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Ukraine Krieg: „Großrussische Fantasien"

Lara Schultz
Einleitung

Die Maidan-Proteste 2013 und 2014, die Annexion der Krim und der Krieg im Donbas haben bereits zu unterschiedlichen Positionierungen der russischen extremen Rechten geführt. Die disparaten Einschätzungen setzen sich auch nach dem Angriffskrieg auf die Ukraine fort. Die meisten Neonazigruppierungen sind auf Regierungskurs, jedoch nicht alle. Nach drei Monaten lassen sich einige deutliche Tendenzen erkennen.

Foto: wikimedia; Youtube; CC-BY 3.0

Dmitri Nikolajewitsch Djomuschkin – russischer Neonazi und „Kriegsgegner“.

Gegen den russischen Angriffskrieg

Als einzige extrem rechte russische Organisation unterstützt die „Wotanjugend“ ukrainische Neonazis und Nationalisten. Seit der Gründung von Asow im Jahr 2014, damals noch als Bataillon, sympathisiert die „Wotanjugend“ nicht nur, sie hat auch eigene Kämpfer in das Bataillon geschickt. Auch jetzt ruft die „Wotanjugend“ auf Russisch dazu auf, sich der ukrainischen Seite anzuschließen, ohne jedoch Unterstützung hierfür anzubieten. Man müsse sich halt aus Russland über andere Staaten in die Ukraine durchschlagen. Wer kämpfen wolle, werde an der Grenze dann schon durchgewunken.

Unter denjenigen Neonazis, die den Krieg ablehnen, ist auch Dmitrij Djomuschkin, Gründer mehrerer extrem rechter Organisationen, von denen die meisten verboten wurden. Krieg sei ein Mittel der „Lebensraumgewinnung“, dies habe Russland jedoch nicht nötig. Djomuschkin galt lange Zeit als Unterstützer Putins, und das bereits seit seiner ersten Amtszeit im Jahr 2000. Im März 2014 hatte er noch einen Aufruf zur Unterstützung der „Wiedereingliederung der Krim“ unterzeichnet. Gleichzeitig begann er, Bedenken in Bezug auf die russische Politik zu hegen. So äußerte er, die Mär des Bandera-faschistischen Maidan glaubend, die russische Regierung habe große Angst davor, dass es auch in Moskau ähnliche Proteste geben könnte. Der Kreml befürchte, dass russische Nationalisten sich ein Beispiel an den ukrainischen nehmen und die Regierung stürzen könnten. Es drohe also in Russland eine Verfolgung von „Nationalisten“ durch staatliche Dienste.

Auch die nicht registrierte ultranationalistische und orthodox-traditionelle Partei "Großrussland" spricht sich gegen die „Spezialoperation“ aus, bleibt mit der Verwendung des Wortes aber im Duktus der offiziellen Sprachregelung. Das Volk als Souverän müsse die Macht kontrollieren, Rechenschaft von ihr verlangen und sie gegebenenfalls abwählen. Dieser Prozess werde auch die Bewertung der "Spezialoperation" betreffen. Die bisherige Bewertung durch "Großrussland" ist interessant für eine Partei, die sich dem Namen nach nach einem großrussischen Reich ohne die Ukraine sehnt. Ihre Kritik an der "Spezialoperation" bezieht sich dann auch auf die nicht zielführende Umsetzung. In Veröffentlichungen der Partei wird konstatiert, dass die „Spezialoperation“ vielmehr erst zur Schaffung einer ukrainischen Nation und eines ukrainischen Staates beigetragen habe, wenn es denn stimme, was die russischen Eliten glaubten, nämlich, dass es beides nicht gebe. Die ukrainische Sprache werde immer beliebter, die russische Sprache verschwinde aus der Ukraine, die ganze Welt stehe der Ukraine freundlich gegenüber, sie sei heute das beliebteste Land der Welt. Die westliche Unterstützung der Ukraine, auch durch Waffen aus den NATO-Mitgliedsstaaten, sorge außerdem für eine Modernisierung der Ukraine, während Russland künftig durch Reparationszahlungen geschwächt werde. Überhaupt NATO: Die „halbtote Organisation“ sei durch die russische Aggression wiederauferstanden und zur Aufnahme weiterer Staaten bereit. Fazit: Es werde also alles schlechter, da helfe es auch nicht, dass die Krim als beliebter Urlaubsort jetzt russisch sei.

