, wie beispielsweise das »Eagle« im sächsischen Pirna, einem der Zentren der neonazistischen Skinheads Sächsische Schweiz (SSS)3 . Derartige Läden entstehen, weil es in der Region eine entsprechend große Nachfrage nach Accessoires für den rechten Lifestyle gibt und sich damit Geld verdienen lässt. Es gibt immer mehr Geschäfte, die zwar weder »White Power«-Aufnäher noch andere Kleidungsstücke mit offensichtlicher ideologischer Zuordnung verkaufen, in ihrem Angebot aber trotzdem an einem Mainstream in der Jugendkultur orientiert sind, der von Rechts erheblich beeinflusst wurde.

In der brandenburgischen Kleinstadt Wittstock beispielsweise, wo Rechte seit knapp einem Jahrzehnt die Hegemonie in der Jugendszene haben, bietet ein völlig bürgerlicher Kleidungsladen ausschließlich die Marken Lonsdale, Pit Bull und Fred Perry an und kann sich damit über Wasser halten. Gemeinsam sind all diesen Läden die breit gefächerten Kundenkreise - von Fussballhooligans, rechts anpolitisierten Jugendlichen über Neonazis bis hin zu ganz »normalen« Jugendlichen. Auch ihre Funktion ähnelt sich: Sie stärken einen rechten Lifestyle, senken die Hemmschwelle zum Zugang zur Neonaziszene und tragen dazu bei, dass »Rechtssein« in vielen Regionen zunehmend als Normalität empfunden wird. Nachfolgend werden einige regionale Beispiele für die unterschiedlichen Ladengeschäfte des extrem rechten Lifestyles und ihre Funktionen vorgestellt. Geworben wird im übrigen mit allem, was neue und alte Medien hergeben: Online-Shopping auf Neonaziwebseiten, Hochglanz-Versandlisten oder einfach nur mit kopierten Handzetteln.

Seit 15 Jahren im braunen Geschäft

Einer der ältesten Neonaziläden überhaupt war das »Halloween« in Berlin. Er eröffnete im Jahr 1987 in West-Berlin und bot von Anfang an neofaschistische T-Shirts, Aufnäher und Fahnen an. 1988 wurden hier bei einer polizeilichen Razzia über 100 T-Shirts mit hakenkreuzähnlichen Aufdrucken und zahlreiche Keltenkreuz-Fahnen beschlagnahmt.4 Betreiber des Ladengeschäftes »Halloween«-Bekleidung La Roche & Kozmaz waren im Laufe der Jahre die »Einzelkaufleute« Hannes La Roche und Ahmet Kozmaz sowie Ömer-Horst Kozmaz.5 1989 wurde bekannt, dass der Halloween-Laden eine LP für die Berliner Skinheadband »The Voice« produzierte.6 Nach der Öffnung der Mauer eröffneten im Ostteil Berlins weitere Ladengeschäfte, die die extrem rechte Jugendszene versorgten.

Zu den ersten Neonaziläden zählte hier das »No Remorse« in Berlin-Pankow, der Anfang 1995 in den Bezirk Berlin-Prenzlauer Berg umzog und in Ha-Ra-Kiri umbenannt wurde. Seitdem wird er hier von Henry Harm und Nicole Radicke betrieben. Der Laden soll 1997 im Zuge einer bundesweiten Polizei-Razzia gegen illegalen RechtsRock ("Notenschlüssel II") durchsucht worden sein. Auch der Laden "Two-Flags-Store" von Lutz Buschkowski in Berlin-Prenzlauer Berg und Werner Kaufmann in Berlin-Lichtenberg soll in diesem Zusammenhang durchsucht worden seien. In Berlin-Pankow eröffnete einige Jahre später der Neonaziladen Andycap, der vor allem durch seine Nähe zur Berliner Kameradschaft Germania auffiel.7   Eine Schnittstelle zwischen Neonazi- und Hooligan-Szene stellte der Laden »Kategorie C« in Berlin-Hohenschönhausen dar. Zwischen diesem Laden und dem »Halloween« bestanden enge personelle Verbindungen. Die Gewerbeanmeldung lief über die GbR Müller/Kozmaz von Ömer Horst Kozmaz. Er gründete ausserdem gemeinsam mit Ahmet Kozmaz, dem Sänger der Neonaziband »Spreegeschwader« Alexander Gast und Christian Müller eine GbR namens Druckcrew-Berlin. Nachdem es gegen den ehemaligen »Kategorie C«- Betreiber Christian Müller zu Ermittlungsverfahren wegen seinen Verstrickungen in die Hooligan- und Kokain-Szene kam, wechselte der Betreiber und die Neonazi-T-Shirts verschwanden aus der Auslage.8

