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Die HNG – »Eine Familie, ein Bollwerk, eine Gemeinschaft«

Einleitung

Die Hilfsorganisation für nationale politische Gefangene und deren Angehörige e.V., kurz HNG, ist eine strömungsübergreifende Organisation des militanten Neonazismus. Sie versucht inhaftierte Neonazis ideell und materiell zu unterstützen und diese somit bei der Stange zu halten. Sie ist der organisierte Ausdruck der imaginären Kameradschaft und Volksgemeinschaftsideologie.

Curt und Ursula Müller 1991 beim neonazistischen Rudolf-Heß-Marsch in Bayreuth.

»HNG – Eine Familie, ein Bollwerk eine Gemeinschaft.
Wenn Ihr opfert, opfern wir doppelt so viel.
Wenn Ihr leidet, kämpfen wir stärker als zuvor.
Wenn Ihr klagt, tragen wir eure Stimme nach draußen.
Wenn Ihr weint, werden die Tränen zum Sturm der uns antreibt.
Wenn Ihr Hilfe braucht, stehen wir an der Front um sie euch zu geben.
Wenn sie Euch richten, verurteilen wir im Namen Deutschlands!
Wir sind was wir waren und wir werden es bleiben!«

Das in der Juni-Ausgabe der »Nachrichten der HNG« veröffentlichte Gedicht fasst die angestrebten Aufgaben und die Eigenwahrnehmung der 1979 in Frankfurt gegründeten HNG zusammen. Auch wenn es sich hier natürlich um Propaganda handelt und nicht um eine realistische Darstellung der Organisation.

Eine Familie

Die HNG versucht für die Inhaftierten des Neonazismus eine Familie darzustellen, eine Gemeinschaft die sich um die Gefangenen kümmert. Regelmäßig wird in den monatlich erscheinenden Nachrichten der HNG dazu aufgerufen Kontakt zu den Inhaftierten aufzunehmen. Auch wird dazu aufgefordert die Kameraden mit Briefmarken oder z.B. mit Weihnachtspäckchen zu unterstützen. In jeder Ausgabe des Heftes werden in der Rubrik »Briefe an den Vorstand« Beispiele von den Briefkontakten dokumentiert. Im Allgemeinen beginnen die Briefe mit den Worten »Liebe Ursel« oder auch »Heil dir liebe Ursel«. Gemeint ist Ursula Müller, die heute 75jährige wurde 1991 zur Vorsitzenden gewählt. Seit dieser Zeit führt sie, mit Unterstützung ihres Mannes, ebenfalls Vorstandsmitglied, die HNG. Die Familie Müller ist ein gutes Beispiel warum sich die HNG als »Familie« bezeichnet.

Betrachtet man das Führungspersonal der HNG, so fällt auf, dass es sich dabei um eine Mischung aus Personen älteren und mittleren Alters handelt, diese sind fast ausnahmslos als langjährige Aktivisten des militanten Neonazismus bekannt. Sie sind weltanschaulich für die Szene über jeden Zweifel erhaben. Ihnen wird vertraut und durch die Dauer ihres Engagements sind sie in der Lage den Inhaftierten ein Gefühl emotionaler Nähe und familiärer Geborgenheit zu geben. Besondere Integrationspersonen sind dabei die Familie Müller, Personen wie Christian Worch oder Christian Malcoci. Aber auch die jüngeren Vorstandsmitglieder wie Sylivia Fischer, geb. Endres, oder Christian Wendt sind in der Szene seit Jahrzehnten bekannt.

Eine Gemeinschaft

Die HNG vermittelt der extrem rechten Szene das Gefühl von Kameradschaft und Gemeinschaft über den persönlichen Kreis hinweg. Sie erweckt den Anschein, als ob alle Kameraden einander helfen, für einander einstehen, eine Bewegung sind. Und dies fernab aller internen Streitigkeiten und Unterschiede. Die HNG schafft dabei zudem eine Brücke zwischen Alt und Jung, zwischen den Tätern des Nationalsozialismus und jenen die gerne in deren Fußstapfen treten wollen. Es besteht also die Möglichkeit sich mit zu Helden stilisierten NS-Tätern in eine imaginäre Kontinuität zu setzen.

