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Die Achse Chemnitz – Ludwigsburg

Einleitung

Blood & Honour-Aktivitäten und NSU-Unterstützung von Sachsen bis Südwestdeutschland

Fast alle sächsischen NSU-Unterstützer standen dem verbotenen Neonazi-Musik-Netzwerk Blood & Honour (B&H) nahe. Viele Details hat das AIB hierzu schon berichtet1 . Nach bisherigem Erkenntnisstand soll der B&H-Sektionschef Jan Werner im Austausch mit dem NSU-Mitglied Uwe Mundlos gestanden haben und 1998 versucht haben, über den Verfassungs­schutz-Informanten Carsten Szczepanski Schusswaffen für das NSU-Trio zu besorgen. Auch andere sächsische Sektionsmitglieder wurden entsprechend aktenkundig: Jörg Winter beschaffte Sprengstoff für Uwe Mundlos. Antje Probst wollte einen Ausweis besorgen, um dem NSU-Mitglied Beate Zschäpe eine Flucht nach Südafrika zu ermöglichen. Ihr Ehemann Michael Probst tauschte Nachrichten mit den Gesuchten aus. Andreas Graupner diente als Kontaktmann zwischen den Gesuchten und dem NSU-Unterstützer Ralf Wohlleben. Thomas Rothe2 stellte dem untergetauchten Trio zeitweise seine Wohnung zur Verfügung und besuchte es auch in Zwickau. Hendrik Lasch3 stand in Kontakt mit Uwe Mundlos und wollte dessen Entwürfe auf T-Shirts drucken. Auch der spätere Polizei-Informant Thomas Starke half bei der Suche von Unterkünften. Damit hatte mindestens ein Drittel der 1998 etwa 18-köpfigen B&H-Sektion Sachsen mehr oder weniger Kontakt zu den Untergetauchten. Mit Jörg Winter und Andreas Graupner sollen zwei Exponenten dieses Milieus und deren Werdegänge näher dargestellt werden.

  • 1Vgl. AIB Nr. 95
  • 2Er war Mitarbeiter der Neonazi-Fanzines Sachsens Glanz und White Supremacy, soll heute in der Hammerskin-nahen Band Blitzkrieg aktiv sein.
  • 3Er ist bei der RechtsRockFirma Backstreetnoise und dem Rockerclub Motorradstaffel Kreuzeiche Germania aktiv

»Blood & Honour« Gruppentreffen 1997 bei Leipzig. [1] Alexander Heinig, [2] Michael L., [3] Markus Frntic und [4] Jörg A.

Der erste Sprengstoff

Der heute 38jährige Jörg Winter aus Wachau war unter den B&H-Leuten in Sachsen dafür bekannt, dass er Spreng­sätze baute. Zusammen mit Giso T., der in seiner Nähe wohnte, soll er bereits 1996 bei Bautzen Sprengexperimente durchgeführt haben. Über den B&H-Aktivisten und späteren LKA-Informanten Thomas Starke (Chemnitz, Dresden) kam der Kontakt zum späteren NSU zu Stande. Von 1994 bis 1996 war Starke in Haft wegen einer Schlägerei, an der auch Uwe Mundlos beteiligt gewesen war. In der Haft wurde er von Uwe Mundlos, Uwe Böhnhardt und Beate Zschäpe unterstützt. 1997 besorgte Thomas Starke Uwe Mundlos das TNT, welches 1998 bei der Garagendurchsuchung in Jena gefunden wurde. Nachdem Mundlos ihn darum gebeten habe, wandte sich Starke an Jörg Winter, von dem er wusste, dass dieser sich mit Derartigem beschäftigt. Den Sprengstoff, den er über Winter erhielt, gab er anschließend an Mundlos weiter. Somit war ein späterer Informant des Berliner LKA an der Entstehungsgeschichte des NSU-Terrors direkt beteiligt. Jörg Winter und Giso T. waren in den folgenden Jahren in den Strukturen von Blood & Honour Sachsen weiter aktiv. Zumindest Winter unterhielt auch engen Kontakt zum Verfassungsschutz-Informanten Mirko Hesse von den Hammerskins Sachsen. Mehrfach soll Hesse versucht haben, Winter für die Hammerskins abzuwerben. Zunächst verblieb Winter bei B&H, doch 2002 wurde er von Sicherheitsbehörden dem Kreis der Mitglieder und Unterstützer der sächsischen Hammerskins zugerechnet1 . Die Konkurrenz zwischen den Netzwerken B&H und Hammerskins, die in vielen Regionen erkennbar war, existierte in Sachsen kaum. NSU-Helfer wie Micha­el Probst, Andre Eminger aus Zwickau und schließlich auch Jörg Winter standen den Hammerskins offensichtlich näher als der B&H-Struktur und entwickelten teilweise dennoch Aktivitäten für B&H. Noch bis 2009 ermittelte die Staatsanwaltschaft Dresden gegen Winter und andere sächsische B&H-Mitglieder wegen des Verdachtes, Blood & Honour unter dem Namen Division 282 fortgeführt zu haben. Eines steht fest: Der erste Sprengstoffproduzent des (späteren) NSU war ein über die Jahre exponierter und gut überwachter Neonazi und der Sprengstoff-Lieferant war ein späterer Spitzel des Berliner LKA.