Während sich gegen diese Läden immer wieder antifaschistische Kampagnen richteten, blieb das »Halloween« in der Öffentlichkeit weitestgehend unbeachtet, obwohl es einen engen Kontakt zu der Berliner Naziband »Spreegeschwader« gab und deren Sänger Alexander Gast hier zeitweilig arbeitete.9 Über die Versandliste des Halloween wurde offiziell »Spreegeschwader Merchandising« betrieben10 und die Internetseiten der Band und des Ladens über Ahmet Kozmaz registriert. Doch die Kundschaft verirrte sich nur selten nach Berlin-Charlottenburg. Obwohl der Laden die gesamte Bandbreite rechten Lifestyles abdeckte und Neonazi-CDs und Fanzines vertrieb, kam er in finanzielle Schwierigkeiten. Die Konkurrenz diverser anderer Neonaziläden, Probleme mit Händlern11 und die ungünstige Lage machten ihm zu schaffen.

Auch der Entwicklung des Neonazi-Lifestyles in Richtung Mainstream konnte man nichts abgewinnen. Im Vorwort zum Katalog für das Jahr 2001 beklagen die »Halloween«-Macher: »...wir sind nur ein kleiner Shop und müssen um unsere Existenz kämpfen. Wie gesagt, wir sind nicht ‘Otto-Versand’ oder ‘Neckermann’, die ja auch bereits Dr. Martens und Ben Sherman vertreiben!...« Im selben Jahr zog das »Halloween« dann vom bürgerlichen Berlin-Charlottenburg in die brandenburgische Kleinstadt Teltow bei Potsdam, da man sich hier einen größeren Absatzmarkt erhoffte. Inzwischen heisst »Halloween« nun »Nordic Thunder« und verkauft nach wie vor Neonazipropaganda.11 Betrieben wird der »Nordic Thunder« von Simon Wedel. Die Geschichte des »Halloween« ist ein Beleg dafür, dass es seit über fünfzehn Jahren einen Markt für einen neofaschistischen Lifestyle gibt. Doch sie zeigt auch, dass selbst im Neonazigeschäft die harten Regeln des Marktes gelten, wo Faktoren wie Konkurrenz, Händlerlieferungen, Absatzmarkt und Lage eine Rolle spielen.

Naziladen als Impulsgeber für die Ostharzregion

Das Angebot des Neonazi-Ladens »Head-Check« im sachsen-anhaltinischen Wernigerode unterscheidet sich kaum von dem anderer »Szene«-Läden - vor allem beliebte Kleidungsmarken, Aufnäher und Schuhe sowie - auf entsprechende Nachfrage - CDs diverser extrem rechter Bands. Der Laden liegt mitten in der Innenstadt, und wer ihn sucht, erhält im Touristeninformationsbüro der Stadt eine freundliche Wegbeschreibung. Sein Betreiber Marcel Günther kann auf eine längere Szenekarriere zurückblicken. Er gilt als der führende Kopf der städtischen »Kameraden«. Bis zu ihrem Verbot 1995 existierte in Wernigerode der bundesweit größte Kreisverband der FAP und eine entsprechend große militante Neonaziskinszene. Schon damals war Günther mit dabei. Ihm gelang es nach einigen Anlaufschwierigkeiten, die nach dem FAP-Verbot leicht zersplitterte Szene in einem Verein namens Jugendbund e.V. 12 zu organisieren. Der Jugendbund, der in dem städtischen Jugendclub »Harzblick« beheimatet war, wurde schnell zur Anlaufstelle für musikbegeisterte Neonazis. Von 1997 an gab Marcel Günther das Fanzine Harzsturm heraus, das sich als offizielles Organ des Jugendbund e.V präsentierte. Laut Insider-Informationen soll Günther auch Teil des Blood & Honour Netzwerkes gewesen sein. Eine neonazistische CD, welche einem Teil der Zeitschrift "Blood & Honour" Nr. 9 beilag, soll von ihm in Auftrag gegeben worden sein. Im Zuge des Blood & Honour Verbotes Mitte September 2000 wurden auch sein Laden und seine Wohnung von der Polizei durchsucht.

