Skip to main content

Mädelsache! Frauen in der Neonazi-Szene

In der stark männerdominierten Neonazi-Szene treten zunehmend häufiger auch Frauen selbstbewusst in den Vordergrund. »Es sind Frauen, die nicht bloß die »Freundin eines Kameraden« sein möchten, sondern auch auf der Straße, in Kommunen und Vereinen als Teil der »kämpfenden Front« anerkannt werden wollen«, schreiben die Autoren Andrea Röpke und Andreas Speit in ihrem aktuellen Buch »Mädelsache! Frauen in der Neonazi-Szene«, des genau diese Entwicklung untersuchten.

Die beiden beleuchten zentrale Akteurinnen in der Szene, die mittlerweile in allen Bereichen der organisierten extremen Rechten zu finden sind. Von dem »Ring Nationaler Frauen« (RNF) in der NPD, mit der die Partei auch für weibliche Symphatisantinnen attraktiver erscheinen soll, über völkische Zusammenschlüsse wie die »Gemeinschaft Deutscher Frauen« hin zu Frauen in »Freien Kräften« und »Autonomen Nationalisten« bei denen es ebenfalls immer mal wieder  zu Zusammenschlüssen von Frauen kommt, wie die »Mädelgruppe der Kameradschaft Tor« (Berlin) zeigte.

Allerdings kann daraus keine Abwendung von der antiquierten neonazistischen Geschlechterpolitik, derzufolge das biologische Geschlecht über Rolle und Position in der Gesellschaft entscheiden soll und Frauen in erster Linie zu Hausfrau und Mutter degradiert sind, abgelesen werden. Denn die Aktivistinnen tragen diese Politik mit: »Trotz ihrer steigenden Präsenz, ihres Fleißes und ihrer Unverzichtbarkeit stellen weibliche Kader keine eigenen Forderungen auf, sondern verinnerlichen politische Feindbilder wie Emanzipation, Feminismus und Gender Mainstreaming.«

Das zunehmende Engagement der Frauen verläuft in der Szene auch nicht spannungsfrei, vor allem wenn es um Posten geht: »Zwar wissen die männlichen Kader um die Wirkung ihre Mitstreiterinnen im politischen-öffentlichen Raum, doch in der partei- oder szeneinternen Hierarchie würdigen die Herren das Engagement der Frauen weniger.«

So sorgten die Anordnungen innerhalb der NPD Mecklenburg-Vorpommern, bei der zwei bei der Kommunalwahl 2009 gewählte Frauen, »auf ihr Mandat zugunsten eines – männlichen – Bewerbers zu verzichten« haben, für öffentliche Kritik an der »Männersekte« durch die RNF-Bundeschefin Gitta Schüßler. Das ging nicht nur den männlichen Kadern zu weit. Sie würde »persönliche feministische Ansichten« vertreten, urteilte die RNF-Pressesprecherin Stella Hähnel und sägte mit einem Misstrauensvotum Schüßler erfolgreich ab.

Diese interessanten Entwicklungen innerhalb der Szene finden sich in dem Werk der Autoren Röpke und Speit ausgiebig und detailreich beleuchtet und macht die Lektüre des Buches deswegen sehr empfehlenswert.

Andrea Röpke, Andreas Speit
Mädelsache! Frauen in der Neonazi-Szene
2011, Ch. Links Verlag, Berlin
ISBN: 978-3-86153-615-4, 16.90 EUR