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Neonazi-Rock in der BRD

Einleitung

Neonazi-Rock hat sich in den letzten Jahren zu einem der wichtigsten Rekrutierungsfelder für die Neonaziszene entwickelt. Ein Großteil dieser Musik wird von extrem rechten Skinheads („Boneheads“) gemacht, aber auch im Metal-, Hardcore-, Punk-, sogar Gruftie-Spektrum u.a. gibt es extrem rechte Strömungen. "Blood & Honour"-Konzerte1
mit bis zu 2000 Teilnehmerinnen auf dem Gebiet der Ex-DDR sind nur ein Beispiel für die Möglichkeit, über die Musik extrem rechtes Gedankengut unter die Leute zu bringen. In diesem ersten Artikel wird es einen Überblick über die deutsche „Bonehead“-Musikszene, die entsprechenden Bands und Fanzines und die erfolgten repressiven Maßnahmen geben. In den nächsten Ausgaben wollen wir mehr ins Detail gehen. So wird es einen Artikel über das Zeitschriftenprojekt „Moderne Zeiten“ geben, der auf Grund fehlenden Platzes verschoben werden mußte. Außerdem wollen wir demnächst etwas ausführlicher über "Blood & Honour" berichten. Über Informationen jeglicher Art freuen wir uns.

  • 1Internationales, überparteiliches Neonazi-Skinhead-Netzwerk unter der Führung des inzwischen verstorbenen Skrewdriver-Sängers Ian Stuart-Donaldson und unter Mitwirkung verschiedener europäischer Bands. In Deutschland gibt es eine offizielle Kontaktadresse für einen „Skrewdriver-Service“ über Alexander Heinig (Stuttgart) bzw. den „Kreuzritter für Deutschland“. Auch die Adresse der Hamburger »Nationalen Liste« diente als Kontaktadresse. Wie sich das Netzwerk ohne Stuart weiterentwickeln wird, bleibt abzuwarten.

Der Neonazi-Skinhead Dieter Riefling (mittig mit Sonnenbrille) ist eine Schnittstelle zwischen rechten Skinheads und Neonazi-Organisationen.

Überblick

In der BRD gibt es eine Skinhead-Szene von circa 6000 Personen. Knapp die Hälfte davon sind rechte "Boneheads", ein weiterer großer Teil sind »unpolitisch«. Bei vielen »unpolitischen« Bands und Zines (Szene-Zeitschrift, abgeleitet vom englischen "magazine") lassen sich aber keine Berührungängste mit der Neonaziszene ausmachen. Weiterhin gibt es einen großen Anteil an antirassistischen Skinheads (S.H.A.R.P.-Skinheads gegen rassistische Vorurteile) und einige Redskins (linke Skins, oft aber in dogmatischen Organisationen aktiv). Auf die Geschichte der Skinhead-Bewegung möchten wir an dieser Stelle nicht eingehen, da dies den Rahmen des Artikels sprengen würde. Dazu empfehlen wir die entsprechenden Bücher oder entsprechende antirassistische Skin-Zines (Skintonic, Oi-Reka) oder die Ausgabe Nr. 9 des „Antifaschistischen Infoblattes“. Im folgenden beschäftigen wir uns ausschließlich mit der rechten „Bonehead“-Szene.

Bedeutung der Musik für die Szene und für organisierte Neonazis

Ihre Musik bezeichnen die "Boneheads" als sogenannte »Oi-Musik«1
. Musik und alles was damit zusammenhängt (Konzerte, Feten) hat (neben dem Bier) eine große, wenn nicht sogar die größte Bedeutung in der „Bonehead“-Szene.

Mit der Musik identifiziert man sich, dort finden sich Vorbilder für das eigene Tun und Wollen und so ist es nur noch ein kleiner Schritt, die Textinhalte auch in die Tat umzusetzen. Musik ist somit eines der bestgeeignetesten Mittel, politische Vorstellungen bewußt oder unbewußt einer großen Anzahl anderer Personen zu vermitteln, vor allem auch Unorganisierten, die sich nicht immer in Neonazi-Strukturen organisieren lassen wollen. Dies ist in der organisations-unwilligen "Bonehead"-Szene sehr wichtig, es wird eine Struktur geschaffen ohne daß sie ihnen bewußt wird.