Auf der letzten Seite des Harzsturm wurden zumeist Anzeigen des Tattoo-Studios »Digger« aus Halberstadt veröffentlicht. Dieses Studio, das überwiegend von Neonazis frequentiert wird, besitzt inzwischen mehrere Filialen. Der Kontakt zur Szene ist eng und scheint sich auszuzahlen. Vielleicht fühlte sich Günther dadurch motiviert - jedenfalls eröffnete er am 25. März 2000 in Wernigerode zusammen mit einem Compagnon seinen eigenen Laden »Head-Check«. Bei der Eröffnung mit dabei war auch die bekannte Neonazi-Band »No Alibi« aus den USA, die wohl zwecks Auftritt in der Nähe in der Stadt war. Günther bastelt im übrigen auch an einer eigenen Karriere als Neonazi-Musiker; seit 1994 ist er Gitarrist der Wernigeröder Band S.E.K. (Skinhead Einsatzkommando) und verfügt über beste Kontakte in die rechte Musikszene. Das »Head-Check« hat nicht zuletzt durch die Person Günther eine ausgesprägte Anziehungskraft in der Region und fungiert immer wieder als Impulsgeber für die regionale rechte Jugendszene. Inzwischen bietet die Internetpräsenz des Ladens auch einen eigenen Online-Shop an.

Mecklenburg-Vorpommern: Eine logische Entwicklung

Anklam, seit zehn Jahren Hochburg extrem rechter und neonazistischer Skinheads im nordöstlichen Vorpommern, verfügt mittlerweile ebenfalls über einen eigenen Neonaziladen. Schräg gegenüber von der Marienkirche im Herzen der Stadt, leuchtet PassantInnen das gelbe Ladenschild des »New Dawn« entgegen. Unter den Jugendlichen wird der Laden einfach nur »Pitbull« genannt. Hier sind die einschlägigen Kleidungsmarken sowie Rechtsrock-CDs im Angebot. Ladenbetreiber Markus Thielke gilt als Mitglied des »Kameradschaftsbunds Anklam« (KBA). Dementsprechend halten sich in der Stadt hartnäckig Gerüchte, dass von hier aus des öfteren Flugblattverteilaktionen des KBA ausgingen. Inzwischen ist der Laden zwei Häuser weiter in neue, größere Räume gezogen. In einer Region, in der rund 30 Prozent aller Jugendlichen zwischen 16 und 25 Jahren über ein verfestigtes rechtes Weltbild verfügen, war die Eröffnung des »New Dawns« eine logische Entwicklung.

Schließlich fanden in der Nähe von Anklam im Dorf Klein Bünzow Mitte bis Ende der 1990er Jahre einige der größten und »härtesten« Blood & Honour-Konzerte jener Jahre statt. Aus der Kooperation zwischen der Berliner Blood & Honour Sektion und regionalen Neonazikadern bei der Organisierung der Konzerte entwickelte sich 1996 schließlich eine eigene Kameradschaft, der »Kameradschaftsbund Anklam«. Nachdem das Geschäft mit den Konzerten in Klein Bünzow 1998 ein Ende fand, wurde nach neuen Einnahmequellen und nach einer Absicherung für die Aktivisten gesucht.13 Die Eröffnung eines Ladengeschäfts, dessen Kundschaft aus der gesamten Region Uecker-Randow anreist, war abzusehen. Das »New Dawn« ist mittlerweile fester Bestandteil eines etablierten regionalen exztrem rechten Angebots. Ähnliches gilt auch für das »Boots and Braces« in der Bahnhofspassage von Stralsund. Dessen Betreiber Sven Faltermeyer war bis zum Verbot im Sommer 2000 Chef der Blood & Honour Sektion Pommern und verfügt über entsprechend gute bundesweite Kontakte.

