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Dämonisierung durch Vergleich

Wolfgang Wippermann

Wolfgang Wippermann – Professor für Neuere Geschichte an der FU Berlin – genießt ein gewisses Maß an Prominenz. Er ist Autor zahlreicher wissenschaftlicher Publikationen zur NS-Herrschaft, Faschismus – und Totalitarismustheorie. Wippermann schreibt zu dem Texte, die leichtverständlich aktuelle geschichtspolitische Debatten erklären und in diese kritisch eingreifen. Hierbei macht er auch vor Auftritten im Fernsehen und der Bildzeitung nicht halt. Im Anschluss an die letzte Intervention dieser Art, entstand sein Buch zur Debatte um die Äußerungen von Eva Herman »Autobahn zum Mutterkreuz« Historikerstreit der schweigenden Mehrheit (AIB 79).

Nun legt Wippermann wieder eine Streitschrift zum einem »Historikerstreit« vor. In »Dämonisierung durch Vergleich: DDR und Drittes Reich« möchte er der Popularisierung der Totalitarismustheorie im selbstverständlichen Gleichsetzen von NS-Herrschaft und DDR entgegentreten. Diese Gleichsetzung kommt im mantrahaftem Sprechen von den »zwei deutschen Diktaturen« zum Ausdruck. Der Nationalsozialismus und die DDR waren beide deutsch und eine Diktatur. Hier enden aber schon bald die Gemeinsamkeiten. Die DDR hat bekanntlich weder ein rassistisches Mordprogramm ausgeführt, noch ging von ihrem Boden ein Weltkrieg aus. Von diesem Fakt kann nie abstrahiert werden, wenn zum Beispiel der Alltag im NS mit dem in der DDR verglichen werden soll. Weshalb sich für Wippermann neben »Makrovergleichen« auch »Mikrovergleiche« wie beispielsweise die vergleichende Erforschung des Alltages verbieten.

Das sich die geschichtspolitisch gewollte Sicht auf die zweifelsohne autoritäre DDR, als eine von »zwei deutschen Diktaturen« durchsetzen konnte, ist der Verdienst verschiedener Diskurse und ihrer Protagonisten. Wippermann nimmt sich dieser in leicht verständlicher Form an.

Wippermann stellt, die den Faschismus mit dem realexistierenden Sozialismus vergleichende und gleichsetzende Totalitarismustheorie, als die Staatsideologie der alten Bundesrepublik vor. Sie wirkte bis zu den Jahren der Entspannungspolitik mit »dem Osten« als Staatsdoktrin der BRD. In der Geschichts- und  Politikwissenschaft verschwand sie zeitgleich aus dem Diskurs bzw. wurde durch die Faschismusforschung an die Wand gedrückt. Nun gelang der Totalitarismustheorie nach dem Enden der DDR ein Comeback, so dass Wippermann von einem »stillem Sieg« Ernst Noltes im »Historikerstreit« spricht. Dieser »stille Sieg« im Bewusstsein der Bevölkerung hat verschiedene Väter. Die zwischen 1992 und 1998 tagende 14. Enquetekommission des Deutschen Bundestages zur »Aufarbeitung von Geschichte und Folgen der SED-Diktatur«, der an der Berliner FU ansässige »Forschungsverbund SED-Staat«, das »Amt des Bundesbeauftragten für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik«, sowie den Leiter der Gedenkstätte Hohenschönhausen Hubertus Knabe.

Allen diesen Institutionen und Personen deren Geschäft die »Dämonisierung durch Vergleich« ist, nähert sich Wippermann mit sarkastischer Kritik. So ist das Buch flott zu lesen. Hinterher steht man gut argumentativ präpariert für das Gedenkjahr 2009 vorbereitet.   (F. Kunow)

Wolfgang Wippermann
»Dämonisierung durch Vergleich: DDR und Drittes Reich«.
Rotbuch Verlag Berlin, 2009
159 Seiten, 9,90 Euro