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Mit Terrorgeldern heim ins Reich?

Björn Resener unter Mitarbeit von Andreas Förster (Gastbeitrag)
Einleitung

Der Ende letzten Jahres wegen Unterstützung des NSU festgenommene Ralf Wohlleben sitzt noch immer in Untersuchungshaft. Ihm wird vorgeworfen, die Waffe besorgt zu haben, mit der die RechtsterroristInnen mindestens zehn Menschen ermordeten. Möglicherweise war er auch als Kurier unterwegs: Im März 2009 soll er 20.000 Euro an Neonazis aus Südtirol übergeben haben.

Bild: attenzione-photo.com

Norman Bordin am 21. August 2004 beim Rudolf Heß Gedenkmarsch in Wunsiedel.

Woher das Geld stammt, ist noch nicht geklärt. Doch mit ihren Banküberfällen sollen Böhnhardt, Mundlos und Zschäpe zu diesem Zeitpunkt bereits eine halbe Million Euro geraubt haben. Es ist belegt, dass sie der rechten Szene einen Teil der Beute zur Verfügung stellten. Damit liegt der Verdacht nahe, dass auch die 20.000 Euro aus den Überfällen des Trios stammen.

Das Geld sei für »Kameraden« bestimmt gewesen, »die sich in Schwierigkeiten befinden«, heißt es in einem vertraulichen Brief des italienischen Inlandsgeheimdienstes AISI an das Bundesamt für Verfassungsschutz. Es wurde auf einem Treffen von deutschen Neonazis mit den »Skinheads Tirol – Sektion Meran« und dem »Südtiroler Kameradschaftsring« im Südtiroler Kaltern überreicht.

Mordsgaudi im KZ

Viele Mitglieder des »Südtiroler Kameradschaftsring« leben in dem kleinen Ort bei Bozen. In Italien machte die Gruppe im Oktober 2007 Schlagzeilen als »Holocaust-Touristen«, weil bei einer Hausdurchsuchung nicht nur Baseballschläger und Hakenkreuzfahnen, sondern auch Fotos gefunden wurden, auf denen die Neonazis unter anderem mit Hitlergruß in der Gedenkstätte des Konzentrationslagers Dachau posieren.

Die »Skinheads Tirol – Sektion Meran« wurden bei der Zusammenkunft in Kaltern durch Alexander und Patrick Ennemoser vertreten. Patrick, der jüngere der beiden Brüder, war damals ebenfalls bei der »Blood and Honour – Combat 18 Sektion Tirol« aktiv, berichtete der italienische Journalist Paolo Tessadri im Mai 2008 im L’Espresso. Dem Artikel zufolge hat sein älterer Bruder Alexander zu der in Österreich ansässigen Gruppe, die sich als bewaffneter Arm von »Blood and Honour« versteht, zumindest Kontakte unterhalten.

Aus dem direkten Umfeld des NSU soll am besagten Treffen mit den südtiroler Neonazis, abgesehen von Ralf Wohlleben, auch Thomas Gerlach teilgenommen haben. Im Brief des italienischen Geheimdienstes wird er als »Führer des Netzwerks Thüringer Heimatschutz – THS« bezeichnet. Also jener Neonazi-Organisation, der bis zu ihrem Untertauchen ebenfalls Uwe Böhnhardt, Uwe Mundlos und Beate Zschäpe angehörten.

Ferner werden die Thüringer NPD-Kader Frank Schwerdt und Patrick Paul vom italienischen Inlandsgeheimdienst als Teilnehmer des Treffens benannt. Auffällig ist, dass sie dort nicht als NPD-Mitglieder, sondern als »Führer« bzw. »Aktivist« des »Nationalen Widerstands Jena – NWJ« geführt werden. Denn auch bei dieser Kameradschaft handelt es sich um einen Zusammenschluss, in dem Böhnhardt, Mundlos und Zschäpe vor ihrer Flucht aktiv waren.

Desweiteren sollen die beiden baye­rischen Neonazis Michael Paulus und Uwe Meenen vor Ort gewesen sein. Der NPD-Kader Paulus muss sich dort als »Führer« des »Bund Frankenland« vor­gestellt haben, einer neonazistischen Vereinigung, die seit Jahren für die »Südtirol bleibt deutsch« Kampagne wirbt. Seit dem 29. Januar 1992 ist der »Bund Frankenland« als eingetragener Verein registriert. Uwe Meenen trat damals als Vorstandsmitglied in Erscheinung.