Der Soundtrack der NSU-Morde

Der 38-jährige Andreas Graupner (»Mucke«), heute wohnhaft bei Ludwigsburg, war ein Urgestein der Chemnitzer RechtsRock-Szene und lange bei B&H aktiv. Er soll innerhalb von Blood & Honour Sachsen für die Leerung der Postfächer verantwortlich gewesen sein und in dem RechtsRock-Unternehmen Movement Records von Jan Werner mitgearbeitet haben. Er spielte zu dieser Zeit bei der Neonaziband »Auf eigene Gefahr« (AEG), die als Band der B&H-Jugendorganisation White Youth galt.

In der Rückschau und mit dem Wissen um den NSU fällt ein Leserbrief von »Mucke« in dem Neonazi-Fanzine Victory Nr. 2 (Ende 1996) auf, wo er einen vorausgegangen Artikel lobt, der Ratschläge für den Schutz vor Observationen gegeben hatte. Graupner selbst, der zu Chemnitzer Zeiten der Unterstützung des untergetauchten Trios verdächtigt war, konnte sich mehrfach erfolgreich der Observation entziehen. 2001 zog Andreas Graupner in die Nähe der Stuttgarter Vorstadt Ludwigsburg, wo er zunächst beim damaligen Musiker der Neonaziband Noie Werte, Oliver Hilburger, gemeldet war. Kurze Zeit später stieg Graupner bei Noie Werte ein und gehörte der Band bis zu deren Auflösung 2010 an. Er grü­n­dete eine Familie, blieb der Szene jedoch nicht nur über seine musikalischen Aktivitäten verbunden. Andreas Graupner wurde im Februar 2012 wegen möglicher NSU-Unterstützung von der Polizei durchsucht. Unter anderem hatten die Ermittler_innen zuvor im Handy des NSU-Unterstützers Andre Eminger die Telefonnummer von Andreas Graupner gefunden.

Noie Werte, gegründet 1987, war Mitte der 1990er Jahre eine Pionierband der sich entwickelnden deutschen B&H-Strukturen und sie spielt im NSU-Kontext eine bemerkenswerte Rolle: Gleich zwei Lieder von Noie Werte hatte der NSU als Begleitmusik für eine Version ihrer Bekenner-DVD ausgesucht.

Hot Spot Ludwigsburg / Heilbronn

Die nördliche Peripherie von Stuttgart lässt alle Beobachter_innen der NSU-Thematik aufhorchen: In Heilbronn, 50 Kilometer nördlich von Stuttgart, fand 2007 der Mord des NSU an der Polizistin Michele Kiesewetter statt. In Ludwigsburg hielt sich Beate Zschäpe während ihrer Zeit im Untergrund offensichtlich mehrfach auf, so zum Beispiel 2003 als sie sich mit einer bisher nicht identifizierten Bekannten traf. In den Hinterlassenschaften des NSU fand die Polizei Aufnahmen, die Uwe Böhnhardt 2003 vor Einzelhandelsgeschäften türkischer Migrant_innen in Stuttgart zeigen. Offensichtlich war dort ein weiterer Mord geplant gewesen, aber nicht ausgeführt worden.