Einer Erzählung vom „Volkstod“ durch die Eliten folgt die „Assoziation Nationaler Widerstand“ (ANS). So sei es auch Putins Ziel, möglichst viele Russen zu töten - während seiner Regierungszeit sei das „russische Volk“ um zehn Millionen Menschen dezimiert worden, einen solchen Verlust habe es bislang nur während des Zweiten Weltkriegs und unter den Kommunisten gegeben. Der Krieg mit der „brüderlichen Ukraine“ sei ebenfalls anti-russisch. Gewinner könne es hier nicht geben, „außer eine Handvoll Oligarchen und Putins Freunden“. Wirtschaftlich sei der Krieg ein zusätzlicher Schaden, wovon die Feinde Russlands profitierten. Russische Nationalisten könnten weder Putin noch seinen Krieg unterstützen, schließlich sei es kein „Krieg des russischen Volkes“, sondern allein der politischen Eliten Russlands.

Der nationalistische Russisch-Orthodoxe „Allrussische Bund“ (RONS) steht eigenen Angaben zufolge für ein Konzept des „Russentums“ und für die Orthodoxie, das gegenwärtige Putin-Regime lehnen sie ebenso wie die Verfasstheit als Russische Föderation ab. Den Krieg nennen sie Krieg, was jedoch nur diejenigen tun, die sich gegen den Krieg aussprechen.

Unterstützung unter Vorbehalt

Die Nationalbolschewisten lehnen zwar das Regime Putin ab, sind aber auf Kriegskurs. Wenn erst die Ukraine befreit sei, könne in Moskau mit der Regierung aufgeräumt werden. Als Interbrigaden kämpften Mitglieder von „Das andere Russland“ von E. W. Limonow, wie die nationalbolschewistische Partei heute offiziell heißt, 2014 und 2015 im Donbas als Teil der Miliz der sogenannten Lugansker Volksrepublik. Gemäß den Angaben des russischen nichtstaatlichen Analysezentrums Sowa sind die Interbrigaden auch aktuell wieder ins Kriegsgeschehen involviert, eigenen Angaben zufolge beschränkt sich die Tätigkeit in der Ostukraine auf humanitäre Hilfsaktionen.

Nur unter Vorbehalt unterstützt auch die „Russische Imperialbewegung“ (RID) die „Spezialoperation“. Es gelte, nicht für „die Russen“ zu kämpfen, schließlich seien Russen und Ukrainer ein gemeinsames, ein russisches Volk, sondern für die „Wiederherstellung des russischen Imperiums“. Die Argumentation ist ähnlich aus der deutschen Reichsbürgerszene bekannt: Das russische Volk habe derzeit keinen eigenen Nationalstaat - Russland sei in eine Reihe von Halbkolonien aufgeteilt, die von Marionetten des Westens regiert würden, während sie eigentlich einen „großen Austausch“ oder gar Völkermord des „russischen Volkes“ verfolgten. Die RID meldete am 24. März 2022, dass zehn Kämpfer der „Imperialen Legion“ „in das Einsatzgebiet eingezogen“ seien. Weitere Entsendungen seien nicht geplant, solange „die Situation an den Fronten“ nicht geklärt sei. Die Mobilisierung der gesamten „Imperialen Legion“ sei bislang nicht vorgesehen. Der paramilitärische Arm der RID soll über zwei Trainingslager verfügen, in denen ehemalige Offiziere des russischen Militärgeheimdienstes GRU gezielt extreme Rechte und Neonazis unterweisen und dabei im Nahkampftraining auch Tötungsmethoden unterrichten sollen. Zuvor hatten Mitglieder der extrem rechten Organisation seit 2014 im Donbas gekämpft. Die RID gilt in den USA und in Kanada als ausländische Terrororganisation.

Unterstützung und Beteiligung

Die „Internationale gesellschaftspolitische Bewegung Russisch-slawische Vereinigung und Wiederbelebung“ (RUSOV), die sich auf die Fahnen schreibt, die vorchristliche slawische Kultur als Grundlage der slawischen Zivilisation wiederbeleben zu wollen, meint damit die Wiederherstellung des historischen Großrusslands, in dem es keine eigenständige Ukraine gibt. RUSOV unterstützt offen die „Spezialoperation in der ehemaligen Ukraine“, gemäß ihren eigenen Angaben auch mit 30 freiwilligen Kämpfern, um die Ukraine „endgültig zu entkommunisieren", Russland „die historischen russischen Länder zurückzugeben und die dort lebende russische Bevölkerung von der westlichen sowie der ukrainisch-chasarischen Besatzung zu befreien“. Die Chasaren waren eine historische turksprachige Gruppe, die – eine wissenschaftlich nicht belegbare und eher zweifelhafte These – im osteuropäischen Judentum aufgegangen sein soll. Die Rede davon, dass die Ukraine westlich und ukrainisch-chasarisch besetzt sei, ist also auch eine antisemitische Chiffre.

