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Rechte Influencerinnen: Die Macht der Inszenierung

Kira Ayyadi (Gastbeitrag)
Einleitung

Einrichtungs-Inspiration, Kochrezepte, Beauty-Tipps, Landschaftsfotos des deutschen Waldes, im Dirndl vor den Alpen oder sexy räkelnd auf einem Motorrad. Frauen aus der (extrem) rechten Szene nutzen bewusst Plattformen wie Instagram, YouTube und Telegram, um ihr ultra-rechtes Weltbild, persönlich und emotional verpackt, vor einem großen, jungen Publikum zu verbreiten.

Symbolbild Influencerinnen
(Symbolbild: Montage aus Screenshot youtube und Foto Blake Patterson; CC BY 2.0 Deed)

(Symbolbild)

Viele dieser politischen Aktivistinnen haben auf Instagram mehrere tausend Follower*innen. Ein Vorstandsmitglied der „Jungen Alternativen“ (JA) Berlin, der Jugendorganisation der AfD, die vom Verfassungsschutz als rechtsextremer Verdacht­sfall geführt wird, berichtete gegenüber "Correctiv", dass der Landesverband 2020 mehr als die Hälfte seiner Neuzugänge über die Foto- und Video-Plattform gewinne.

Das Internet ist wohl der wichtigste Rekrutierungsort der (extremen) Rechten. Und in dieser heterogenen Szene weiß keine Gruppe besser, das Internet für die eigenen menschenfeindlichen Ziele einzusetzen, als die sogenannte „neue“ Rechte. Ihre Memes, Reels, Bilder und Videos sehen nahezu immer für das Medium entsprechend professionell aus. Aber auch die „alte“ Rechte, die klassische Neonazi-­Szene, gewinnt in den vergangenen Jahren deutlich an medialer Professionalität.

Die harte Kameradin

Weibliche Neonazi-Influencerinnen gibt es wenige im deutschsprachigen Raum. Und jene, die ebenfalls auf die Macht der Bilder auf YouTube, Instagram und TikTok setzen, betreiben kein Mimikry - im Gegensatz zu "neurechten" Influencerinnen.

Deutschsprachige Neonazi-Influencerinnen posten beispielsweise Bilder eines Reichsadler-Tattoos mit NS-Symbolik im Intimbereich oder tanzen zu menschenfeindlichen Songs der RechtsRockband „Die Lunikoff Verschwörung“. Die Inszenierung, die junge Neonazi-Influencerinnen verfolgen, ist das Bild der sexy, aber auch harten Kameradin, die den Männern in Sachen Gewalt und Zupacken in nichts nachsteht. Da diese Influencerinnen derart offen ihre neonazistische Ideologie zur Schau stellen, ist ihr Wirkungsgrad in Deutschland jedoch auch begrenzt. Ihre Zielgruppe sind gleichgesinnte "Kameraden". Hier geht es weniger um Rekrutierung, junger, unpolitischer Menschen für die Szene –  ganz im Gegensatz zu "neurechten" Influencerinnen.

Die sexy Kameradin

Daneben gibt es die Inszenierung der sexy Kameradin. Hier mischt sich oft die Inszenierung von Härte mit der Objektivizierung des weiblichen Körpers. Wenn sich diese eindeutig (extrem) rechte Influencerinnen wenig bekleidet auf einem Motorrad oder nackt im Bett räkeln, in Fetisch-Kleidung oder mit Waffen posieren, dient das fast ausschließlich dazu den Male Gaze, den männlichen Blick zu befrieden. Und auch die Followerschaft besteht zu großen Teilen aus männlichen Accounts. Diese Accounts, die stark mit weiblicher Sexualität kokettieren, sind oftmals nicht als so eindeutig (extrem) rechts zu identifizieren. Da muss man schon genau auf die Beschriftung der Kleidung, die Tattoos, den Schmuck, die Musik und den Text achten und ein wenig Kenntnis in (extrem) rechten Codes und Symbolen haben, um zu bemerken, dass es sich hier um Neonazi-Frauen handelt. 