Andreas Graupner ist nur eine von vielen Spuren, welche in die Region nördlich von Stuttgart führen. Stuttgart / Ludwigsburg war eine Keimzelle von B&H in Deutschland, hier gründeten sich ab 1991 die »Kreuzritter für Deutschland«, die maßgeblich am Import von B&H nach Deutschland wirkten. Zentrale Personen des frühen B&H-Entstehungsprozesses in Deutschland waren u.a. der spätere Rechtsanwalt Steffen Hammer, der das Musiklabel German-British-Friendship betrieb und bis 2010 als Frontmann von Noie Werte auftrat, neben ihm die Ludwigsburger Alexander Heinig und Markus Frntic, der ab spätestens 1997 Chef der B&H-Sektion Württemberg war. Bereits um 1994 war der Mundlos-Freund Marcus F. von Chemnitz nach Heilbronn gezogen, wo er sich der hiesigen Szene anschloss. Im 1998 sichergestellten Notizbuch von Uwe Mundlos finden sich mehrere Einträge Ludwigsburger Personen, darunter der 2003 verstorbene Michael E., Mitglied der bis Mitte der 1990er Jahre aktiven Neonaziband Kettenhund. Die entstandenen Kontakte führten u.a. dazu, dass Neonazis der Chemnitzer und Jenaer Szenen mehrfach in den Raum Heilbronn und Ludwigsburg reisten, wo es ihnen nicht nur ums Partymachen ging. Aus dieser Zeit stammt ein Brief von Uwe Mundlos, in dem er von Besuchen in Ludwigsburg schwärmt: »Wir waren vor allem über die Waffen die sie alle haben erstaunt – fast schon ein kleiner Waffenladen.«

Die exponierte Rolle, die der heute 42-jährige Alexander Heinig spielte, hängt mit  seiner Rolle als Frontmann von Ultima Ratio zusammen, einer Band, die angab, »100% Blood & Honour« zu sein. Ultima Ratio zählte zu den ganz wenigen Bands, denen je ein Auftritt mit der »Untergrundband« Land­ser, den Stars des B&H-Milieus, ge­stattet war – auf einem konspirativ durchgeführten Konzert 1998 bei Dresden. Heinig wurde später Szene-Rechts­anwalt und saß zeitweilig in einer Kanzlei mit Steffen Hammer und Nicole Schneiders, der Anwältin des angeklag­ten Ralf Wohlleben im bevorstehenden NSU-Prozess3 . Im derzeit stattfindenden »Winterbach-Prozess« treten Heinig, Hammer und Schneiders gemeinsam als VerteidigerInnen für Neonazis auf, die angeklagt sind, im April 2011 in Winterbach (25 Kilometer westlich von Stuttgart) an einem Überfall auf eine Feier von Menschen migrantischer Herkunft beteiligt zu sein. Die Angegriffenen hatten sich in eine Gartenhütte geflüchtet, die daraufhin von Neonazis angezündet wurde. Glücklicherweise kam niemand zu Tode4 .

Markus Frntic, 42 Jahre alt und heute in Kirchheim am Neckar wohnhaft, galt szeneintern als Combat 18-Mann und gründete 1998/1999 aus B&H heraus die Neonazi-Gruppe »Furchtlos und Treu«. Im Januar 2004 gab es Razzien gegen »Furchtlos und Treu« in Baden-Württemberg, Sachsen und Brandenburg im Rahmen eines Ermittlungsverfahrens wegen des Verdachts des Verstoßes gegen das Kriegswaffen­kontrollgesetz und das Waffengesetz. Die Polizei stellte u.a. 2.500 Schuss Munition, 500g formbare Sprengmasse, fünf Meter Sprengschnur und Übungshandgranaten sicher. Auslöser der Razzien waren von der Polizei gefundene Fotos, die u.a. Markus Frntic mit Waffen zeigen. Der Deutsch-Kroate Markus Frntic ist noch heute ein fanatischer Neonazi. Erst im letzten Jahr reiste er mit einer Delegation deutscher Neonazis nach Bleiburg (Kärnten, Österreich) zur einer Gedenkfeier für kroatische Faschisten der Ustascha-Bewegung. Die deutschen Neonazis trugen Shirts mit der Aufschrift »Deutsch Kroatische Waffenbrüder«.

Blood & Honour-Zufluchtsort  Ludwigsburg / Heilbronn?

Ein 1997 bei einem B&H-Treffen bei Leipzig aufgenommenes Gruppenfoto von B&H zeigt Alexander Heinig und Markus Frntic neben den sächsischen B&H-Aktivisten Michael L. und Jörg A. Dies mag symbolisch für die enge Verbindung Ludwigsburg-Chemnitz stehen, die bis in die jüngsten Jahre stabil blieb.