Ein riesiger Markt: Brandenburg

Auch in Brandenburg existieren umfassende Strukturen, über die Bedarfsartikel für die Szene ihre Käufer auch in den abgelegensten Gegenden finden. Neben privaten Kontakten und zahlreichen Bestellmöglichkeiten über Internet- und Mailorderversände wie »Hatesounds« aus Werder bei Potsdam sind es vor allem Bekleidungsgeschäfte, über die sich die rechte Szene versorgt.14 Diese können mittlerweile in vielen Kleinstädten existieren, da ihr Angebot vordergründig auf den kulturellen Mainstream zielt und mit dem Bedarf der rechten Jugend mindestens kompatibel ist. Je nachdem wie eng die Betreibenden dieser Läden an die organisierte Szene gebunden sind, erweitert sich das Sortiment politisch eindeutig. Dabei handelt es sich meist um Zugehörigkeits- und Identifikationssymbole sowie szeneeigene Bekleidungsmarken, oft auch um Tonträger und Fanzines, seltener um politisches Propagandamaterial. Neben dem bereits erwähnten »Nordic Thunder« in Teltow gibt es beispielsweise in Belzig den Laden »Champ« und in Groß Kreutz den »US-Shop« von Andreas May, der im Sommer 2001 an seinem Marktstand in Wittstock auch indizierte Neonazi-CDs unter der Hand verkaufte.

May hatte zuvor in Brandenburg a.d.H. das »Greenland« betrieben, das er allerdings nach einer Kampagne von AntifaschistInnen und nachfolgenden behördlichen Ermittlungen schliessen musste. Auch in der Landeshauptstadt Potsdam erhalten KäuferInnen im Stadtteil Babelsberg im »Union Jack« von Danny Prange unterm Ladentisch fast das komplette Sortiment des aktuellen Katalogs des Neonaziversands »Hatesounds«. Ladenbetreiber Prange hat in der Szene einen einschlägigen Ruf: Er war unter anderem 1994 an einem brutalem Überfall auf ein alternatives Kulturzentrum in Potsdam beteiligt und galt als Stützpunktleiter der NF-Nachfolgeorganisation Direkte Aktion Mitteldeutschland/JF in Beelitz/Michendorf.15 1998 gehörte Prange zu den Kunden des mittlerweile eingegangenen Nibelungen-Versandes von Jens Hessler in Lingen und bestellte dort indizierte Neonazi-CDs. Damals wickelte er seine Geschäfte noch von seinem Privatgrundstück in Wilhelmshorst ab. Seitdem AntifaschistInnen im Winter 2001 eine Kampagne gegen das »Union Jack« begonnen haben, wehrt sich Prange massiv - und angesichts seines Laden-Sortiments wenig überzeugend - gegen das Label »Neonazi«. Offensichtlich fürchtet er um seinen »breit gefächerten Kundenstamm, von hools, Punks, Oi-Skins, Techno- und Otto- Normalverbraucher die sich mit Schuhen, Hosen, Sweats und Jacken (...) Einkleiden.«16