In einem zwölfseitigen Pamphlet erklärt die „Bewegung Russischer Bund“, wie Russland durch den Westen bedroht sei. Die Aggression des Westens habe das Ziel, Russland mitsamt des russischen „Volkes“ zu zerstören, dies sei eine Politik des Völkermordes gegenüber Russland. Russland müsse seine Existenz ebenso wie im Ersten Weltkrieg und im Großen Vaterländischen Krieg, wie der deutsch-sowjetische Krieg innerhalb des Zweiten Weltkriegs auf Russisch bezeichnet wird, behaupten. Es folgen ausformulierte faschistische Vorstellungen der „Deformation des Russentums“, der „westlichen Dekadenz“, des „Niedergangs der russischen Zivilisation“. Davon bedroht sei insbesondere die russische „konservative Revolution“, die im Land zweifelsohne begonnen habe und die nun zerstört werden soll. Für den "Russischen Bund" bedeutet die „Wahrung der nationalen Souveränität“ Russlands eine „Rückgabe derjenigen ursprünglichen russischen Gebiete, die einst an die Ukrainische SSSR übertragen wurden“ an Russland. Putins Ausführungen vom 21. Februar 2022 zufolge, in denen er sein Geschichtsbild offenbarte, nach dem die Ukraine kein Existenzrecht hat, sind diese Gebiete nicht nur die Krim, sondern auch die Westukraine von Ushgorod bis nach Riwne, Ternopil und Tscherniwzi ebenso wie die Ostukraine von Charkiw bis Odessa. Diplomatische Lösungen schließt die Bewegung aus: „Je härter der Kampf, in den wir uns eingelassen haben, desto bedingungsloser wird unser Sieg sein.“ Die Devise „Gott mit uns“, mit der der Text endet, wurde nie von Soldaten des russischen Imperiums verwendet und kann in diesem Kontext allein als Anlehnung an die deutsche Wehrmacht verstanden werden.

Um Spenden für russische Soldaten, die heute für den „Großen Sieg“ kämpfen, bittet die Partei „Rechtes Russland“. Der Große Sieg bezeichnete bislang den Sieg der Roten Armee über den Nationalsozialismus. Heute würden russische Soldaten, Freiwillige wie Vertragssoldaten, für Russland an der Front sterben, um die russische Welt und jeden einzelnen Russen zu verteidigen – für die „Freiheit des russischen Volkes vom ausländischen und ideologischen Diktat der fremden und schädlichen Interessen“, für eine „ideologische und kulturelle Hegemonie“. Heute kämpfe Russland für seine Einheit, für den Aufbau eines neuen russischen Imperiums, für ein Großrussland beruhend auf „Tradition und Gerechtigkeit“, für den „Erhalt der traditionellen Familie als Stützpfeiler der Gesellschaft“. Parteimitglieder sollen Eigenangaben zufolge in Afghanistan, Tschetschenien, Syrien, Transnistrien und im Donbas gekämpft haben. Über eine Beteiligung am derzeitigen Angriffskrieg macht die Partei keine Angaben, dafür aber über die Organisation von „humanitärer Hilfe für die Kinder im Donbas“.