Bei der derzeitigen Stärke der neofaschistischen Musikszene kann bereits von einer eigenen Jugendbewegung bzw. Subkultur gesprochen werden. Diese Bewegung hängt sich gerne einen Rebellenkult an. Schaut man sich die Szene genauer an, wird dies schnell als Unsinn entlarvt. »Geld verdienen« ist eine der wichtigsten Interessen der Leute, die die organisatorischen Strukturen der Szene aufrecht erhalten. „Rock-O-Rama“ von Herbert Egoldt aus Brühl als einer der bekanntesten Produzenten von Neonazi-Rock hat mit dieser Musik sicher bereits Millionen gemacht, aber auch Newcomer wie „Skull-Records“ von Oliver Schaffelhuber und Roland Schaffelhuber aus Bad-Überkingen verdienen nicht schlecht.

Sie und auch die Bands wissen, daß mit dieser Musik zur Zeit das große Geld gemacht werden kann und nutzen dies. Auf der anderen Seite geht es um die Werbung eines extrem rechten Wählerpotentials. So trat die inzwischen verbotene „Deutsche Alternative“ (DA) des öfteren als Veranstalter von Neonazi-Konzerten und -Feten in Cottbus und Umgebung auf. Viele Skin-Zines und -Versände sind direkt oder indirekt mit extrem rechten Parteien/Kadern verbunden. So fließt zum einen Geld dieser Parteien in den Strukturaufbau der Musik-Szene, zum anderen fließen Gelder, die auf Konzerten erspielt werden, in die  Taschen von Neonazis (z.B. ein Solidaritäts-Konzert für den aus der BRD abgeschobenen FAP-Kader Karl Polacek). Die Bemühungen organisierter Neonazis um die Oi!-Musik sind Teil der Bestrebungen um eine rechte »kulturelle Hegemonie«. Die Musikszene ist in mehrere Bereiche unterteilt die wir uns nun etwas genauer anschauen wollen.

Extrem rechte Bands

Es gibt circa 50 Bands mit extrem rechten Texten. Zwischen ihnen gibt es sowohl textliche als auch inhaltliche Unterschiede. Ihre Musik wird von weit mehr Leuten gehört, als es "Boneheads" gibt („Störkraft“ hat nach eigenen Angabe mehr als 30.000 Platten verkauft, die „Böhsen Onkelz“ mehr als 100.000 allein von einer ihrer Platten). Damit haben sie die Möglichkeit, ihre Propaganda auch außerhalb der Szene bekannt zu machen, die sich über die eindringliche und markante Musik den Weg ins Gehirn freimacht.

Kontakte zu organisierten Neonazis bestehen offen und verdeckt, so tritt zum Beispiel „Kraftschlag“ (Itzehoe) um Jens Arpe ziemlich offen für den „Ku Klux Klan“ auf. Oliver Klapmeier (Bassist Kraftschlag) soll zu den Kreisen der FAP gehören. Constantin Meyer (Bandmitglied Kruppstahl) galt als eine Art Kameradschaftsführer der Augsburger FAP und wurde Funktionär der „Nationale Offensive". Andreas Pohl (Bandmitglied "Kraft durch Freude") wurde ein führender NF-Funktionär. Die Mitglieder der Band "Groilemeiers" aus Velbert sollen aus FAP-Strukturen stammen. Stefan Spiller (Band "Voll die Guten") galt zeitweilig als "Kreisverbandsvorsitzender" der FAP in Delmenhorst.

Die beiden ältesten Vorzeige-Bands der "Bonehead"-Szene sind „Endstufe“ (Bremen) um Jens Brandt  und „Böhse Onkelz“ (Frankfurt/M.). In den letzten Jahren, insbesondere nach dem Mauerfall, sind sehr viele neue Bands dazugekommen, denen es scheinbar nicht mehr so richtig auf die Musik ankam, sondern nur noch darauf, daß die Texte extrem rechts genug waren. Sie veröffentlichen den Großteil ihrer Musik über sogenannte Demo-Kassetten.

