Skip to main content

Kurzmeldungen aus Berlin-West: Prozesse, SchülerInnen, Broschüren

MUN Ordner

Die „Vermummungsprozesse“ in Berlin-Moabit haben begonnen

Am Freitag, dem 24. Juli 1987, sollte an der Potsdamer Straße, vor dem Sitz der CAUSA, dem politischen Arm der MUN-Sekte / Vereinigungskirche von Sun Myung Moon eine Demonstration beginnen. Sie war gegen den für Anfang August geplanten „Weltstudentenkongreß“ der CARP gerichtet. Die „Collegiate Association for the research of principles“ (CARP) ist die Studentenorganisation der MUN-Sekte.

Die Demonstration konnte sich jedoch nicht einmal richtig in Bewegung setzen, als sie von starken Polizeieinheiten - darunter auch die als "Schläger" geltende „EX-Einheit“ - angegriffen wurden. Der Polizei gelang es nach brutalem Einsatz den Demonstrationszug zu spalten und den vorderen Teil einzukesseln. Als Vorwand für diesen Überfall wurde die Vermummung dieses Teils der Demonstration genannt. Alle Eingekesselten wurden festgenommen, einige dabei schwer misshandelt und nach Personalienfeststellung und Fotografieren auf die Gefangenensammelstelle in der Kruppstraße gebracht. Die letzten der Festgenommenen wurden sechs Stunden später von dort wieder entlassen.

Von den fast 150 Festgenommenen haben 38 bis jetzt ein Bußgeld in Höhe von 400,- DM wegen „Verstoß gegen das Versammlungsgesetz“ erhalten. Gegen zwei Personen wurde ein Verfahren wegen „Widerstand“ eingeleitet. Die meisten der Beschuldigten haben Widerspruch eingelegt. Die ersten Prozesse sind angelaufen.

Was sollte das alles? Der Angriff auf die Demonstration ist nur aus der vorangegangenen Entwicklung in West-Berlin zu verstehen. Die Kämpfe am 1. Mai hatten eine brutale Reaktion der Polizei auf Kreuzbergs Straßen zur Folge. Der Besuch des Kriegstreiber und Präsident Ronald Reagan aus den USA in der Stadt konnte nur militärisch gesichert im vom Senat gewünschten Rahmen ablaufen. Die aufgefahrene Polizeigewalt brachte vielen Menschen den unterdrückerischen Charakter nahe, den Kreuzbergern hautnah. Gleichzeitig gelang es dem Senat nicht das Desinteresse oder die ablehnende Haltung eines großen Teils der West-Berliner Bevölkerung an der Propagandaschau der 750-Jahr Feier in jubelnde Teilnahme zu verwandeln. Da es ihnen nicht gelungen war das Bündnis von Protest und Widerstand gegen den Reagan-Besuch zu spalten, mussten sie hinnehmen, dass auf der Demonstration ein großer und verteidigungsbereiter „revolutionärer Block“ durch die Innenstadt zog.

Dies wollte sie offenbar beim CARP-Kongreß verhindern und die politische Niederlagen wieder wettmachen. Auch bei der Mobilisierung zum CARP-Kongreß kam ein Bündnis von Protest und Widerstand zustande. Dieser Entwicklung versuchten sie auf zwei Ebenen zu begegnen.

Einmal täuschten sie im Vorfeld der Demonstration vor, dass sie rechtsradikale und antikommunistische Vereinigungen bekämpfen würden. Dadurch ist es dem Senat gelungen die Illusion zu erzeugen, dass der CARP-Kongreß bereits durch staatliche Maßnahmen verhindert sei. Die Grußadresse von Eberhard Erik Diepgen (CDU) an den CARP-Kongreß und die Teilnahme von Wilhelm Alexander Kewenig (CDU) an einer Tagung der ICUS (Wissenschaftsorganisation der MUN-Sekte) sollen hier als Gegenbeweise ausreichend sein.

Nachdem ihnen dieser erste Teil größtenteils gelungen war, konnten sie mit dem polizeilichen Angriff auf die Demonstration den zweiten Teil umsetzen: Die Spaltung zwischen den Menschen, die sich auch militant wehren wollten und denen die ihre Hoffnungen auf andere Wege setzen, Angst erzeugen und die Militanten in ihrer Überwachungsmaschine erfassen. Die jetzt stattfindenden Prozesse dienen dazu den Polizeiangriff auf die Demonstration juristisch zu rechtfertigen und dem Rechtsstaat genüge zu tun. Auch ohne das viel diskutierte „Vermummungsverbot“ bedeutet dies, das unter dem Vorwand der Vermummung Demonstrationen von der Staatsgewalt angegriffen werden. Diesem Ansinnen sollten wir gemeinsam auch auf der Straße begegnen.