Schwarze Sonne über Sachsen

In dem Bundesland mit der zahlenmässig grössten und stylemässig ausdifferenziertesten rechten Jugendszene existiert seit vielen Jahren ein entsprechend breit gefächertes Angebot von Läden, denen oftmals eigene Vertriebe angeschlossen sind. Nachfolgend dargestellt werden daher nur einige ausgewählte Beispiele, die die Spannbreite deutlich machen. Seit nunmehr zwei Jahren existiert beispielsweise in Chemnitz der Laden »Backstreetnoise«. Alleiniger Verantwortlicher dieses offiziell als Großhandel für Tonträger, Bekleidung und Fanartikel laufenden Ladens ist Hendrik »Laschi« Lasch. Der Neonazi engagierte sich in der Vergangenheit in der Gruppe Chemnitz Concert 88, die Mitte der 90er Jahre in Sachsen zahlreiche Neonazikonzerte organisierte.17 Gegen einen seiner damaligen Kompagnons, Jan Werner, wird derzeit wegen des Vertriebs von CDs der Bands Landser ermittelt.18

Auch Lasch bestellte zeitweise mit Vorliebe indizierte Neonazimusik, beispielsweise die Produktionen der in den 1990er Jahren führenden Berliner Neonaziband »Macht und Ehre«. Die erste CD »Neue Zukunft« von deren Nachfolgeprojekt »Schwarzer Orden« produzierte er dann gleich selbst mit dem Musiklabel »PC Records«, das auch zum »Backstreetnoise« gehört. Vom sächsischen Neonazi-Fanzine »Foier Frei« kommt der Betreiber des »Sonnentanz«-Ladens in Aue.19 Das dort ansässige Bekleidungsgeschäft gehört Michael Probst, der bereits 1992 für das indizierte Fanzine »Sachsen Glanz« verantwortlich zeichnete.20 Parallel dazu war Probst Texter und Sänger der Band »Kroizfoier« und wurde deswegen im Sommer 1993 zu 18 Monaten auf Bewährung verurteilt.21 Im Internet bewirbt der an den Laden angeschlossene »Sonnentanz«-Versand seine Partner und Unterstützer, darunter auch weitere Läden wie das »Outlaw« in Altenburg22 , »Checkpoint« in Borna sowie das »Tattoo-Maniac« in Altenburg.23 Zumindestens im Fall des Altenburger Outlaw Shops kaum verwunderlich, denn ab März 2001 lief das das Gewerbe für den OUTLAW Shop auf die Ravenstone GmbH von Michael Probst aus Limbach-Oberfrohna und Stephan Neumann aus Eichstädt. Auch in Ostsachsen kann sich die Szene nicht über mangelnde Angebote beklagen: Beliebter Anlaufpunkt ist dort beispielsweise ein Armyshop namens »Skinware« in Kamenz, der von Olaf Holbrock betrieben wird. Klickt man im Internet das Angebot des Ladens an, wird man auf den Blitz-Versand in Pulsnitz verwiesen.24

Auf dessen Homepage finden sich dann neben dem gängigen Neonazi-CD-Angebot auch Berichte von Ereignissen rings um den Versand, wie beispielsweise eine Razzia bei den Versandbetreibern Olaf Hobrack und Gunther Lotze am 17. Januar 2002, bei der die Polizei ein Geschäft und das Lager nach CDs der Bands Ultima Thule und Nordic Thunder durchsuchte. Auch Hobracks Partner beim »Blitz«, Gunther Lotze, ist seit einigen Jahren im braunen Geschäft: Er betrieb in den 1990er Jahren u.a. in Dresden den Military-Laden »Apache«, der ins Gerede kam, weil der Laden in der Vergangenheit öffentlich 1000 D-Mark Kopfgeld auf »Graffitizecken« aussetzte. Während die oben genannten Laden- und Versandbetreiber der NS-Szene zuzurechnen sind, existieren in Sachsen natürlich jede Menge Läden, bei denen rein finanzielle Interessen im Vordergrund stehen, wie beispielsweise beim »Rascal« in Chemnitz. Dessen Angebot ist dennoch eine wahre Fundgrube u.a. für die neonazistische Subkultur. Immer wieder finden sich in Neonazi-Kreisen Hinweise auf den Laden. Auch in der extrem rechten Darkwave-Szene, etwa im November 2001 bei einem Camerata Mediolanense-Konzert, wurde fleißig verkauft.25

