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Wer mit dem Wolf – Vom Versuch in die Mitte zu wirken

Aktion Noteingang (Gastbeitrag)

Die Aktion Noteingang sorgte 1998/99 im Land Brandenburg für Furore. Sie wandte sich an Besitzer öffentlicher Einrichtungen und Räume, die unter anderem Aufkleber mit der Aufschrift»Wir bieten Schutz und Information bei rassistischen und faschistischen Übergriffen« anbringen sollten. Wir haben uns vorgewagt in die Höhle des Wolfes. In seine Konsumtempel, Einkaufsmeilen und Rathäuser, haben uns den Mund fusselig gequatscht über die Wichtigkeit von Zivilcourage, die Bedeutung von geschützten öffentlichen Räumen für von rechter Gewalt Betroffene und die Grenzzuweisung für Nazipack. Und - hat es was genützt? Wir meinen - ja. Ein Jahr Präsenz in den Medien, unzählige Diskussionen, die Begriffe wie Faschismus und Rassismus wieder ein Stück weit öffentlich hörbar machten - auch in der »Mitte der Gesellschaft«. Unsere Aktion war – wenn auch dezent - wahrnehmbar in den Stadtbildern.

Die Erkenntnis, dass es ausser uns doch noch Menschen gibt, die sich ganz bewusst zum Antifaschismus bekennen, (sich nur allein öffentlich nicht so recht trauen...), macht Mut. Weitere positive Aspekte waren, dass eine Menge Gruppen ein Handlungsfeldausprobierten, in das zum einen viele und zum anderen Menschen mit unterschiedlichen Motiven einbezogen werden konnten, dass sich neue Gruppen, inspiriert durch den Handlungsansatz,bildeten, dass eine landesweite Vernetzung entstand und dass über eine antifaschistische Initiative ausführlich berichtet wurde. Die teilweise Akzeptanz der Tatsache, dass nicht verwirrte Einzeltäter, sondern sich zunehmend organisierende Nazis das Problem sind, ist jedenfalls zum Teil auch ein Ergebnis unserer Aktivitäten. Dass es einen Zusammenhang zwischen zunehmender Rechtsorientierung Jugendlicher und staatlicher Rechtslastigkeit gibt, wollen allerdings nur wenige erkennen. Betrachtet man die Brandenburger Perspektiven in Bezug auf emanzipatorisch Jugendarbeit, sieht es eher traurig aus, und sämtliche Aktivitäten der Intervention (z.B. das Landesprogramm »Tolerantes Brandenburg«) gewinnen einen Alibicharakter zur Ruhigstellung von»ewiggestrigen Mitteanhängern«.

Doch uns werden sie nicht täuschen! Wir haben viel gelernt. Unsere Aktion selbst war zeitlich begrenzt, die meisten beteiligten Gruppen haben aber bereits mitneuen Projekten angefangen, zum Beispiel in den Bereichen Opferbetreuung, öffentliche Aufklärung oder Flüchtlingsarbeit. Zusammenfassend glauben wir, dass es schon Sinn macht, im grauen Brei der Volksdeutschen rumzurühren, und ihnen immer wieder vor Augen zu halten, was für Mist sie machen, dass sie rassistisch sind und dieses noch nicht mal merken. Wenn das Ziel ist, dem Wolf die Zähne abzufeilen, bis er freiwillig Vegetarier wird, dann muss man »nur« die passende Feile finden. Und in diesem Sinne bleiben wir am Volk.