»Hängt dem Adolf Hitler den Nobelpreis um...«, »Hißt die rote Fahne mit dem Hakenkreuz...«, »...laß die Messer flutschen in den Judenleib...«, »Der eine zieht sie2
durch, der andere setzt sich rauf...« sind nur einige Beispiele ihrer offen extrem rechten, antisemitischen, sexistischen und rassistischen Propaganda.

Eine vollständige Liste dieser Bands ist schwer aufzustellen, da die Bands erstens oft nur sehr kurzlebig sind, sich öfters umbenennen oder mit anderen Bands/Musikern Gemeinschaftsproduktionen unter einem anderen Namen herausbringen.

Mit einer gezielten Propaganda mach(t)en sie sich für die Medien interessant und wurden im Gegenzug durch diese bekannt gemacht. Wer kannte „Störkraft“ schon vor 1990? Nachdem sie als »böse Jungs« durch die Presse (u.a. Spiegel und Sat1) geisterten, kannte sie die halbe BRD. Eine andere Gruppe sind die Bands, die sich immer wieder als »unpolitische Bands« bezeichnen, dabei aber keine Probleme im Umgang mit Neonazibands/-kadern haben (z.B. „Boots&Braces“, „Springtoifel“ usw.). Auch in ihren Texten findet sich teilweise (extrem) rechtes und vor allem sexistisches Gedankengut. Sie werden in sämtlichen Neonazi-Zines angepriesen, was ihnen insofern vorgeworfen werden kann, daß sie sich nicht von diesen Veröffentlichungen distanzieren. 1987 erklärte Matthias Walz von "Boots & Braces" im Fanzine „Clockwork Orange": "„Nun, wir haben es schon oft gesagt und werden es auch immer wieder sagen:

Boots & Braces sind eine nationale, patriotische Band, ansonsten aber völlig unpolitisch
." Trotzdem traten "Boots & Braces" am 1. April 1989 in Mindelheim bei einem Konzert Neonazi-Skinhead-Bands wie "Commando Pernod", "Kahlkopf" und "Voll die Guten" auf. Am 20. April 1991 ("Hitler Geburtstag") waren sie sogar mit "Störkraft" in Ramsla/ Weimar zu Gast.

Liegt der Anteil von Frauen (Renees) in der "Bonehead"-Szene noch bei circa 10 Prozent (Vgl. Artikel im Antifaschistischen Infoblatt Nr. 22), so tendiert er bei den Bands selbst gegen Null. Mit viel (sexistischem) Spektakel hat die Düsseldorfer Bonehead-Musikzeitung »Moderne Zeiten« im Frühjahr dieses Jahres die erste deutsche Skingirl-Band mit Namen »Stöckel und Strapse« angekündigt. Nachdem die »Frontfrau« Monique Werner (inzwischen hieß die Band »Monique«) noch in der Juni/Juli-Ausgabe eine Studio-Platte ankündigte, ist es jetzt ruhig geworden. Schon damals meldeten sich die anderen Frauen (Ute, Ilona und Vanessa), die an dem Projekt angeblich beteiligt waren, nicht zu Wort. Jetzt wird verkündet, daß „Monique“ ein Split-LP mit Rainer Sebrecht- von der Band »08/15« (Düsseldorf), auch ein Flop von »Moderne Zeiten«, die lediglich ein Demo auf Reihe bekommen haben und sich dann auflösten - aufnehmen will, weil die anderen Frauen »ausgestiegen« seien. So ist zu vermuten, daß es diese Band als solche niemals gab. Ansonsten spielen noch sehr, sehr selten einzelne Frauen in den Bands mit - z.B. am Bass bei »Proissensoie«  jetzt »Bierpatrioten« (Berlin) oder bei »Kettenhund« (Ludwigsburg).

