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Die Umtriebe des Karl-Heinz Hoffmann

Tomas Lecorte
Einleitung

Was, den gibt es immer noch? Die Älteren werden sich erinnern: Karl-Heinz Hoffmann war in den 1970er Jahren „Chef“ der Wehrsportgruppe Hoffmann, der größten rechten Wehrsportgruppe in der damaligen Bundesrepublik.

Foto: Screenshot YouTube/arte

 Die überwiegend aus jungen Neonazis bestehende Gruppe probte den Ernstfall rund um Nürnberg, bis sie Anfang 1980 vom Bundesinnenministerium verboten wurde. Nebenbei trat die WSG als Saalschutz bei Neonazi-Veranstaltungen auf, und Hoffmann versuchte sich als Führergestalt im rechten Lager, ohne dabei jedoch über seine angestammte Rolle als exzentrischer WSG-Chef hinaus zu kommen. Nach dem Verbot gründete Hoffmann in einem PLO-Lager im Libanon eine neue Kampfgruppe, die aber nach wenigen Monaten im Desaster, interner Folter und Mord endete. Hoffmann wurde 1981 verhaftet und umfangreich angeklagt, wobei ihm der schwerwiegendste Vorwurf nicht nachzuweisen war: Der antisemitische Mord an Shlomo Levin und Frieda Poeschke in Erlangen Ende 1980, begangen höchstwahrscheinlich von Hoffmanns WSG-Offizier Uwe Behrendt, der sich 1981 in Beirut erschoss. Ob Behrendt den Mord auf Hoffmanns Anweisung beging oder Gewaltfantasien seines Chefs selbstständig in die Tat umsetzte, blieb ungeklärt.

Über Hoffmann schwebt bis heute der Verdacht, er bzw. seine WSG sei in das Oktoberfest-Attentat in München am 26. September 1980 verwickelt gewesen.1 Der mutmaßliche Attentäter Gundolf Köhler hatte einige Jahre zuvor an WSG-Übungen teilgenommen, die Generalbundesanwaltschaft prüfte darum kurzzeitig eine Mittäterschaft Hoffmanns. Nachdem es dafür keine offenkundigen Hinweise gab, wurden die halbherzigen Ermittlungen bezüglich eines organisierten rechten Tathintergrunds eingestellt und die Tat Köhler als Einzeltäter zugeschrieben2 . Doch insbesondere in der linken Öffentlichkeit wird Hoffmann trotz fehlender Beweise bis heute als Drahtzieher des Anschlags bezeichnet, eine Beschuldigung, die ihm keine Ruhe lässt: Er sieht sich selbst als das größte Opfer des Oktoberfest-Attentats und hat umfangreiche Texte verfasst (später sogar einen Roman daraus gemacht), in denen er darzulegen versucht, wieso das Attentat eine gegen ihn persönlich, die WSG und die radikale deutsche Rechte insgesamt inszenierte Intrige gewesen sei, ausgeführt von „dunklen Mächten“, sprich: dem israelischen Geheimdienst.

Nach seiner Haftentlassung 1989 hatte Hoffmann sich aus dem politischen Betrieb der rechten Szene erst einmal zurückgezogen und war als Geschäftsmann tätig.3 Hoffmann beschloss etwa 2010, sich zum einen wieder öffentlich als Rechter politisch zu engagieren und zum anderen offensiv und publizistisch der Beschuldigung entgegenzutreten, er sei am Oktoberfest-Attentat beteiligt gewesen. Dass dies auch auf Resonanz trifft, zeigen seine wiederholten öffentlichen Auftritte bei Veranstaltungen der rechten Szene. Nach einem der ersten dieser Auftritte 2010 scherzten Neonazis am Telefon, er habe ihnen Sprengstoff gegeben, woraufhin die Polizei (die sie abhörte) schleunigst Razzien bei ihnen und bei Hoffmann durchführte - betroffen war auch André Kapke aus dem engsten Unterstützerkreis des NSU.4