Spandau, Neukölln, Steglitz

Am 14. November versammelten sich 150 SchülerInnen vor der Martin-Buber-Gesamtschule in Berlin-Spandau, um eine erwartete Verteilung der NF-Zeitung „Klartext“ zu verhindern.1
Drei Wochen vorher wurde diese Neonazi-Zeitung an der Carl-Diem-Schule in Berlin-Hakenfelde am Samstagmorgen verteilt. Da die die Neonazis der NF schon öfter Samstags vor Spandauer Schulen aufgetreten sind, mobilisierte die Schülervertretung der Martin-Buber-Schule. Sie verfasste einen „Klotext“, der über die Neonazi-Zeitung informierte. Trotz Nieselregen war eine gute Stimmung unter den SchülerInnen, doch die NF kam diesmal nicht. Die Neonazis sprühten jedoch am Wochenende Hetzparolen auf dem Schulgelände „an der Turnhalle hinterm Mülleimer“, um die SchülerInnen einzuschüchtern. Die Aktion der Schülerinnen war ein Erfolg, da sich so viele versammelt hatten, Öffentlichkeit hergestellt worden ist und es auf der Schule zum Gesprächsthema geworden ist.

Am Morgen des 16. November protestierten Schüler der Albert-Einstein-Oberschule in Berlin-Neukölln gegen Neonazismus. Grund dafür war die Versetzung eines 17-jährigen Schülers, der wegen Rechtsradikalismus vom Neuköllner Da-Vinci-Gymnasium geflogen war und an ihre Schule kommen sollte. Am Abend des 12. November fand in der Einstein-Schule eine Veranstaltung von den "Die Falken" dazu statt. Es waren vor allem zahlreiche Schüler der „Jungen Union“ (CDU) vertreten, die behaupteten, dass Rechtsradikalismus praktisch nicht existiere und auch in den Forderungen nach „Ausländerbegrenzung“ oder „4 Millionen Ausländer seien zu viel“ nichts Rechtsradikales zu entdecken sei. Einzelnen Gesprächen war zu entnehmen, dass „es biologisch beweisbare Unterschiede zwischen Ausländern und Deutschen“ gäbe. In einer Menschenkette der SchülerInnen wurden Transparente gehalten wie z. B . "Gegen Adolf für Albert" oder auch „Gegen Radikalismus und Extremismus“.

Eine Gruppe türkischer Jugendlicher gaben einem rassistischen Schüler der Friedrich-Bayer-Oberschule in Berlin-Steglitz massiv zu verstehen, dass sie auf seine ausländerfeindlichen Sprüche keine Lust haben. Andere wurden ebenfalls verletzt als sie ihrem „Kameraden“ zu Hilfe kommen wollten (laut „taz“ vom 6. November).

Neonazi-Schülerzeitung

Eine neue Neonazi-Schülerzeitung heißt „Denkzettel“, sie soll von acht SchülerInnen gemacht werden, die über Kontakt zur „Deutschen Jugendinitiative Berlin“ - einer Initiative von Neonazis aus der FAP und der NF - verfügen. Darauf wollen sie offenbar bei benötigtem Schutz für Verteilaktionen zurückgreifen. In vorsichtigerer Weise soll diese Zeitung SchülerInnen den Rechtsradikalismus nahebringen, so verzichten sie auf Hakenkreuze, haben dafür neben Buch und Platten-Tipps wieder ihre Lieblingsthemen wie „Rudolf Heß“, „Ausländer“ und so weiter in der Zeitung. An den Schulen regt sich nun der Widerstand gegen diese Neonazi-Propaganda. So sammelten die 7 bis 10-Klässler eines Steglitzer Gymnasiums Unterschriften gegen die Verteilung. Andere verteilten ein Gegenflugblatt an mehreren Wilmersdorfer Schulen. (Antifa-Jugendinfo)

Antifa-Broschüren zum Thema

Einige Broschüren zum Thema sind zu empfehlen.

- Nationalistische Front, Dokumentation über die NF, Antifaschistische Koordination Bielefeld 1987, 62 Seiten, 6,50 DM

- Die Republikaner, Bindeglied zwischen Konservativen und Faschisten, Volksfront, 1987, 24 Seiten, 3,50 DM

- TENO Schulung an technischem Gerät, Die Umtriebe der Wehrsportgruppe Jürgens, 16 Seiten, 2,50 DM

- Was ist revolutionärer Antifaschismus? Diskussion über Verbot und Zerschlagung der faschistischen Organisationen (BRD), 1987, 38 Seiten, 6,- DM

- Dr. Max Otto Bruker: Der rassistische Ernährungspabst, 28 Seiten, 3,- DM

- Schleichende Landnahme: Auffällige Gemeinsamkeiten des Berliner Landesschulrates Bath mit den Faschisten, Antifa-Jugendgruppe Berlin, 1987, 4 Seiten; 1,- DM

- Kampf der Wiking-Jugend, Reader über die WJ, 1987, 80 Seiten, 5,- DM

  • 1Seit 1985 als bundesweite Publikation der "Nationalistischen Front" (NF) herausgegeben, von 1981 bis 1985 war das eine Jugendzeitschrift der „Jungen Nationaldemokraten“ der NPD.