Extrem rechte Zines

Davon gibt es circa 30 in der BRD. Auch hier sind Unterschiede, speziell im geistigen Niveau und in der Offenheit der extrem rechten Ausrichtung zu erkennen. Die Zines machen den Zusammenhalt der Szene entscheidend mit aus, da man dort über die neuesten Vorgänge informiert wird. Sie sind meistens kopiert und ihre Auflagen liegen zwischen 50 und 1500 Stück. Viele Zines werden von (organisierten) Neonazis gemacht. So umgehen diese die vorhandenen Schwierigkeiten, "Boneheads" in ihre Parteien einzubinden. "Boneheads" legen viel Wert auf ihre Eigenständigkeit und lassen sich von den sogenannten »Partei-Affen« nicht gern etwas sagen. Auf diesem (Um-)Weg und mit einer bonehead-mäßigen Sprache und Umgehensweise wird so doch für Nachwuchs und Wählerpotential gesorgt.

Inhaltlich geht es größtenteils um Musik und gemeinsame Erlebnisse (Konzertberichte, Feten, Plattenrezensionen, Demonstrations-Teilnahmen). Neonazigedankengut fließt mehr oder weniger ständig in Form von einzelnen Äußerungen ein, größere politische Artikel hingegen finden sich nur in wenigen Zines. Einige der offen neonazistisch auftretenden Zines waren oder sind: „Volkstreue“ von Nicole Nowicki aus Recklinghausen, „Schlachtruf“ von Martina Janssen aus Freiburg, „Querschläger“ / „Frontal“ / „Moderne Zeiten“ von Andreas Zehnsdorf aus Essen / Düsseldorf, „Der Aktivist“ von Dieter Riefling aus Oer Erkenschwick, „Endsieg“ von Andreas Gängel aus Bruchsal, „Glorreiche Taten“ von Torsten Ritzki aus Heiligenhaus, „Der Skinhead“ von dem Kreis um Thorsten Winter  und Steffen R. aus Bremen, „Proißens Gloria“ von Markus D. aus Berlin, „United Skins“von Carsten Szczepanski aus Königs-Wusterhausen (inoffizieller Nachfolger des KKK-Fanzine »Foierkroiz«), „Sachsens Glanz“ von Michael Probst aus Lobstädt , „Angriff-Uslar“ von Andre Sacher aus Uslar, „Der Bewährungshelfer“ von Klaus Görtelmeyer aus Hann.-Münden.

Versände, Labels

Um Geld zu verdienen und da es zumindest teilweise noch Verkaufserschwernisse für extrem rechtes Musik-/Schriftgut gibt, braucht die Szene ihre eigenen Vertriebsstrukturen. Dies übernehmen z.T. sogenannte Versandlisten in den Zines oder eigene Versände (Mailorder). Sie vertreiben in erster Linie LPs/CDs/MCs, aber auch Zines, Bücher, T-Shirts. Oft gibt es personelle Überschneidungen zwischen Bands, Zines, Labels und Versänden, zumindestens hängt an jedem Label (Firma, die für die Produktion und Verbreitung von Platten zuständig ist) ein Vertrieb dran.

Die erzielten Gewinne fließen teilweise direkt in den Aufbau neonazistischer Strukturen. Besonderes die „Nationalistische Front“ (NF) hat ihre Finger beim „Endsieg“ / „ESV-Versand“ und -Label, „Donner-Versand“ und „Klartext-Versand“ drin. Herbert Egoldt (R-O-R) werden zwar direkte Kontakte zur Neonazi-Bewegung nachgesagt, andere Stimmen werfen ihm jedoch individuelle Bereicherung vor. Wenn es darum geht, Geld zu verdienen, tauchen sofort Konflikte auf. So halten es die Labels „Rock-O-Rama“ und „Skull-Records“ angeblich für unnötig, mit den bei ihnen unter Vertrag stehenden Bands Abrechnungen zu machen bzw. sich an geschlossene Verträge zu halten. Kaum ein Zine, in dem sich nicht irgendeine Band über die üblen Machenschaften dieser Labels beschwert. Wer ein Monopol hat, der nutzt es eben scheinbar auch aus- auch wenn es auf Kosten der eigenen Kameraden geht.

