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Armin Mohlers Erbe

Einleitung

Der Historiker und Gymnasiallehrer Karlheinz Weißmann ist der Spiritus Rector des im Jahr 2000 gegründeten neurechten »Institut für Staatspolitik (IFS)«. Der selbsternannte politische Erbe Armin Mohlers und Autor einer Vielzahl von Büchern, in denen er Aspekte rechter Ideologie entfaltete, kann mit Recht als strategischer Kopf der neuen Rechten in Deutschland angesehen werden. In einem im Hausverlag des IfS erschienen Interviewbuch gibt Weißmann gänzlich unmaskierte Einsichten in sein politisches Denken.

Bild: attenzione-photo.com

Karl Heinz Weißmann als Referent bei einer Veranstaltung am 4. März 2005 in Kiel.

Weißmann war in den neunziger Jahren führend an allen politischen Projekten der neuen Rechten beteiligt. Als Autor des Buches »Der Weg in den Abgrund« betrieb er die Historisierung des Nationalsozialismus, als Mitinitiator des 1995 zum 8. Mai veröffentlichten Aufrufs »Gegen das Vergessen« suchte er ein Bündnis mit dem etablierten Konservatismus zu schmieden. Dessen faktisches Scheitern führte zu einem Strategiewechsel neurechter Akteure. An erster Stelle stand nun nicht mehr die Suche nach Bündnispartnern im Brückenspektrum des parteipolitischen Konservatismus, sondern  die geistige Zurüstung der eigenen Reihen, vornehmlich des konservativ-eltären akademischen Nachwuchses. Seit nunmehr sechs Jahren bilden die Tagungen des IfS den intellektuellen Kristallisationspunkt all jener, denen es in Weikersheim zu stromlinienförmig zugeht.

Publizistisches Aushängeschild des IfS ist die wesentlich von Weißmann redigierte Zeitschrift Sezession. Im Anschluss an die politische Linie der ehedem von Caspar Schreck-Notzing herausgegebenen Zeitschrift Criticon, will die Sezession die politische und kulturelle Identitätsbildung einer neuen elitären Rechten vorantreiben. Hierzu widmete man sich in der bisher quartalsweise erscheinenden Zeitschrift sämtlicher Säulenheiliger der extremen Rechten: von Carl Schmidt bis Nietzsche, von Gottfried Benn bis Gomez Devilá. Offenbar mit Erfolg. In ihrer letzten Ausgabe kündigte die Redaktion die Umstellung auf eine zweimonatliche Erscheinungsweise an.

Ein Rückschlag

Im Frühjahr 2006 sollte Weißmann auf Einladung einiger Nachwuchsakademiker im Studienzentrum Weikersheim referieren. Doch dies ging den alten Herren des rechtskonservativen Thinktanks offenbar zu weit. Weißmann wurde wieder ausgeladen. Zu Recht wurde dies vom IfS als Rückschlag im Kampf um Akzeptanz innerhalb des etablierten Konservatismus interpretiert. Das politische Verhältnis des IfS zu diesem ist ambivalent. Einerseits ist er Adressat und Zielpunkt auf der Suche nach Einfllusssphären und Bündnispartnern für politische Kampagnen. Andererseits beklagt man die politische Feigheit und Stromlinienförmigkeit des politischen Diskurses in der CDU.

Wie weitgehend diese Akzeptanz von Weißmanns Positionen im rechtsbürgerlichen Lager mitunter reicht, konnte man anlässlich der Frankfurter Buchmesse beobachten. Gemeinsam mit dem FAZ-Feuilleton Redakteur Lorenz Jäger präsentierte Weißmann seine Monographie über die Deutungsgeschichte des Hakenkreuzes. Jäger hatte dazu im Karolinger Verlag einen komplementären Band verfasst, der ebenfalls die Kulturgeschichte des Hakenkreuzes beschreiben will. In den Monaten zuvor hatte Jäger einige Publikationen aus dem IfS-Umfeld wohlwollend in der FAZ besprochen.