Im Westen: Aus Angst scheinbar unpolitisch

Auch in Nordrhein-Westfalen lockt die unvermeidliche Mischung aus Musik und Klamotten das einschlägige Klientel. Im westfälischen Haßlinghausen ist seit 1997 der Ohrwurm Tonträgerversand aktiv. Schon in der Anfangszeit bestand das Angebot des von Marcel Ingignoli gegründeten Versandes aus CDs, T-Shirts mit rechten Motiven, Fahnen, Fanzines und der szenetypischen Bekleidung. Ab 1999 betätigte sich Ingignoli als Produzent von Rechts-Rock: Bei »Ohrwurm Records« erschienen seitdem über 30 CDs und LPs mit Bands wie »Endlöser« oder »Hauptkampflinie«. Auch internationale Neonazimusikgrößen wie Celtic Warrior aus England oder Pluton Svea aus Schweden veröffentlichten hier. Neben den hart rechten Bands produzierte das Label auch die Gelsenkirchner »Koma-Kolonne«, die textlich unpolitisch daherkommt und mit ihren Sauf- und Skinheadliedern auf die gesamte Skinhead-Szene zielen.

An breitere Kundenkreise richtet sich auch das von Inginoli im nahen Ennepetaler Stadtteil Milspe eröffnete Ladengeschäft »Ranger Streetwear & Piercing Studio«. Ein Zusammenhang zwischen dem Laden und dem Ohrwurm-Versand ist zunächst nicht ersichtlich, da im Laden keine offensichtlich rechten Waren angeboten werden. Hier findet man das komplette Bekleidungssortiment - Schuhe, Jacken und Sweatshirts - diverser Kultmarken der Skinheadszene und vor allem die von Ingignoli selbst produzierte Marke »Working Class Streetwear«. Wer jedoch bei »Ohrwurm Records« bestellt, soll seine Ware auch schon mal beim Ranger Streetwearshop abholen können. Offenbar wird hier versucht, aus Angst vor antifaschistischen Kampagnen und gesellschaftlicher Stigmatisierung die offen rechten Aktivitäten des Musikversandes und den Laden auseinanderzuhalten. Trotzdem gehören beide Geschäfte nicht nur strukturell zusammen, sondern ergänzen sich auch inhaltlich. Auch die nicht auf den ersten Blick als rechts zu verortende Bekleidung stärkt eine Szene, die mit rechten Inhalten assoziiert wird.

Ost wie West: Auch die NPD mischt mit

Seit August 1998 existiert im hessischen Ehringshausen (Lahn-Dill-Kreis) der Neonazi-Gemischtwarenladen »Zutts Patriotentreff«, betrieben vom NPD-Funktionärsehepaar Alfred und Doris Zutt. Letztere sitzt auch im Bundesvorstand der Neonazipartei. Mit der »nationalen Geschäftseröffung«, so die Deutsche Stimme, sah die NPD die Möglichkeit, die »regionale Marktlücke« für die große regionale Neonazi- und Skinheadszene zu füllen.26 Auch wenn das Ehepaar Zutt rund 20 Jahre älter als seine durchschnittlichen Kunden ist, gibt es keine Berührungsängste. Nach mittlerweile vier Jahren hat sich der Laden in Ehringshausen, wo die NPD seit der letzten Kommunalwahl im Sommer 2001 trotz eines Rückgangs der Wählerstimmen von 22 Prozent auf 8 Prozent immer noch im Stadtrat vertreten ist, längst zu einer regionalen Anlaufstelle für Rechte aller Couleur entwickelt. Das Haus der Zutts wurde auch schon als Treffpunkt vor Demonstrationen genutzt. Dass es den Rechten immer noch möglich ist, trotz Gegenwehr aus dem Ort, diesen Treffpunkt zu erhalten, ist auf den Zusammenhalt und das Selbstbewusstsein der örtlichen Szene zurückzuführen.

