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Führende Neonazi-Kader starben bei Autounfall

Einleitung

In der Nacht vom 21. auf den 22. November 1997 fuhr die Führung der »Sauerländer Aktionfront« (SAF) zusammen mit dem Chef vom »Donner Versand« in den Tod.

Rene Roudriguez Teufer

Trauern im Gleichschritt: Rene Rodriguez-Teufer mit Kranz bei der Beerdigung von Andree Zimmermann in Winterberg.

"Ich kann den Schmerz nicht beschreiben, der meine Brust durchzieht«, trauerte Stefan B. alias "Braveheart" aus Norderstedt/Hamburg. Der Betreiber der Internetseiten der Neonazi-Kamerdschaft "Sauerländer Aktionsfront" (SAF) und des sogenannten "Nationalen Widerstands" hatte allen Grund: In der Nacht vom 21. auf den 22. November waren die beiden Führungskader der SAF Andree Zimmermann und Thomas Kubiak zusammen mit dem Betreiber des Neonazi-"Donner Versand", Harald Theodor Mehr, bei einem Autounfall tödlich verunglückt.

Der von Mehr gesteuerte Mercedes war auf dem Weg von Hamburg ins heimische Sauerland auf der Autobahn A1 in Höhe von Vechta mit einem Sattelschlepper kollidiert. Die ermittelnde Staatsanwaltschaft Oldenburg hatte sich dazu entschlossen, »aufkommenden Legendenbildungen über die Umstände des Todes« der drei Neonazis entgegenzutreten. Vor Abschluß der Ermittlungen präsentierte sie eine erste Stellungnahme, in der es heißt: »Der nach dem Ergebnis der rechtsmedizinischen Untersuchungen den Mercedes MK-L 4480 steuernde (...) Harald Mehr fuhr mit einer Geschwindigkeit von etwa 140 km/h ungebremst auf den (...) Sattelzug auf. Der Fahrer (...) und sein vermutlicher Beifahrer vorne rechts Andree Zimmermann verstarben an der Unfallstelle. Der weitere Beifahrer Thomas Kubiak verstarb im Krankenhaus.«

Bereits zwei Tage nach dem Unfall fing das "Nationale Infotelefon Rheinland" an, über die »wahren« Todesumstände zu spekulieren.

Die 1991 gegründete, von Zimmermann und Kubiak geführte SAF ist nun erst einmal ohne Führung. Und das nicht zum ersten Mal. Bereits 1992 verunglückte einer der Gründer der SAF, der Zögling von Alt-Nazi Otto Ernst Remer, Thomas Fink, bei einem Verkehrsunfall tödlich. Nach dessen Tod hatte Kubiak die Führung der SAF übernommen. Insbesondere die beiden SAFler Kubiak und Zimmermann haben zum Kreis der bundesweit tonangebenden Neonazis gehört. Auch der ehemalige NF-Anhänger Harald Theodor Mehr, Herausgeber der Neonazi-Postille "Widerstand", hatte in den letzten Jahren immer mehr an Einfluß gewonnen. Erst kürzlich hatten sich die SAF und der "Donner-Versand" auf ein gemeinsames Zeitschriftenprojekt mit dem Titel "Zentralorgan" verständigt. Ende 1997 sollte es als Fusion der Publikation "Freie Stimme" der SAF, des "Widerstand" und des von dem SAF-Mitglied Bernd Krick herausgegebenen Fanzines "Moonstomp" erscheinen. Dieses Projekt dürfte auch ein Grund für den Trip der drei Neonazis nach Hamburg gewesen sein. Darüber hinaus gab es sicherlich auch mit dem erst wenige Tage zuvor aus der Haft entlassenen Hamburger Neonazi-Führer Christian Worch und dessen rechter Hand Thomas Wulff einiges zu besprechen.

»Gedenken an die Kameraden in Walhalla«

Noch am Abend des tödlichen Unfalls gab es einen ersten Vorgeschmack auf die anstehenden Beerdigungen: Im sauerländischen Winterberg, dem Wohnort von Kubiak und Zimmermann, kam es zu einem Neonazi-Aufmarsch, den der Touristenort seit langem nicht gesehen hat. Rund 100 Neonazis zogen unter "Heil-Hitler"-Rufen und mit Flaggen bestückt durch den vernebelten Wintersportort. Lange Zeit konnten die aus weiten Teilen der BRD angereisten Neonazis ihre faschistischen Parolen in die Nacht brüllen. »Es ist wieder so weit«, war von verängstigten AnwohnerInnen zu hören. Erst nach längerer Zeit, der Aufmarsch war so gut wie beendet, schritt die Polizei ein.

Die Beerdigungen der nach dem Tod von »Nationalisten« bzw. »Nationalen Aktivisten« zu »Nationalsozialisten« erklärten Neonazis fanden am 27. November in Winterberg und Lüdenscheid statt.

An der Beerdigung des "Donner-Versand"-Chefs nahmen rund 40 Neonazis teil. Die Zahl wäre sicherlich höher gewesen, wenn es alle bis zum Friedhof geschafft hätten: Alleine in Hagen wurden rund 20 Neonazis an einem Sammelpunkt von der Polizei festgenommen. Weitere folgten in Lüdenscheid, unter anderem der »WJ-Barde« Frank Rennicke sowie Ursel Müller, Vorsitzende der "Hilfsorganisation für nationale politische Gefangene und deren Angehörige e.V. " (HNG), und ihr Mann der Neonazi-Funktionär Curt Müller aus Mainz.