Um Ludwigsburg / Heilbronn konzentrier(t)en sich einflußreiche B&H-Personen. So Jörg A. aus Schlema, ein enger Freund der NSU-Unter­stüt­ze­rInnen Michael und Antje Probst aus der Chemnitzer Szene, der um 2000 in einen Ort unweit von Heilbronn zog und den B&H-Strukturen über das Verbot im Jahre 2000 hinaus erhalten blieb. Er orientierte sich an der Struktur im Stuttgarter Raum. Kurz darauf kam der Chef persönlich: Stephan Lange (»Pinocchio«), Divisionsleiter von B&H Deutschland, zog mit seiner Lebensgefährtin Katja P. von Berlin nach Kirchheim am Neckar (zwischen Heilbronn und Ludwigsburg gelegen), wo er heute noch wohnt und erkennbar freundschaftliche Verbindungen zu Markus Frntic unterhält. Auch wenn Lange der Schaffung von B&H-Nachfolgeorganisationen skeptisch gegenüber gestanden haben soll, so erwies er dem »neuen« B&H, welches sich ab 2001 ausgehend von Baden-Württemberg unter dem Namen Division 28 neu gründete, Dienste. Er soll Kontakte zu Bands hergestellt haben, mit denen B&H im Südwesten Deutschlands Konzerte durchführen wollte und noch 2005 reiste er zu einem Neonazikonzert ins Ausland.

Um 2001 kam Andreas Graupner in die Region und später auch der Chemnitzer Jan Werner, ehemaliger Sektionsleiter von B&H in Sachsen. Werner zog nach Besigheim bei Ludwigsburg zu seiner damaligen Freundin Steffi G., die ebenfalls aus Chemnitz stammt. Die Wohnung von Jan Werner und Steffi G. wurde im Januar 2012 im Rahmen der NSU-Ermittlungen durchsucht.

Alte Freundschaften

Es ist nicht davon auszugehen, dass alle erwähnten Personen noch heute derselben organisatorischen Struktur zugehören. Wege haben sich getrennt, Lebensläufe voneinander entfernt. Manches mag sich heute auf »alte« und unverbindliche Bekanntschaften reduzieren. Für die noch Aktiven ist B&H längst nicht mehr der übergeordnete Bezugsrahmen, auch Hammerskins (die zeitweise einen Treffpunkt in Ludwigsburg unterhielten) und KameradschaftsaktivistInnen gehören heute ihren informellen Netzwerken und Freundeskreisen an.

Doch gerade um Andreas Graupner existiert heute ein sozial-politischer Freundeskreis, dem ehemalige Musiker von Noie Werte und ehemalige NPD-Funktionäre angehören und beispielsweise auch Rico H. Der 37-jährige Rico H., wohnhaft in der Region um Ludwigsburg, wurde schon Mitte der 1990er Jahre als Exponent der Kreuzritter für Deutschland genannt. Er ist das Beispiel eines Neonazis, der sich seit 20 Jahren in der Szene bewegt, der bis heute auf Nazikonzerten im In- und Ausland anzutreffen ist und noch vor wenigen Jahren im Stuttgarter Raum Neonazikonzerte mitorganisierte – natürlich mit Noie Werte. Auch von Rico H. ist die Verbindung nach Chemnitz nicht weit: Um 2008 bewegte er sich in den Reihen der Chemnitzer Rockergruppe Motorradstaffel Kreuzeiche Germania, die aus der hiesigen Neonaziszene hervorgegangen war. Bei Veranstaltungen des Biker-Clubs Motorradstaffel Kreuzeiche waren auch diverse frühere Chemnitzer Neonazis anwesend: Jörg Winter, Giso T. und Hendrik Lasch aus der ehemaligen Führung von B&H in Chemnitz, ein langjähriger Weggefährte von Uwe Mundlos.