Im  November 1999 eröffnete das braune Ehepaar auch eine Filiale in der mecklenburgischen Kleinstadt Waren. Das Angebot in der »Schutzzone für Deutsche« ähnelt dem in Ehringshausen. Neben »Ku-Klux-Klan«-Kapuzenpullovern, »White Power« Aufklebern und Rechtsrock-CDs des NPD-eigenen Versands »Pühses Liste« findet sich hier auch rechte Literatur. Das Geschäft ist eindeutig auf Ideologieverbreitung und Parteiwerbung ausgerichtet - auf dem Ladentresen finden sich die neuesten Propagandapostillen der NPD. Ähnlich wie in Ehringshausen mischt sich Doris Zutt auch in Waren in die Kommunalpolitik ein. Mal mit Drohungen wie im Sommer 2000, nachdem angeblich zum fünften Mal hintereinander die Schaufenster des Patriotentreffs zu Bruch gegangen waren. In einem offenen Brief schrieb Zutt damals; »Bisher waren unsere Jugendlichen brav und anständig. Aber jetzt reicht es. Ich garantiere für gar nichts mehr.«27 Oder ein Jahr später mit einem Angebot an die Stadtverwaltung, das Ladengeschäft aufzukaufen, um in die Innenstadt umziehen zu können. Sollte sich die Stadt weigern, drohte Doris Zutt damit, in dem Haus in der Mozartstraße ein Schulungszentrum und die Kreis- und Landesgeschäftsstelle der NPD einzurichten.28

Ähnlich wie in Ehringshausen nehmen auch in Waren rechte Propagandadelikte und Gewalttaten zu. Begünstigt wird dies, weil die politischen Verantwortlichen in Waren sich immer noch weigern, das Problem offensiv zu benennen. So wurde die Gründung einer NPD-nahen Schülerinitiative an einer Warener Schule im Sommer 2001 schlichtweg ignoriert. Auch der Angriff auf einen Flüchtling aus Togo am 17. Januar 2002 durch einen 19jährigen Rechten, dessen Mitgliedschaft in der NPD vom örtlichen Kreisverband bestritten wird, stieß kaum auf Reaktionen.29   Auch der parteieigene »Deutsche Stimme-Verlag« profitiert seit geraumer Zeit von dem Geschäft mit dem Neonazi-Lifestyle. In den Räumlichkeiten des Deutschen Stimme-Verlags befindet sich seit dem Umzug der NPD-Propagandapostille in die sächsische Kleinstadt Riesa ein gleichnamiger Laden. In dem 132seitigen Vierfarbhochglanzkatalog, dessen Angebot im Laden verkauft wird, wird deutlich, dass bei der NPD Geldmacherei keine Grenzen kennt: Vom Parfüm »Nationalist – der herbe Duft vom grossen Reich« über Rechtsrock bis hin zur eindeutigen Neonazikleidungsmarke Consdaple wird mit allen Insignien neonazistischer Identität Geld verdient. Als WerbeträgerInnen posierten im aktuellen Katalog ein zehnköpfiges DS-Verlags-Team, darunter auch die NPD-Kader Holger Apfel und Jens Pühse.

Was tun?

Der Trend in der extremen Rechten hin zu eigenen Läden, Versänden und Geschäften aller Art hält bislang unvermindert an, nicht zuletzt angesichts der zunehmenden Bedeutung derartiger Kristallisationspunkte - insbesondere im Vorfeld staatlicher Verbotsmassnahmen - und der guten Verdienstmöglichkeiten. Wichtig für AntifaschistInnen erscheint vor allem, dass Kampagnen gegen derartige Läden auf sorgfältig recherchierten Informationen und Einschätzungen beruhen müssen und das Umfeld der Läden einbeziehen sollten - angefangen von NachbarInnen, Bürgerinitiativen im jeweiligen Stadtviertel bis hin zu Druck auf kommunale EntscheidungsträgerInnen. Dabei bedarf es oft eines langen Atems; insbesondere wenn auf den kurzfristigen Erfolg einer Ladenschließung die Neueröffnung im Nachbarort folgt.

