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Geringer Erkenntnisgewinn

Einleitung

Wer gegenwärtig eine Publikation zur NPD auf den Buchmarkt bringt, kann sich des Interesses breiter Leserschichten gewiss sein. Doch nicht jedes Buch hält, was sein Titel verspricht, wie diese Magisterarbeit zeigt.

In der Einleitung lässt der Autor keinen Zweifel darüber aufkommen, dass er die von Backes/Jesse wesentlich entfaltete Extremismustheorie für den maßgeblichen wissenschaftlichen Zugang zum Themenkontext hält. Zwar wird die gängige sozialwissenschaftliche Literatur zum bundesdeutschen Rechtsextremismus referiert, doch die der Schule Backes/Jesse entlehnten vorgebrachten Einwände gegen die Forschungsansätze von Stöss/Niedermeyer et al bleiben blass. Eine Methodendiskussion um die Messskalen und die Bewertung rechtsextremer Einstellungspotentiale unterbleibt weitestgehend. Leider. Der Autor folgt der Referentin der Konrad Adenauer Stiftung Viola Neu in ihrer Auffassung, nur bei sieben Promille der Deutschen läge eine manifest rechtsextreme Einstellung vor. Hingegen werden von ihm Einstellungspotentiale wie Autoritarismus offenbar dem Konservatismus, und somit dem Bereich der verfassungskonformen Einstellungen zugeordnet. Darüber kann man trefflich streiten. Der Autor deutet diese Auseinandersetzung jedoch nur an.

Sodann wird die Geschichte der NPD skizziert, in deren Darstellung sich Brandstetter an den Standardwerken der vergangenen Jahrzehnte orientiert. Interessanter liest sich seine Bewertung der programmatischen Neuorientierung der Partei ab Mitte der neunziger Jahre. Brandstetter unterlässt es, das ideengeschichtliche Konglomerat zu beleuchten, aus dem sich die NPD für ihre politische Selbstinszenierung bedient. Den für den politischen Wiederaufstieg entscheidenden Schritt der Partei, sich dem jugendkulturellen Neonazismus der 1990er Jahre langfristig kulturell zu öffnen, um somit erfolgreich an der Schnittstelle zwischen Jugendkultur und Politik agieren zu können, erwähnt Brandstetter nur am Rande. Offenbar verstellt ihm das eher statische Analyseraster der Parteiensoziologie den Blick auf die sich in diesem Feld vollziehende Entwicklungsdynamik. Dennoch betont er an mehreren Stellen immerhin, rechtsextreme Einstellungen und Handlungsweisen seien als Phänomen nicht auf die Jugend beschränkt. Ebenfalls unterbelichtet bleiben die Versuche der Partei, sich im vorpolitischen Raum der Alltagskultur zu verankern. Mit Gewinn hingegen liest man jene Passagen des Buches, in denen der Autor aus seinen für diese Arbeit geführten Interviews mit dem NPD-Landtagsabgeordneten Gansel zitiert. Dessen gewohnt offenherzige Aussagen zur Politik und Strategie der NPD weiß Brandstetter mit seinen eigenen Einschätzungen zu kontrastieren. Dies sind die lesenswertesten Abschnitte des Bandes. Erstaunlich ist, dass der Verfasser offenbar meint, fast gänzlich auf Originalquellen aus dem Publikationsspektrum der NPD verzichten zu können. Stattdessen finden sich Internetportale wie Spiegel online und Blick nach rechts als Sekundärquellen inflationär zitiert. Das ist ärgerlich, da durch die parlamentarische Repräsentanz der NPD deren Eigenpublikationen in einer zuvor nicht gekannten Weise zugänglich sind.

Insgesamt ist die Studie nur von geringem Erkenntniswert. Der Autor trägt keine interessante Hypothese vor und hält seine Prognosen über die politische Zukunft im Vagen. Zu Recht merkt der Autor in seiner Einleitung an, es fehle an einer politikwissenschaftlichen Gesamtdarstellung der NPD zur Mitte des ersten Jahrzehnts des neuen Jahrhunderts. Dies kann und soll eine Magisterarbeit nicht leisten. Es erscheint jedoch mehr als fraglich, ob die vorliegende Studie auch nur Bausteine für eine wünschenswerte Gesamtdarstellung liefert. Als Einführung in den kaum noch zu überschauenden öffentlichen und wissenschaftlichen Diskurs über die NPD ist dieses Buch dennoch gut etwa für Studenten zu lesen. Den mit dem Thema näher befassten Leser muss dieses Buch gemessen an seinem im Titel formulierten Anspruch enttäuschen.

Brandstetter, Marc:
Die NPD im 21. Jahrhundert: Eine Analyse ihrer aktuellen Situation, ihrer Erfolgsbedingungen und Aussichten;
Tectum-Verlag, Marburg 2006, 200 S.
24,90 EUR