Seine Versuche, beim Thema Oktoberfest-Attentat in die Debatte einzugreifen, werden von einigen Entwicklungen der letzten Jahre begünstigt: Die hartnäckige Aufklärungsarbeit einiger weniger, insbesondere des Journalisten Ulrich Chaussy und des Rechtsanwalts Werner Dietrich, hat dem Thema wieder verstärkt Medienaufmerksamkeit gebracht. Hinzu kommt die in den vergangenen Jahren gewachsene Offenheit der Medien für skandalisierbare staatliche Geheimpolitik und damit auch für die 1990 bekannt gewordene Gladio- bzw. Stay-Behind-Struktur des Westens im Kalten Krieg, die allerhand Ansatzpunkte für Verschwörungsvermutungen auch in Bezug auf ungeklärte Attentate bietet. Hier kommt ein dritter Aspekt dazu, nämlich eine Indifferenz vieler am Diskurs Beteiligter gegenüber politischen Standpunkten, die von rechten Publizisten in den letzten Jahren verstärkt ausgenutzt wird. Auch der Internet-Journalismus ist oft viel zu verliebt in die eigene Geste des „investigativen Journalismus“, um genauer zu hinterfragen, wer hier mit welcher politischen Motivation auf die Bühne tritt. Sein enormes Detailwissen und sein dominantes Redeverhalten nutzt Karl-Heinz Hoffmann, um sich öffentlich zu profilieren. Sei es, indem er lange Interviews — oder eher Monologe — gibt und im Internet platziert oder sei es bei einem „Streitgespräch zum Oktoberfestattentat“ bei der rechten Zeitschrift COMPACT. Hoffmanns Methode ist dabei, zwischen einer großen Menge überprüfbarer Fakten subtil seine eigenen Deutungen und gelegentlich auch gezielt konkrete Unwahrheiten einfließen zu lassen, die im gesamten Redeschwall aber nur schwer zu identifizieren sind.

Seine Erfolge im medialen Auftritt und die verbreiteten Zweifel an den bisherigen Theorien zum Oktoberfest-Attentat, die teils auch eine Entlastung der WSG und ihres „Chefs“ bedeuten, haben Hoffmann in jüngster Vergangenheit offenbar ermutigt, nicht nur sich selbst von dem alten Verdacht befreien zu können, sondern gleichzeitig seine eigene rechte Verschwörungstheorie weiter verbreiten zu können. Um diese Verschwörungstheorie zu stützen, hat Hoffmann Anfang 2014 Strafanzeige wegen Mittäterschaft gegen seinen ehemaligen Weggefährten Walter B. gestellt, der sich aus der rechten Szene zurückgezogen hatte.5 Dieser soll 1980 in Syrien einem Barkeeper gegenüber eine Beteiligung der WSG am Münchener Attentat behauptet haben. Hoffmann sah darin eine gegen ihn konstruierte Falle des deutschen Verfassungsschutzes, für den B. damals Zuträger war, ohne jedoch plausibel begründen zu können, worin diese bestanden haben soll. Die Strafanzeige ist daher als reine Publicity-Aktion zu werten.

Darüber hinaus versucht Hoffmann inzwischen, Resonanz in Kreisen zu finden, die ihm eigentlich zutiefst verhasst sind, nämlich bei „der Antifa“. Er hat verschiedentlich den Kontakt gesucht, um „über alle ideologischen Grenzen hinweg“ das Attentat von 1980 „gemeinsam“ aufzuklären. Welchen Beitrag der Aufklärung er dabei leisten könnte, bleibt allerdings offen, denn er reklamiert ja für sich, in keiner Weise mitverantwortlich zu sein. Vor solchen Kontakten ist zu warnen, da sie die Gefahr bergen, lediglich ein neues Kapitel rechter Querfrontgeschichten aufzuschlagen.

Hoffmann ist zwar tatsächlich insofern kein Neonazi, als er keine Wiedererrichtung des Nationalsozialismus anstrebt6 ; er wurzelt aber im prä-nazistischen Milieu der Freikorps und Faschisten. Hoffmann empfindet sich dabei als modern, gebärdet sich aber eigentlich wie ein deutschnationaler Intellektueller der 1920er Jahre. Er grenzte sich Ende der 1970er Jahre ideologisch ab von der Bewegung selbstbewusster Neonazis, und wenn er auch deren Mitglieder gerne in seiner WSG ausbildete, dürfte seine Missbilligung von politischer Nazi-Symbolik nicht allein juristisch-taktischen Gründen geschuldet gewesen sein. Er pflegt einen moderne Form des Antisemitismus, der die Feindseligkeit gegenüber Juden nicht mehr völkisch-rassistisch begründet, sondern aus Verschwörungsfantasien über „dunkle Mächte“ herleitet. Damit hat er sich in rechten Kreisen nicht nur Freunde gemacht, und seine Ambitionen auf eine größere Gefolgschaft blieben damals wie heute erfolglos. In der Neonazi-Szene wird er als origineller „alter Kamerad“ seinen Weg weitergehen. Ob er nun zuletzt vom Verdacht wegen des Oktoberfest-Attentats entlastet wird oder nicht — als Gesprächspartner für Linke ist Hoffmann uninteressant.