  • 1AIB Nr. 41, November/Dezember 1997, S. 21, »Positive Lebensgestaltung«
  • 2Berliner Morgenpost 11.7.2000
  • 3Der »Eagle-Army Shop« ist auch mit einer eigenen Webseite im Internet vertreten. Als Anmelder der Domain »germania-style.de« tritt Dirk Knothe aus Pirna auf.
  • 4Berliner Morgenpost, T-Shirts mit Nazi-Symbolen beschlagnahmt, 8.7.1988
  • 5Die Tageszeitung (taz), Hausdurchsuchung in Fascholaden, 9.7.1988, Gewerberegister-Auskunft, Januar 2002
  • 6Fanzine »Clockwork Orange« Nr. 13, Mai 1989
  • 7Zeitung der Kampagne »Stopp Nazishops« des Antifaschistischen Aktionsbündnis III, Berlin, 2001
  • 8Broschüre »fight back«, Recherche-Kollektiv, Dezember 2001, Tagesspiegel 26.2.2000, und taz 7.10.2000
  • 9Vorwort der Halloween-Versandliste Januar 2001
  • 10Rückseite der Halloween-Versandliste Januar 2000
  • 11 a b Informationen der Antifa Aktion Potsdam (AAPO), Potsdam, 2002
  • 12Der Verein "Jugendbund Wernigerode e.V" wurde 1994 von Marcel Günther aus Wernigerode (1. Vorsitzender), Sven Schade aus Wernigerode (2. Vorsitzender) und Rene Bollmann (Benzingerode) gegründet.
  • 13... in der Mitte angekommen - rechtsextremismus und gesellschaftliche gegenaktivitäten in mecklenburg-vorpommern, »no-go-area mecklenburg-vorpommern«, S. 54, u. »das war ein gutes geschäft: rechts-rock in klein bünzow«, s. 52 - 63
  • 14Hatesounds gehört nur eineinhalb Jahre nach der Gründung zu den bundesweit führenden Neonazi-Versänden und wird von dem ehemaligen Blood & Honour Aktivisten Sven Schneider aus Borkwalde bei Potsdam betreut.
  • 15Junge Welt 21.7.95
  • 16»Union Jack Potsdam - Stellungnahme zum Vorwurf des Vertreibes von ‘Nazipropaganda’ von Danny Prange, Anfang Dezember 2001, Schreibfehler im Original.
  • 17Zum Umfeld dieser Gruppe zählte auch Ralf »Manole« Marschner (vgl.: Blood&Honour, Nr.3, 1997, S.7: Konzertbericht), der heute in Zwickau den Laden »The Last Resort« betreibt und Frontmann der Neonaziband Westsachsengesocks ist (Doitsche Offensive, Nr.7, o.J., S.10).
  • 18s. AIB Nr.54, 1/2002, »Neun Jahre Begleitmusik zu Mord und Totschlag«
  • 19Über das alte Postfach des »Foier Frei« vertreibt inzwischen das Neonazilabel »Endzeit-Klänge« neben selbst produzierter Musik auch eine eigene Klamottenkollektion.
  • 20BpjS-aktuell, Nr.4, 2001, S.40.
  • 21Kreuzfeuer, 1998: Zurück, um zu verletzen (Booklet). Probst verließ die Band im Zuge des Prozesses.
  • 22Als Betreiber des OUTLAW Shop in Altenburg galt von 1997 bis 2001 der Altenburger Neonazi Sven P. ("Otto"), der von Szene-Insidern den sächsischen Hammerskins zugeordnet wurde.
  • 23Der Anmelder der Homepage, Thomas Majewski, ist als Webmaster der Band Kreuzfeuer erreichbar.
  • 24Dieser Versand kann als Nachfolger des K.d.F. (Kult durch Feines)-Versand bezeichnet werden, der einige Jahre lang die Szene mit neonazistischen Klamotten belieferte.
  • 25Monitor Nr. 3, 2001
  • 26AIB Nr. 48/Juli-August 1999, »Naziladen unter Druck«, S. 35
  • 27Frankfurter Rundschau, 12. Oktober 2000, »Nette Leute im braunen Freiraum«
  • 28Offener Brief von Doris Zutt, August 2001
  • 29Nordkurier Online vom 17. Januar 2002