»Eure Stimme«

Anspruch der HNG ist es den Gefangenen eine Stimme zu geben, über das angeblich erlittene Unrecht der Inhaftierten zu berichten und die Repression anzuprangern. Um diese nachzuweisen unterhält die HNG ein Archiv mit Prozessunterlagen und Zeitungsartikeln. Allerdings gehen von diesem derzeit keine größeren Aktivitäten aus. Es geht jedoch beim Sammeln von Unterlagen nicht nur um Propaganda, sondern auch darum anhand der Namen »die Verantwortlichen später einmal zur Rechenschaft ziehen zu können«.

Hilfe

»Die HNG verfolgt ausschließlich karikative Zwecke, in dem sie nationale politische Gefangene und deren Angehörige im Rahmen der ihr zur Verfügung stehenden Mittel unterstützt« heißt es im §2 unter »Zweck des Vereins« der Satzung der HNG. Tatsächlich halten HNG-Mitglieder Kontakt zu vielen Inhaftierten. Allein ca. 100 Inhaftierte will Ursel Müller betreuen. Diese Zahl ist jedoch mit Vorsicht zu genießen, da es sich um eine Eigenangabe handelt. Regelmäßig startet die HNG eigene Solidaritätsaktionen. Auch hier ist die tatsächliche Dimension der Hilfe nicht abzuschätzen. Vielleicht ist jedoch auch viel entscheidender als die tatsächliche Hilfe, dass die Inhaftierten das Gefühl haben, dass sich um sie gekümmert wird.

»Wir sind was wir waren«

Die Hilfeleistungen sollen ein Ausdruck gelebter  Kameradschaft  sein. Diese soll den Inhaftierten verdeutlichen, wo ihre »Familie« und ihr Rückhalt ist und sie so zum Verbleib in der Szene bewegen, bzw. das Hinterfragen der neonazistischen Ideologie in der Haftzeit verhindern. Die Kameraden sollen nach der Haft dort weitermachen, wo sie vorher aufgehört haben. Betrachtet man die Namen in der Gefangenenliste und jener die sich Briefkontakt wünschen, so finden sich dort internationale Größen der Holocaustleugnung neben Altnazis und militanten bzw. rechtsterroristischen Tätern.

Mehr Schein als sein?

Eine Mitgliedschaft in der HNG gehört  zum »guten Ton« für Aktivisten der neonazistischen Szene. Immerhin 550 Mitglieder hat die HNG laut dem Verfassungsschutz. Inwieweit die tatsächlich willens oder in der Lage sind, Hilfe für die »Kameraden in Haft« zu leisten ist oftmals nicht nachprüfbar. Ein Indiz, dass es sich bei der Mitgliedschaft in der HNG mehr um Prestige als um tatsächlich gelebte Kameradschaft handelt, ist die schwarze Liste der säumigen Zahler, die in regelmäßigen Abständen in den HNG-Nachrichten veröffentlicht wird.

Allein 76 säumige Mitglieder weist die »Schwarze Liste« im Juni 2008 auf. Darunter die Namen bekannter Funktionäre wie Thomas Gerlach, Katrin Grewe, Gordon Reinholz, Dirk Sokoll oder Oliver Schweigert. Zwar kommen jährlich zur Jahreshauptversammlung ca. 150–200 neonazistische Kader zusammen, dieses als Ausdruck der Stärke der HNG zu sehen ist aber problematisch. Es ist Ausdruck des hohen Ansehens der HNG, jedoch nicht Ausdruck des eigenen Engagements. Auch dass die NPD Kontakt zur HNG hält und  Daniela Wegener aus dem Kreis der Freien Kameradschaften beim NPD-Bundeskongress die Möglichkeit bekam, für die Arbeit der HNG zu werben, ist ein Zeichen für die Bedeutung der HNG als strömungsübergreifende Plattform der Neonazis.

Doch die eigentliche Bedeutung der HNG liegt in deren Existenz selbst, in dem Mythos von Kameradschaft und gegenseitigem Einstehen. Inhaftierten Neonazis reicht schon der Schein angeblicher Solidarität und Hilfe, um jene Phantasmen von Kameradschaft und Volksgemeinschaft aufrecht zu erhalten, für die sie ihre Taten begangen. Und für jene, die vor den Gefängnissen »drinnen und draußen – ein Kampf« brüllen, ist es ebenfalls die Teilhabe an der Gemeinschaft, die ihnen Stärke vermittelt. Von daher ist die Bedeutung der HNG unabhängig von Mitgliederzahl und tatsächlichen Aktivitäten nicht zu unterschätzen.