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»Thor Steinar«: Konfliktpotential als gerichtsbekannte Tatsache

Einleitung

Die juristischen Auseinandersetzungen um die Ladengeschäfte des in der rechten Szene beliebten Modelabels »Thor Steinar« haben Präzedenzcharakter. In Berlin wurde im Oktober 2012 der Räumungsklage gegen einen »Thor Steinar«-Laden im Stadtteil Friedrichshain von der Zivilkammer des Landgerichts stattgegeben, weil der Laden sich von »Tromsø« (norwegische Stadt) in »Thor Steinar« umbenannt hatte. Die »Verwendung von skandinavischen Orts- und Vornamen« war dem Mieter, der Skytec Outlet GmbH (Sitz in Mittenwalde), in einem gerichtlichen Vergleich mit dem Friedrichshainer Vermieter vor dem Berliner Kammergericht (12 U 5/11) im September 2011 untersagt worden.

Foto: Andreas Potzlow

Vorangegangen war eine erste Räumungsklage im Dezember 2010 wegen »arglistiger Täuschung«. Nach Ansicht des Bundesgerichtshofs vom August 2010 (XII ZR 192/08 und XII ZR 123/09) obliegt dem Mieter vor Abschluss des Mietvertrages eine Aufklärungspflicht gegenüber dem Vermieter darüber, dass die von ihm zum Verkauf angebotene Kleidung mit der extrem rechten Szene in Verbindung gebracht wird. Dabei ist es unerheblich ob die Marke tatsächlich Teil der Szene ist oder einfach nur dahingehend Konfliktpotential birgt. Verletzt der Mieter diese Aufklärungspflicht, kann der Vermieter den Mietvertrag anfechten.

Im Falle des Friedrichshainer Ladens war die »arglistige Täuschung« strittig, weil der Verkauf von »Thor Steinar« explizit im Mietvertrag genannt wurde. Das Landgericht gab der Räumungsklage damals aber dennoch statt (32 O 680/09), weil der Umfang des Konflikts um »Thor Steinar« dem Vermieter nicht bewusst war. Vor dem Kammergericht kam es dann zum obenstehenden Vergleich der u.a. beinhaltete, dass der 2009 eröffnete Laden bis Januar 2015 in Friedrichshain bleiben dürfe. Der Vermieter brachte damals außerdem vor, dass sich sogar der norwegische Botschafter wegen der Verwendung von Staatswappen und Städtenamen bei der Bundesregierung beschwert hätte und es dem Vermieter nicht zumutbar sei, neben den andauernden Beschädigungen am Haus durch Dritte, auch noch in diplomatische Verwicklungen gezogen zu werden. Der Rechtsanwalt von Skytec, Roman Petereins (Königs- Wusterhausen bei Berlin) bot in der Güteverhandlung 2011 eine Umbenennung in »Braunau« (Geburtsstadt von Adolf Hitler) an. Der Vermieter entgegnete damals, dass er sich gegen alle Namen wehren werde, die geeignet sind, die Öffentlichkeit zu provozieren.

Das Landgericht sieht nun in der Verwendung des Namens »Thor Steinar« oder auch in der Verkürzung »Steinar« als großes Ladenschild eine solche Provokation, die durch den Vergleich von 2011 vermieden werden sollte. Dabei ist es unerheblich, dass »Thor Steinar« eine eingetragene Marke ist – sie provoziert öffentliche Reaktionen, die »angesichts der Erfahrung mit dem Nationalsozialismus in der deutschen Geschichte couragierte und heftige Gegenwehr« hervorrufe. Obwohl Skytec dafür nicht die Verantwortung trage, ist es dennoch Tatsache und müsse auch in der Rechtsprechung berücksichtigt werden.

Der Bruch der Vereinbarung durch Skytec in Sachen Namenswahl ist nicht nur Auslegungssache, sondern auch im Sinne der allgemeinen Rücksichtsnahmepflichten der Vertragspartner (§§ 241 II, 242 BGB) geboten. Anstatt einen neutralen Namen zu montieren, soll er zahlreiche Sachbeschädigungen am Gebäude provoziert haben – die auch 2012 durch die »Konflikt beladene Situation« von Dritten verübt wurden.

Skytec hat gegen die Entscheidung des Landgerichts Berufung eingelegt. Denn nach der Demontage des Schildes »Thor Steinar« im Dezember 2012 kam es trotzdem zu Farbattacken – der Name allein könne also nicht ursächlich für die Beschädigungen sein. Nun muss wieder das Kammergericht ran: Für Herbst 2013 wird mit einer Verhandlung gerechnet. Derweil geht der Protest gegen den Friedrichshainer Laden ins fünfte Jahr. Egal wie es ausgeht, kann konstatiert werden, dass die Hartnäckigkeit antifaschistischer Proteste als gerichtsbekannte Tatsachen interessante juristische Möglichkeiten eröffnet.

Die Brandenburger Marke Thor Steinar wird von den Firmen Mediatex, Skytec Outlets und Protex hergestellt und vertrieben und hat laut Mitteilung des »Blick Nach Rechts« einen Jahresumsatz von knapp 8,2 Mio Euro (2010), der u.a. durch 12 Ladengeschäfte erwirtschaftet wird. Der Wechsel der Geschäftsführer der Stammfirma Mediatex 2008 (Mohammed M. Aweidah aus Dubai) und 2010 (Marco Wäspe aus der Schweiz) sowie die Wechsel der Gesellschafter 2009 (Zarooni, Dubai) und 2010 (Fashion Brands Trading-AG, Schweiz) haben wenig an der Ausrichtung der Marke geändert. Die Markenrechte liegen übrigens immer noch beim  »Thor Steinar«-Gründer Axel Kopelke, der schon 2007 in die Schweiz ausgewandert sein soll.