Der aus Würzburg stammende Meenen war zudem einige Jahre lang als stellvertretender Vorsitzender des bayerischen NPD-Landesverbands aktiv. Im April 2009 wurde er beim Bundesparteitag der NPD in den Vorstand gewählt und dort mit dem »Amt Politik« betraut. Von Februar 2010 bis zum Frühjahr 2012 war er darüber hinaus Landesvorsitzender der NPD in Berlin.

Überzeugungstäter in Lederhosen

Bei den Neonazis in Südtirol war er kein Unbekannter. Bereits 2008 kam es dort zu »einer Reihe rassistisch motivierter gewalttätiger Zwischenfälle«. In diesem Zusammenhang hätten die deutschen Neonazis Uwe Meenen und Norman Bordin mit den »Skinheads Tirol – Sektion Meran« über »die Möglichkeit der Durchführung fremdenfeindlicher ›exemplarischer Aktionen‹ diskutiert und eine detaillierte Karten­auswertung vorgenommen, um Geschäfte ausfindig zu machen, die von außereuropäischen Staatsangehörigen geführt wer­den«, berichtet der AISI dem Verfassungsschutz.

Doch die Pläne wurden »aufgrund präventiver Maßnahmen der Ermittlungskräfte« vereitelt, heißt es in dem Brief an den deutschen Geheimdienst. Tatsächlich nahm die italienische Polizei im April 2008 16 Neonazis aus Südtirol fest, unter ihnen auch Alexander und Patrick Ennemoser. Es liegt Nahe, dass die in Kaltern übergebenen 20.000 Euro zur Finanzierung ihrer Prozesskosten gedacht waren.

Abgesehen davon, dass der italienische Staat die »exemplarischen Aktionen« letztlich stoppte, sind die Parallelen zur rassistischen Mordserie des NSU kaum zu übersehen. Durch Patrick und Alexander Ennemoser besteht ein direkter Kontakt zu »Blood and Honour«, dem international agierenden Neonazi-Netzwerk, das mit seinen Diskussionen über den zu entfachenden »Rassenkrieg« auch die Anschläge des NSU inspirierte.

Vor allem mag auch die Möglichkeit zu denken geben, dass ausgerechnet Uwe Meenen und Norman Bordin die Anschlagsziele mit den südtiroler Neonazis diskutiert haben könnten. Immerhin lebte Meenen noch immer im Raum Nürnberg, als der NSU dort seine drei Morde verübte. Und Bordin wohnte in der Nähe von München, als dort zwei der mindestens zehn NSU-Morde verübt wurden.

Darüber hinaus war er Gründer der »Kameradschaft Süd«, die im Mai 2005 wegen eines geplanten Bombenattentats bei der Grundsteinlegung für das jüdische Kulturzentrum in München als terroristische Vereinigung eingestuft wurde. Nur konnte ihm damals vom Gericht kein Vorwurf gemacht werden, da er wäh­rend der Vorbereitung des Anschlags eine 15-monatige Haftstrafe wegen einer rassistisch motivierten Körperverletzung absaß.

Zur Zeit wird jedoch wieder gegen Bordin ermittelt: Im Januar 2012 trat er als Veranstalter einer Neonazi-Demonstration in München auf. Dort wurde zu Beginn des Aufmarsches, mit Bezug auf die rassistische Mordserie, die im NSU-Video verwendete Erkennungsmelodie aus »Der rosarote Panther« über die Lautsprecheranlage abgespielt. Das Staatsschutzdezernat der Münchner Kriminalpolizei sah darin eine strafrechtlich relevante Billigung von Straftaten.

Gönner der Gewalt

Dass es sich bei der deutschen Reisegruppe um Ralf Wohlleben tatsächlich um eine Unterstützungsstruktur des NSU im juristischen Sinne handelt, ist mit den hier dargestellten Zusammenhängen nicht bewiesen und hängt maßgeblich davon ab, ob die 20.000 Euro wirklich aus den Banküberfällen des Trios stammen. Fest steht jedoch, dass das NSU-Umfeld in der Lage war, beträchtliche Summen zu organisieren. Sicher ist auch, dass sie Teil eines, bis in die Führungsebene der NPD reichenden, grenzübergreifenden Netzwerks von Neonazis waren, in dem rassistische Gewalttaten goutiert und finanziell unterstützt wurden. Dabei war es offenbar zweitrangig, ob sich die Täter NSU oder »Combat 18« nannten.