Noch mehr Spuren in der Region

Die Umzugsroute Sachsen-Thüringen-Ludwigsburg bewegte sich auch in Richtung Osten: Bereits um 1997 zog der Neonaziskinhead Jug P., heute 38 Jahre alt, aus dem Raum Ludwigsburg nach Thüringen. Im Februar 1998 saß er in einem ge­char­terten Bus, mit dem knapp 50 Neonazis aus dem B&H-Spektrum zu einem Gedenkmarsch für die Waffen-SS nach Budapest reisten. Mit dabei: Personen der B&H-Führung aus Chemnitz und Gera, natürlich Jörg Winter und auch Andreas Schultz aus dem thüringischen Trockenborn, dem zwei Jahre später eine wichtige Rolle zukommen sollte: Die Ceska, mit der der NSU seine rassistische Mordserie ausführte, ging durch die Hände von Andreas Schultz zum Mitangeklagten des bevorstehenden NSU-Prozesses Carsten Schultze, der sie Uwe Mundlos überbrachte5 . Jug P. wird belastet, an Waffengeschäften des Rudolstädter Neonazis Sven R. beteiligt gewesen zu sein. Sven R., ein guter Freund des späteren NSU-Trios, war schon Ende der 1990er Jahre ins sogenannte Rotlichtmilieu gegangen und gehörte einem kriminellen Netzwerk an, über das die Ceska und andere Waffen zum NSU gelangt sein sollen. Jug P. kehrte um 2008 in den Raum Ludwigsburg zurück.

Aus Schwäbisch Gmünd, 70 Kilometer von Ludwigsburg entfernt, stammt die Band Race War6 , die eine führende Rolle in der Post-B&H-Struktur der Division 28 spielte, unverblümt für den Terror von Combat 18 eintrat und 2006 als kriminelle Vereinigung verurteilt wurde. Mittendrin war die Thüringerin Isabell Pohl, heute 37 Jahre alt. Es wird vermutet, dass sich die untergetauchte Beate Zschäpe mit ihrem Pseudonym »Lisa Pohl« der Identität von Isabell Pohl bediente. Mehrere Jahre, bis mindestens 2005, war Isabell Pohl mit Max Hirsch liiert, dem Frontmann von Race War, und wohnte zu dieser Zeit in Obergröningen bei Schwäbisch Gmünd. Dort gründete sie 2003 die Neonazigruppe Aktive Frauen Fraktion (AFF). Die AFF war an die Strukturen der Division 28 fest angebunden. Sie organisierte Konzerte mit B&H-Bands und betrieb die Unterstützungsarbeit für die unter staatlichen Druck geratene Band Race War. Ihre Mitglieder sammelte sie vornehmlich aus Thüringen, Sachsen und dem Großraum Stuttgart.

Wer half dem NSU?

Mittlerweile wurde eine Sonderkommission eingerichtet, die die Spuren möglicher NSU-UnterstützerInnen in und nach Baden-Württemberg verfolgen soll. Sie wird viel zu tun haben, zu unüberschaubar ist das – in diesem Artikel nur unvollständig gezeichnete – Geflecht der Personen und Freundeskreise, die mit den NSU-Mitgliedern oder ihren HelferInnen in der Vergangenheit in irgendeiner Weise verbunden waren. Es ist wahrscheinlich, dass sich unter ihnen diejenigen befinden, die sich mit Zschäpe in Ludwigsburg trafen und die dem Trio halfen – möglicherweise auch beim Mord in Heilbronn 2007 und bei den Mordplänen in Stuttgart 2003. Doch wer war es? Eines werden die Ermittler_innen mit Sicherheit nicht leisten: Die kritische Rückschau auf die vergangenen 20 Jahre, in dem sich in der Region Stuttgart / Ludwigsburg ein B&H-Milieu recht ungehindert konstituieren, radikalisieren und bewaffnen konnte. Das wird die Aufgabe antifaschistischer Gruppen sein.
 

  • 1Vgl. AIB Nr. 57 (3.2002): Razzia bei sächsischen Hammerskins
  • 2Die Division 28 war einer von mehreren Versuchen, da weiterzumachen wo Blood & Honour aufhören musste. Allerdings gab es auch hier bald die Streitereien wie im »alten« Blood & Honour: Geschäftemacher gegen Untergrundverfechter bzw. Real-B&H gegen Combat 18. Als Führungspersonen traten hierbei Hartwin Kalmus (B&H Baden) und Uwe Veljaca-Grischenig (B&H Vorarlberg) auf.
  • 3Nicole Schneiders, geb. Nicole Schäfer, stammt aus Öhringenbei Heilbronn. Sie studierte von Anfang 2000 bis 2002 Jura in Jena und war Mitglied der Jenaer NPD und dort 2002 Stellvertreterin von Ralf Wohlleben im Kreisvorstand.
  • 4Vgl. AIB Nr. 91 (2.2011): Rassistischer Brandanschlag in Winterbach
  • 5Vgl. AIB Nr. 95 (2.2012): Wissen schützt vor Terror nicht
  • 6Vgl. AIB Nr. 60