Klare Worte

In dem bereits vor der Buchmesse erschienenen, knapp einhundertdreißig Seiten umfassenden Interviewband führt Weißmann recht betrachtet  einen großen Monolog über das, was er unter »rechts« versteht. Dabei findet er, in der Vergangenheit sehr um diplomatisch verschleiernde Formulierungen seiner extrem rechten Gedankenwelt bemüht, zu einer bemerkenswert deutlichen Sprache. Die Fragen Götz Kubitscheks sind nur mehr Stichworte, auf welche hin Weißmann philosophische und politisch-strategische Ansichten darlegt. Das wird bereits im ersten von fünf thematischen Gesprächen klar. Unumwunden erklärt Weißmann in drastischen Worten eine ideologische Grundkonstante rechter Ideologie: den prinzipiellen Antiegalitarismus. Exemplarisch erläutert Weißmann sein elitäres Gesellschaftskonzept anhand der Bildungspolitik. An die Stelle organischer Auswahl der Tüchtigen, sei nivellierende Gleichheit aller getreten. Weiter formuliert er: »Egalitarismus tötet«.

Reserviert verhält sich Weißmann gegenüber der von Kubitschek mit Anlehnung an Carl Schmitt formulierten eschatologischen1 Erwartungshaltung der Rechten, der »Krise«. Denn Kubitschek fragt hier nach dem »Ernstfall«, von dem er meint, die offene Gesellschaft sei  ihm nicht gewachsen. Die Bindekraft der Hegemonie der 68er-Generation werde nachlassen, weil ihre Akteure Schritt für Schritt die Bühnen des öffentlichen Diskurses verlassen. Hier müsse die neurechte Gegenrevolution ansetzen. Dazu brauche man Leute, die zur Stelle seien, wenn es darauf ankommt.

Mit Blick auf die Ideologiegeschichte der sogenannten Konservativen Revolution positioniert sich Weißmann erwartungsgemäß im Spektrum des Jungkonservatismus. Anderen von Mohler unter dem Begriff »Konservative Revolution« rubrizierte Strömungen der extremen Rechten, wie die Nationalrevolutionäre oder die Völkischen, spricht Weißmann eine ausschließlich historiographische Bedeutung zu. Für die aktuelle politische Strategie der Rechten seien sie weitgehend untauglich, auch wenn sie richtige Fragen gestellt hätten. Ebenso distanziert beschreibt Weißmann sein Verhältnis zu Alain de Benoist. Dieser vertrete recht betrachtet, keine neurechten Positionen mehr, sondern sei Teil des Kommunitarismusdiskurses geworden, der als politisches Gesamtkonzept jedoch keine Schlüssigkeit besitze, da er die Kategorie Nation ausblende.

Dies verdeutlicht, dass Weißmann bemüht ist, die Irrtümer und den ideologischen Ballast deutscher, neurechter Diskurse der vergangenen zwanzig Jahre abzuwerfen und die einstige Fixierung auf die Nouvelle Droite loszuwerden. So antwortet Weißmann auf Stichworte zur seiner politischen Geographie: »Parole: Geheimes Deutschland. Hauptfeind: Die Dekadenz. Köpfe: Friedrich Nietzsche, Ernst Jünger, Arnold Gehlen, Armin Mohler«. Deutlicher geht es nicht. Diese Stichworte beschreiben punktgenau die geistigen Quellen deren sich die Neue Rechte in Deutschland zu bedienen weiß: nicht-nazistische Denker des europäischen Faschismus und des reaktionären Flügels des Konservatismus.

Fazit

Am Ende der Lektüre wird klar, dass Weißmann in seinem Bemühen um eine Erneuerung extrem rechter Theorie der legitime geistige Erbe Armin Mohlers ist, dem es Zeit seines Lebens um eine Entkoppelung zwischen der politischen Praxis des Nationalsozialismus und seinen konservativen Vordenkern zum Zwecke der Ehrenrettung letzter ging. Wer sich über das Denken der Neuen Rechten informieren will, sollte dieses Buch lesen, weil es konkreter als viele wissenschaftliche Publikationen der letzten Jahre zum Thema einen Einblick in die ideologischen Prämissen und strategischen Ansätze rechter Theoriebildung gibt. 

Götz Kubitschek
Unsere Zeit kommt: Im Gespräch mit Karlheinz Weissmann
Verlag Edition Antaios. 2006
133 S., 12,80 EUR

  • 1Eschatologie, hier: Religiös/theologisch geprägter Begriff für die Lehre von den »letzten Dingen«, sprich Tod, Auferstehung und Apokalypse.