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Intellektuelle Antidemokraten in Berlins Mitte

Einleitung

Bereits zum zweiten Mal stellte der Berliner Veranstaltungsort Urania seine Räumlichkeiten dem neurechten Institut für Staatspolitik zur Verfügung. Der Einladung zur Tagung des Institut um Karlheinz Weißmann folgten knapp 250 Zuhörer, ungestört vom Vermieter oder der Öffentlichkeit.

Foto: juelich/ip-photo.com

Götz Kubitschek im Gespräch mit einem Journalisten

Am 12 Juli 2008 fand eine Veranstaltung des »antidemokratischen« Institut für Staatspolitik (IfS) in den Räumen des »demokratischen« Berliner Bildungsvereins Urania e.V. statt. Von den merkwürdigen Demokratie-Auffassungen in der Mitte Berlins abgesehen, gibt es über diese Vortragsveranstaltung wenig Bemerkenswertes zu berichten.

Seit inzwischen acht Jahren lädt Götz Kubitschek für das IfS zu einem Kolleg nach Berlin ein, dieses Mal im Rahmen einer Veranstaltungsreihe durch vier Städte unter dem Motto »Widerstand. Lage – Ziel – Tat«. »Wir meinen, dass wir das Recht haben, geistig und tatkräftig Widerstand gegen die Entwicklung in Deutschland zu leisten. Wir müssen die Lage beurteilen und beschreiben, in der wir stecken (...), müssen unsere Politik formulieren (...) und tatkräftig für die konservative, rechte Sicht der Dinge werben, um Widerstandsinseln zu bilden«, hieß es in seiner Einladung. Nach der ersten Veranstaltung in Frankfurt/ Main traten in Berlin neben den IfS-Rednern Karlheinz Weißmann und Götz Kubitschek auch Frank Lisson sowie Alain de Benoist, französischer Rechtsextremist und Ikone der »Neuen Rechten«, auf.

Im Verlauf der Tagung mit teilweise langatmigen Vorträgen wurden die Vertreter des IfS erneut zu mehr Aktionismus aufgefordert. Das wurde für das Institut als Ganzes zurückgewiesen. Allein »feinsinnige Provokationen« könne man erwarten, hatte Kubitschek schon gegenüber dem NPD-Organ Deutsche Stimme formuliert. Er betonte, dass vom IfS kein Organisationsrahmen gestellt werde. So mussten sich die BesucherInnen mit den unbefriedigenden Hinweisen auf die von Kubitschek ins Leben gerufene »Konservativ-Subversiven Aktion« (KSA) begnügen. Mit der hatten rund ein Dutzend Personen Anfang Mai einen linken Kongress an der Humboldt-Uni gestört, Parolen gerufen und Flugblätter verteilt.

Inhaltliche Kontroversen werden auf IfS-Veranstaltungen grundsätzlich nur selten deutlich ausgetragen. In Frankfurt/Main jedoch hatte Weißmann scharf auf den Vortrag Lissons reagiert, die Epoche des Nationalstaats sei vorbei: »1000 Jahre Nationalgeschichte (!) sind nicht auszuradieren (...) ich verstehe mich als Repräsentant des ewigen Deutschlands«. Und als Adept der »Konservativen Revolution« betont Weißmann ausdrücklich seine Gegnerschaft zur liberalen, repräsentativen Demokratie: Demokratie in seinem Verständnis funktioniere nur, wenn auf der einen Seite die Homogenität des Staatsvolkes und auf der anderen eine Elitenauswahl gewährleistet sei. Zitat Weißmann: »Wir werden nur eine Demokratie verteidigen, die illiberal ist«. Eine Auffassung mit durchaus weitreichenden Implikationen und eine zentrale These des antidemokratischen Selbstverständnisses.

Weißmann kann sich in seiner antiliberalen Rhetorik auf Vordenker aus dem letzten Jahrhundert berufen, die ganz ähnlich formulierten: »Vielleicht können wir sagen, dass wir Deutschen uns in Deutschland zur Demokratie werden bekennen können – wenn es keine »Demokraten« mehr gibt. Hat die deutschen Demokraten noch niemals Schrecken bei dem Gedanken erfasst, dass eine liberale Demokratie vielleicht diejenige schicksalsbestimmte Form ist, in der das deutsche Volk untergehen wird?«

Über die demokratischen Prinzipien staatlicher Bildung beklagt Weißmann, der Göttinger Gymnasiallehrer: »Gleichmacherei tötet die organischen Formen der Bildung und einer Ordnung, die sich an Leistung und Verdienst ausrichtet. An die Stelle dieser organischen Formen treten Willkür bei der Auswahl und Ausschaltung der Tüchtigen. (...) Egalitarismus (...) setzt auf die Zerstörung jeder Ungleichheit.«

Irreführende Bewertungen

Die Berliner Urania wurde im Vorfeld vom Berliner Apabiz (Antifaschistisches Pressearchiv und Bildungszentrum) auf den Charakter des IfS und seiner Referenten aufmerksam gemacht. Urania-Direktor Ulrich Bleyer sah sich jedoch außer Stande, auf die erfolgte Vermietung noch Einfluss zu nehmen. Der Urania schien die Aufmerksamkeit für ihre rechtsgerichteten Gäste zwar unangenehm, sie ging der Presse gegenüber aber dennoch in die verbale Offensive. Zum einen verwies Bleyer auf die unverzichtbaren Mieteinnahmen durch die Veranstaltung, zum anderen bog er die interne, nicht-öffentliche Veranstaltung des IfS in seinem Haus zu einer Herausforderung demokratischen Handelns um: es gelte, sich inhaltlich mit der rechten Klientel auseinanderzusetzen und deren Argumente zu widerlegen.

Dieser Auffassung konnten sich VertreterInnen der Berliner Landespolitik oder auch das Internationale Auschwitz Komitee, das selber in der Urania veranstaltete, nicht anschließen. Auch die Veranstalter vom IfS hatten ein ganz anderes Konzept von demokratischer Öffentlichkeit im Sinn als Herr Bleyer: so wurde eine Pressevertreterin der Wochenzeitung Die Zeit mit der Angabe eines falschen Veranstaltungsortes in die Irre geführt. Mindestens genau so irreführend sind die Äußerungen des Berliner Staatsschutzes über das IfS und den Referenten Alain de Benoist. Laut Aussage des Urania-Direktors Bleyer habe man ihm auf seine Anfrage mitgeteilt, dass beide »lediglich als rechtskonservativ« einzuschätzen seien. Sie wiederholen damit eine Selbstbezeichnung, die vom Personenkreis der sogenannten »Neuen Rechten« gerne benutzt wird – eine ideologische Nebelkerze, um sich vom Rechtsextremismus-Stigma fern zu halten.

Ihre Fortsetzung findet die Veranstaltungsreihe des Instituts für Staatspolitik übrigens am 4. Oktober in München und am 5. Oktober in Düsseldorf.