Die wichtigsten Labels und Versände, die die Szene bedienen sind: „Rock-O-Rama“ von Herbert Egoldt aus Brühl, „Skull-Records“ von Oliver Schaffelhuber und Roland Schaffelhuber-Eybach aus Geislingen-Steige / Bad Überkingen , „Deutscher Tonträger Vertrieb“, „ESV-Records“ / „ESV-Versand“ / „Endsieg“ um Andreas Gängel aus Bruchsal, „Dorfmusik“ / „MZ-Vertrieb“ / „Moderne Zeiten“ um Torsten Lemmer, Christian Eitel, Andreas Zehnsdorf, Manfred Rouhs u.a. aus Düsseldorf, „Ingo Nowotny Music Enterprises“, „Metal Enterprises“ und „Nowotny’s Noize“ von Ingo Nowotny aus Usingen, „Tonträgerproduktion“ / „Europa Vorn“ von Manfred Rouhs aus Köln, „Donner Versand“ von Harald Theodor Mehr und Stephan Haase aus Lüdenscheid, „Walzwerk-Records“ von Florian Walz und Matthias Walz (Boots & Braces) aus Braunsbach-Winterberg / Ingelfingen, (»unpolitischer« Vertrieb - u.a. von „Tonstörung“, 1991), „Dim Records“ und »Moloko Plus« von Ulrich „Uhl“ Großmann aus Eberdorf bei Coburg. (Das „Moloko Plus“ wurde 1993 u.a. von Torsten Ritzki, Stefan Spiller von „Voll Die Guten/V.D.G.“ und Ulrich „Uhl“ Großmann als „unpolitisches“ Fanzine gegründet.)

Internationale Verbindungen

Darauf möchten wir an dieser Stelle nur sehr kurz eingehen. Es gibt hervorragende Kontakte mit Bands, Zines und "Boneheads" aus dem westeuropäischen und nordamerikanischen Raum bis hin nach Japan. Besonders letztere werden nicht von der ganzen Szene mitgetragen, genau wie Kontakte nach Ost-Europa noch umstritten sind. Es findet ein regelmäßiger Austausch der Machwerke statt. Innerhalb des deutschsprachigen Raumes gibt es auch in dieser Szene keine Grenzen mehr. Feste Verbindungen und Organisierung gibt es über das "Blood & Honour"-Netzwerk.

Repression

Im Rahmen der Verbotswelle der letzten Zeit wurden eine Menge Zines und Platten von der zuständigen »Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Schriften« indiziert. Bei den Zines wurden in mehreren Fällen sogenannte Vorausindizierungen getätigt, sprich, jede neu erscheinende Ausgabe ist unabhängig vom Inhalt sofort auf dem Index. Wenn eine Platte oder ein Zine auf dem Index ist bedeutet das, daß sie nicht mehr über den Versand-Handel angeboten und vertrieben und keine sonstige Werbung dafür gemacht werden darf. Wenn sie im Laden verkauft wird, darf sie nicht sichtbar ausgelegt sein und nur an Personen über 18 Jahre abgegeben werden. Die Sachen können aber weiterhin von Hand zu Hand ganz legal verkauft werden (z.B. bei Konzerten, Feten), was neben den eigenen Versänden eine weitere wichtige Vertriebsmöglichkeit darstellt.

Bei der Musik kommt noch ein ganz anderes Kuriosum dazu: Gibt eine Band eine Platte heraus, erscheint sie heute fast immer als LP und als CD, teilweise noch als Kassette. Diese verschiedenen Tonträgerarten müssen alle einzeln indiziert werden. Nun ist es in mehreren Fällen so, daß z.B. die LP einer Band indiziert ist, die CD mit dem gleichen Inhalt aber nicht. Sie kann weiterhin völlig uneingeschränkt vertrieben werden, solange sie nicht extra indiziert wird.

Neben den Indizierungen gab es mehrere Verfahren gegen Bands oder Zines u.a. wegen »Volksverhetzung« und »Aufstachelung zum Rassenhass«. So soll gegen die Band „Radikahl“ um Manfred Wiemer (Nürnberg), Peter Übel, Thomas Schieder und Markus Kuttschinski ermittelt werden. Auch „Störkraft“ um Volker Grüner und Jörg Petritsch (Andernach), „Kraftschlag“ um Jens-Uwe Arpe und Oliver Klapmeier (Itzehoe), „Tonstörung“ um Thomas Muncke (Mannheim) hatten Gerichtsverfahren. Sie endeten in den meisten Fällen mit Geld- oder Bewährungsstrafen.

