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Das Ende des Nibelungen Versandes

Einleitung

Ende September 1999 fand in Lingen (Emsland) ein Gerichtsprozess gegen den "Nibelungen Versand" statt. Der Versand  galt zeitweilig als der führende RechtsRock-Versand aus dem deutschen Blood & Honour Spektrum. Der Hauptangeklagte Jens Hessler (Lingen) präsentierte sich als gesprächsbereiter "Aussteiger" und kam mit einer Bewährungsstrafe davon. Auch die Angeklagten Nils Frithjof Jannig und Sven Faltermeier (Stralsund) kamen mit Geld- bzw. mit Bewährungsstrafen davon.

Jens Hessler vom "Nibelungen Versand" auf einer Neonazi-Demonstration.

Der Angeklagte Jens Hessler. galt Anfang der 1990er Jahre als ein Verantwortlicher für die Neonazi-Fanzines "Der Bunker" (zusammen mit Thomas Richter aus Halle) und "Grober Unfug". Er bewegte sich seit dem intensiv in Kreisen der RechtsRock-Szene. So geriet er 1996 zusammen mit Daniel "Gigi" Giese und Matthias „Matze“ Tönjes von der neonazistischen Metal-Band Saccara (Meppen) ins Visier der Polizei. Das Verfahren war allerdings eher untypisch: Sie sollen Lampenteile gestohlen haben, um sie aus dem Auto heraus auf Passanten zu werden.

Jens Hessler meldete Anfang 1996 seinen Nibelungen Versand beim Gewerbeamt in Lingen an. Zu seinem Mitarbeiter-Team zählten Sven Faltermeier und Nils Frithjof Jannig 1 aus dem Münsterland. Relativ ungeniert und massiv vertrieb der Nibelungen Versand (illegale) RechtsRock Musik, was diversen Sicherheitsbehörden nicht entgehen konnte. So wurde im Juni 1997 in einem Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaft Ulm gegen Torsten Moeske vom RechtsRock Label "Clockwork Records" ein Paket mit 200 Exemplaren der CD "Die Zillertaler Türkenjäger" beschlagnahmt, welches als Absender das Postfach von Jens Hessler in Lingen auswies.

Bei einer Wohnungsdurchsuchung bei Hessler im August 1997 wurden fast 300 Exemplare der CD "Herrenrasse" der Berliner Neonazi-Band "Macht und Ehre" gefunden. Zu deren Sänger Stephan Jones unterhielt Hessler persönliche Kontakte. Im November 1997 stellte die Polizei bei einer weiteren Durchsuchung bei Hessler und einem von ihm und seinem Mitarbeiter Sven Faltermeier benutzten Autos u.a. rund 70 Exemplare des Neonazi-CD-Samplers "Northeim Vol. 2", 70 weitere Exemplare der CD "Die Zillertaler Türkenjäger" und 242 weitere Exemplare der CD "Herrenrasse" sicher.

Doch offenbar lohnte sich der Handel mit RechtsRock so sehr, das der Vertrieb quasi unter den Augen der Sicherheitsbehörden weiterlief. Im November 1998 stießen die Ermittler in einer Garage von Sven Faltermeier in Stralsund auf 8.350 RechtsRock-CDs mit 92 verschiedenen Titeln. Als deutsche Geschäftspartner von Hessler wurden diverse RechtsRock-Protagonisten wie Thorsten Heise, Bernd Peruch (ehem. Blood & Honour), Torsten Lemmer und Andreas Zehnsdorf (Freier Tonträger Vertrieb/Funny Sounds and Vision GmbH aus Langenfeld) ermittelt. International arbeitete der "Nibelungen Versand" bzw. Jens Hessler mit Marcel Schilf (NS Records aus Dänemark), Adrian Preißinger (Agentur für Kommunikation aus Kronach und der Slowakai) und der italienischen Firma Phonocomp (Mailand) von Flavio Bonandrini und Angelo Ravarini zusammen.

Obwohl Hessler und seine Mitarbeiter von einer Telefonüberwachung ausgingen, wurden diverse dubiose Rechtsrock-Bestellungen mitgeschnitten. Sobald Interesse an "illegalen" RechtsRock CDs aufkam, antworteten sie halb-konspirativ, umschreibend und ausweichend. Die Anrufer wurden aufgefordert, diese CD-Wünsche schriftlich zu äußern. Zum Kreis der Nibelungen-Versand Kunden zählten diverse bekannte Namen aus dem RechtsRock Geschäft. So Alexander Gast (Berlin/Joe Hawkins-Verlag), Hendrik Lasch (ehem. Blood & Honour Chemnitz), Marcel Ingignoli (Ohrwurm Records), Antje Probst, Danny Prange (Boot Boys Versand aus Wilhelmshorst) und Sven Liebich (ehem. Blood & Honour). Mit Bert Stötzer (Dresden) zählte auch ein "unpolitischer" Waffen-Händler zu den Abnehmern von RechtsRock. Er warnte im November 1998 den Nibelungen Versand, dass ein bestelltes Paket aus Stralsund "abgefangen" werden soll. Woher er diese Information hatte, war den überraschten Ermittler nicht bekannt. Sie mußten ihre Durchsuchungen gegen den Nibelungen Versand wegen Stötzer Warnung früher als geplant durchführen. 

Da offenbar ein großer Absatz-Markt mit enormen Umsätzen für RechtsRock besteht, wird der Handel durch dieses milde Urteil nicht gebremst werden. Lediglich die Marktaufteilung innerhalb des RechtsRock Milieus musste neu geklärt werden.

  • 1Er war Anfang 1993 Kreisbeauftragter der DVU in Coesfeld.