Bis zur Beerdigung schafften es unter anderem der Anwalt von Mehr, Günter Herzogenrath-Amelung, der Macher der "Westdeutsche Volkszeitung", Rüdiger Kahsner (Hagen) und sein Unterstützer Timo Pradel (Iserlohn). Ebenfalls anwesend: Der ehemalige Leiter des NF-Schulungszentrums in Essen und heutige JN/NPD-Aktivist, Dietmar B. ("Kameradschaft Essen/Bochum"), sowie Sven Sch. aus Dortmund, der in letzter Zeit mit Dietmar B. im Doppelpack auftritt. Natürlich durfte auch der Geschäftspartner von Mehr, Stephan Haase (Lüdenscheid), nicht fehlen.

Viele Kader der Neonazi-Szene trafen in Winterberg aufeinander. An der Beerdigung von Kubiak nahmen rund 60, an der von Zimmermann rund 80 Neonazis teil. Neben Mitgliedern der SAF erwiesen eine Delegation aus den Niederlanden, verschiedene Kameradschaften, u. a. aus Düsseldorf, Duisburg, Hamburg und Berlin, den »gefallenen Kameraden« die »letzte Ehre«. Auch Abordnungen um die Neonazi-Kader Siegfried Borchardt (Dortmund), Thorsten de Vries (Hamburg), Markus Privenau (Bremen), Jens Hessler (Lingen) und Rene Rodriguez Teufer (Viernheim) waren vor Ort.

Mit Bernd Stehmann (Bielefeld), Hans Robert Klug (Bonn) und Sven Faltermeier (Stralsund) nahmen weitere führende Vertreter der Neonazi-Szene an der Trauerfeier für die verstorbenen Neonazi-Kader teil.

Thomas Wulff (Hamburg) ließ es sich nicht nehmen, beide »SA-Männer« am Grab zu preisen. Sie seien jetzt »an die Seite des Führers getreten«. Mit Sieg-Heil-Gebrüll und einer Grabbeilage in Form einer Reichskriegs- und einer Hakenkreuzflagge hatten die Trauernazis aus Sicht der Polizei den Bogen überspannt. Am Ende der Beerdigung wurden 52 Personen festgenommen.

Im Zusammenhang mit dem Verdacht auf Straftaten bei den "Trauerfeiern" für Kubiak, Zimmermann und Mehr wurde laut Berichten aus der Neonazi-Szene quasi ein Querschnitt der bekannten Neonazi-Aktivisten in der BRD festgesetzt.

Demnach sollen u.a. Rene Rodriguez Teufer, Kai Dalek (Marktrodach), Sven Sch. (Dortmund), Stefan B. (Hamburg/Norderstedt), Tobias Thiessen (Hamburg), Alexander Schloss, Dieter Riefling (Hildesheim), Markus Privenau, Christian Hehl (Ludwigshafen), Steffen Hupka (Detmold), Marko Gottschalk (Dortmund), Melanie Dittmer (Dorsten), Peter Stumpler (Dillingen/Saar), Uli Diehl (Heusweiler), Achim Ezer (Köln), Thorsten de Vries, Tanja B. (Algermissen), Casjen B. (Uelzen), Frank Amberg (Burscheid), Michael Thiel (Duisburg), Holger Stenzel, Daniela Wegener (Olsberg) und Michael Krick von der Polizei festgenommen worden sein.

Dreizehn Neonazis wurden dem Haftrichter vorgeführt und am folgenden Tag wieder auf freien Fuß gesetzt. Bis heute in Haft ist das SAF-Mitglied Michael Krick (Winterberg), dem vorgeworfen wird, gegen seine Bewährungsauflagen verstoßen zu haben.

Aufgrund der vielen Festnahmen führender Neonazi-Aktivisten und der zu erwartenden Prozesse hat sich «nach dein Vorbild linker Gruppen« ein "Ermittlungsausschuß" (EA) gegründet. Gründer und Koordinator ist der Neonazi-Führer Christian Worch aus Hamburg.

Der Ausblick

Ob die SAF den Wegfall ihrer wichtigsten Kader verkraftet, steht noch in den Sternen. Die Struktur der Neonazis war viel zu stark auf Kubiak und Zimmermann zugeschnitten, als daß es ohne Abstriche weitergehen könnte. Mit der Aktualisierung ihrer Internetseiten und der weiteren Werbung für das "Zentralorgan" versucht die SAF zwar, den Eindruck zu erwecken, daß alles weiter läuft, wirkt aber wenig überzeugend. Abzuwarten bleibt, wer aus der zweiten Führungsebene nun in die entstandenen Lücken im Schützengraben springen wird. Genügend Fußvolk, das nach Führung schreit, ist auf jeden Fall vorhanden.

Im Fall "Donner-Versand" dürfte genug Ersatz-Personal zur Verfügung stehen. Der Tod von Harald Theodor Mehr hat den Donner-Versand zwar schmerzhaft getroffen, das Projekt aber dürfte dadurch nicht ernsthaft in Gefahr geraten sein. Neben dem Mitinhaber Stephan Haase stehen noch Alexander Schloss (Schalksmühle) vom "Landwehr"-Versand und Markus M. (Herscheid) aus dem Kreis der Neonazi-Gruppe "Deutscher Jugend Bund" (DJB) aus Werdohl für die Weiterführung des Projektes bereit. Der "Donner Versand" von Mehr und Haase nutzte immerhin zeitweilig die gleiche Adresse in Lüdenscheid, wie der Versand des "Deutschen Jugendbund" (DJB) von Holger Stenzel (Herscheid) und der "Landwehr Versand" von Alexander Schloss.