Die Band „Tonstörung“ um den 20jährigen Bandleader und Gymnasiasten Thomas Muncke sang: „Wetz dir deine Messer auf dem Bürgersteig, laß die Messer flutschen in den Judenleib“. Er wird mit weiteren Angeklagten auch der Mißhandlung von drei Afrikaner im badischen Brühl beschuldigt. Es gab für die fünf Musiker nur Bewährungsstrafen: Muncke stamme wie sein Bandkollege Michael Eichler - laut der Jugendgerichtshilfe - aus „gutsituierten Verhältnissen“. Die TAZ zitiert: Bei Beiden habe es sich um „jugendtypische Taten“ gehandelt, das Musizieren der Band sei „identitätsbildend und gemeinschaftsfördernd“ gewesen. Die Entpolitisierung erscheint zweifelhaft, der angebliche "Bandmanager" Achim P. soll immerhin ein Anhänger der "Blood & Honour"-Bewegung sein.

Diese ganzen Maßnahmen gegen einzelne Musikprojekte täuschen eine große Aktivität staatlicher Stellen vor, erzielen aber nur eine geringe Wirkung. Aus Erfahrung ist bekannt, daß indizierte Platten erst richtig attraktiv werden und somit einen höheren Absatz verzeichnen. Auf diesem Sektor ist somit mit solchen Maßnahmen nicht viel zu gewinnen. Viel mehr besteht aber ein Anliegen darin, von den tatsächlichen Strukturen abzulenken und somit kommt man auch drum herum, gegen diese etwas unternehmen zu müssen. Diese Indizierungs- und Repressionsmaßnahmen bewirken in den meisten Fällen, daß die Bands und ZineschreiberInnen "Kreide essen", ihre Unschuld beteuern und sich pauschal distanzieren, in wenigen Fällen lösen sie sich auf.

Die neue Platte von „Störkraft“ trägt z.B. den Titel: »Mordbrenner, ihr gehört nicht zu uns«. In mehreren Fällen wurden Plattencover von dem Label „Rock-O-Rama“ freiwillig selbst zensiert (ohne es mit den Band abzusprechen) oder Zine-MacherInnen zensierten Aussagen von Bands in Interviews mit Hilfe eines schwarzen Balkens so, daß alle wußten, was gemeint war, eine Repressionsmaßnahme für das Zine oder die Band aber nicht möglich war.

Eine besondere Maßnahme ist gegen „Rock-O-Rama“ gelaufen. Die GEMA (Gesellschaft für musikalische Aufführungs und Vervielfältigungrechte), bei der für alle erscheinenden Platten eine entsprechende Gebühr bezahlt werden muß, hat ein BRD-weites Produktionsverbot für R-O-R erlassen. Grund für diese Maßnahme ist nicht etwa deren extrem rechte Gesinnung, sondern einfach die Tatsache, daß "Herr E. Gold" die Abgaben an die GEMA gespart hat. Da es aber genügend Preßwerke außerhalb der BRD gibt, wird diese Maßnahme sicher keine allzu entscheidene Wirkung haben. Außerdem sind Preßwerke in Osteuropa sehr viel billiger, somit läßt sich dann noch mehr Geld verdienen.

  • 1Die Herkunft des Begriffes »Oi!« ist nicht genau zu belegen, er ist aber wahrscheinlich von einem Sampler (Platte mit Liedern mehrerer Bands) namens »Strength through joy« (Kraft durch Freude) abgeleitet. Er ist einer der Schlachtrufe in der Szene. So werden in der "Bonehead"-Szene, aber nicht nur dort, Wörter nunmehr mit »oi« statt »eu« geschriebene (z.B. Doitschland). Sprich, nicht alle, die diese Schreibweise verwenden sind Neonazis.
  • 2Frauen, Anm. der Redaktion