Der klerikalfaschistische Kampftrupp „Sorok Sorokow“ („vierzig mal vierzig“ nach den legendären 1.600 orthodoxen Kirchen in Moskau, die es aber nie gab), dem unter anderem Profiboxer, MMA- Kämpfer und Gewichtheber angehören, wurde 2013 mit dem Segen des Patriarchen von Moskau gegründet, um beispielsweise Ordnerdienste bei kirchlichen Großveranstaltungen zu leisten. Mit Kriegsbeginn haben sie in den sozialen Medien ihre Schreibweise von „Sorok Sorokow“ zu „Zorok Zorokow“ geändert. Das lateinische Z, mit dem die ersten russischen Panzer markiert waren, die in die Ukraine einrollten, ist zum Symbol der Unterstützung der Zerstörung der Ukraine und der Unterstützung Russlands im Krieg geworden. Anfang Mai 2022 postete „Sorok Sorokow“ ein Video über einen Asow-Überläufer. Viele „Ukro-Banderianer“, so untertitelten sie den Clip, würden beginnen zu erkennen, in welche „Verbrechen gegen die Menschlichkeit“ sie hineingezogen würden. Dieser Soldat habe sich den „russischen Befreiern“ ergeben. Durch die NATO-Ausbilder sei er „in ein Tier verwandelt“ worden und zu „abscheulichen Taktiken“ angeleitet worden, nämlich „alte Menschen, Frauen und Kinder als Geiseln zu nehmen und sie als menschliche Schutzschilde zu verwenden, wohl wissend, dass russische Soldaten nicht auf Zivilisten schießen“. Das war einen Monat nach dem Massaker von Butscha, wobei die russische Regierung hier eine Beteiligung russischer Soldaten bestreitet. Ein Alexander Makarow widmete „Sorok Sorokow“ ein Gedicht, das diese in den sozialen Medien teilten: „Wir sind keine Tiere / Wir erschießen keine Frauen und Kinder / Denkt daran, faschistische Mörderbande / Ihr seid mehr tot als die Getöteten / Es bedarf keiner Hellseher und Propheten, um zu wissen / Wir werden gewinnen, weil wir nicht sind wie ihr.

Die doppelte „Russische Nationale Einheit“ (RNE)

Am 21. Februar 2022, dem Tag, an dem der russische Präsident Wladimir Putin in einer Fernsehansprache die Anerkennung der sogenannten Volksrepubliken Donezk und Lugansk verkündet hatte, reagierte Alexander Barkaschow sofort. „Das hätte bereits vor acht Jahren geschehen müssen,“ postete er im russischen Facebook- Äquivalent „vkontakte“, „aber besser spät als nie.“ Barkaschow hatte die „Russische Nationale Einheit“ 1990 gegründet und 2014/15 im Donbas gekämpft, wie die ukrainische Menschenrechts-NGO „Kharkiv Human Rights Protection Group“ schreibt. Die RNE befürwortet in den sozialen Netzwerken den „militärische Spezialoperation“ genannten russischen Angriffskrieg auf die Ukraine und hat die Bereitschaft signalisiert, freiwillige Kämpfer in die Ukraine zu schicken. Ob dies geschehen ist, ist derzeit nicht bekannt. Im Juni 2014, als die Kämpfe im Donbas bereits drei Monate andauerten, hatte Barkaschow die Kampfbereitschaft der RNE mit einem Bild unterstrichen: Marschierende martialisch vermummte russische Soldaten sind auf dem Bild zu sehen, rote Sprenkel sollen dabei wohl für Mordlust stehen. Mit der Zeile „Wir kommen auch nach Kyjiw und Lwiw“ und dem Logo der RNE wurde das Bild in den sozialen Medien verbreitet. Am 24. Februar 2022, dem Tag des Kriegsbeginns, postete Baraschkow das Bild noch einmal. Als Kommentar schrieb er dazu: „Wir haben es versprochen, aber die Scheiß-Ukrainer wollten es nicht glauben.“Am 15. März 2022 postete die RNE – Regionalorganisation Rostow, dass sie die russische Armee bei der "Spezialoperation" in der Ukraine unterstütze. Die „patriotische“ RNE habe eine Mini-Fotoausstellung organisiert, die den „bisherigen Kriegen des Westens gegen die slawischen Völker“ gewidmet sei. Hier lasse sich auch die „Aggression der NATO-Staaten“ im Donbas 2014 und bei der Bombardierung Jugoslawiens 1999 sehen. Ziel der Aktion sei es, „negativ Bezug zu nehmen zum Genozid an der russischsprachigen Bevölkerung der Ukraine, der über Jahre vorbereitet wurde“. Mitglieder der Organisation würden außerdem derzeit militärische Schulungen durchlaufen, um jederzeit bereit zu sein, Freiwillige in die Ukraine zu schicken, um das „russische Volk“ zu verteidigen.

Fake!“ schrieb sofort eine zweite RNE – Regionalorganisation Rostow, die andere RNE – Regionalorganisation Rostow gebe sich nur als RNE aus. Stanislav Ivanov, der im Namen von RNE Rostow auftrete, sei FSB-Informant. Er gebe regelmäßig Pressestatements im Namen von RNE ab und sammle Geld zur Unterstützung von RNE, hierbei handle es sich aber um eine vom FSB absichtlich unter gleichem Namen gegründete Gruppe. Da auch Baraschkow die Warnung vor einer Fake-Gruppe teilte, scheint zumindest der Vorwurf einer nicht abgesprochenen Namensverwendung gerechtfertigt. Neonazis dürften es trotzdem sein.

"Gruppe Wagner"

Die "Gruppe Wagner" ist als einzige hier aufgeführte Organisation weder eine informelle Gruppe noch eine Partei, sondern ein privates Sicherheits- und Militärunternehmen (PMC für Private Military Company oder TschWK auf Russisch), das in Kriegs- oder Krisengebieten militärische Aufgaben erfüllt und wie es sie in vielen Ländern gibt. Das Beispiel „Asgaard German Security Group“ zeigt, dass diese Privatarmeen durchaus die extreme Rechte anziehen – das dürfte auch in Russland nicht anders sein, zumal der russische Neonazi Dmitri Utkin das Unternehmen gegründet haben soll. In Russland jedoch soll es in keinem Unternehmensregister einen entsprechenden Registereintrag geben, die TschWK Wagner soll in Argentinien registriert sein. Im November 2021 ging eine Rekrutierungsseite von Wagner online, die nur aus einer Hauptseite besteht und nur auf Englisch und Französisch abrufbar ist. Dass es sich tatsächlich um eine Wagner-Seite handeln könnte, hat France24 mit umfangreichen Recherchen belegt. Um Teil der „strongest PMC of the world“ zu werden, müssen lediglich Name, Telefonnummer, E-Mailadresse und eine kurze Selbstbeschreibung per Formular mitgeteilt werden, man werde dann „shortly“ kontaktiert werden. Aufgabe der Gruppe sei es, auch das ist der Homepage zu entnehmen, Terror zu stoppen und die friedliche Zivilbevölkerung vor Banditen und Terroristen zu beschützen. Man verfüge über „bis zu 50.000 insgesamt und bis zu 200.000 weitere“ in Reserve. Eine Bezeichnung dessen, wovon es 50.000 beziehungsweise 200.000 geben soll, fehlt, der Begriff  Söldner wird selbstverständlich nicht verwendet. Eingesetzt seien die 50.000 in globalen Operationen in Syrien, Venezuela und vor allem in Afrika von Algerien über den Kongo bis Botswana und Madagaskar. Ukraine? Fehlanzeige. Der tatsächliche Rekrutierungsvorgang ist ebenso undurchsichtig wie der Rest der Gruppe Wagner. Mehrere Medien lokalisierten den Hauptsitz in Molkino, einer kleinen Stadt im Süden Russlands. Zumindest einige Wagner-Rekruten sollen dort ausgebildet und dann eingesetzt worden sein.

Dass es ein russisches privates Militärunternehmen gibt, bestätigte der russische Außenminister Sergej Lavrov erstmals im September 2021 vor den Vereinten Nationen – ohne jedoch den Namen Wagner zu verwenden. Dieses Militärunternehmen operiere „auf legaler Grundlage“ in Mali, nachdem sich malische Behörden an das Unternehmen gewandt hatten - die russische Regierung habe damit jedoch nichts zu tun. Im Sommer 2019 hatte Putin auf einer Pressekonferenz die Anfrage eines BBC-Korrespondenten nach der Anwesenheit russischer Söldner in Syrien noch anders beantwortet: „Private Militärunternehmen gibt es in unserer Gesetzgebung nicht. Alle reden von einer gewissen PMC Wagner, aber Tatsache ist, dass wir eine solche Bestimmung in unserer Gesetzgebung nicht haben. Wie können Sie von dem Präsidenten erwarten, dass er etwas kommentiert, das es nicht gibt?

Wagner ist nicht in sozialen Medien aktiv und es gibt auch sonst keine öffentlichen Verlautbarungen des Unternehmens. Der Telegram-Kanal „Reverse Side of the Medal“ postet jedoch regelmäßig Texte und Bilder, die auf Wagner-Insiderwissen schließen lassen. Wenig erstaunlich, dass darunter Fotos von Kämpfern in der Ukraine sind.