Die Inszenierung von Mutterschaft

Noch mehr Versteckspiel betreiben (extrem) rechte und "neurechte" völkische Accounts. Erst bei genauem Hinsehen sind sie erkennbar einzuordnen. Häufig haben diese völkischen Profile einen klaren Themenschwerpunkt auf Mutterschaft und Familie. Dann geht es etwa um Themen, mit denen sich wohl die meisten Eltern auseinandersetzen: Stillen, Kinderschlaf, die Zubereitung von Beikost und gesunde Ernährung. Wissenschaftlich fundierte Medizin wird vollkommen abgelehnt. Vielmehr geben die Frauen Tipps, wie Krankheiten mit Wildkräutern und "Germanischer Heilkunde" begegnet werden kann.

Die Bilder auf diesen Accounts wirken in der Regel sehr professionell, meist in einer romantischen Ästhetik. Oft finden sich auf diesen Profilen Bilder davon, wie die Frau verträumt in einer weiten Blumenwiese sitzt oder wie sie unter einem blühenden Baum liebevoll ihr Kleinkind küsst. Farblich ist alles in Pastell und Naturfarben gehalten. 

Diese Frauen inszenieren sich als die perfekten „Insta-Moms“. All das soll dazu dienen, eine vermeintlich natürlich und traditionelle Lebensweise mit klar zugeordneten Geschlechterrollen zu propagieren. In Teilen überschneidet sich diese völkische Inszenierung mit dem generellen Trend zum bewussten Leben, Verzehr und Konsum.

Während man früher zu einem Erziehungsratgeber gegriffen hat, holen sich Eltern heute oftmals Rat bei sozialen Medien. Wenn sie via Hashtags nach beispielsweise schadstofffreier Ernährung suchen, können Eltern so recht einfach auf den Accounts von völkischen Frauen landen. Manchmal machen diese gleich noch Werbung für die eigenen Online-Shops, in denen sie Kräuter oder Bio-Produkte des eigenen Bauernhofs verkaufen. Viele dieser Profile kommen gänzlich ohne (extrem) rechte Symbolik aus. Das macht das Erkennen umso schwerer, zumal es auch unpolitische Accounts gibt, die mit derselben Ästhetik spielen und ihre „natürliche“ Lebensweise gekonnt in Szene setzen.

Die Darstellung völkischer und "neurechter" Frauen auf Social-Media passiert nicht zufällig, sondern mit Kalkül: Frauen werden weniger als Gefahr wahrgenommen, eher als nettes Mädchen von nebenan. Daher setzt die Szene junge Frauen gerne ein, um weitere Anhänger*innen für die eigene Sache zu gewinnen. So können Menschen, die keine Berührungspunkte zur (extremen) Rechten haben, mit ihr in Kontakt kommen. Der harmlose Schein der Frauen und ihre ästhetisierten Bilder sowie von heiler Natur und gestrigen Welten bieten Anschlusspunkte.

Die Inszenierung "neurechter" Frauen

In der (extrem) rechten Sphäre sind Frauen als Wortführerinnen eher eine Seltenheit, ob klassische Neonazi-Szene, „neue“ Rechte, völkische Bewegungen oder bei "Reichsbürger"*innen. Zur jeweiligen Ideologie gehört immer, dass Frauen sich dem Mann unterzuordnen haben, besonders in öffentlichen Räumen. Ihre Rolle begrenzt sich meist auf den Haushalt und die Familie. Sie sind für die Gefühlsarbeit und Kindererziehung sowie für die Moral zuständig, „das deutsche Blut reinzuhalten“. So finden sich in den Insta-Storys, die nach 24 Stunden automatisch gelöscht sind, etwa (Neo-)Nazi-Propaganda mit Aufrufen, „keine Rassenschande“ zu begehen und sich nur mit Weißen einzulassen.

Frauen übernehmen in der (extremen) Rechten unterschiedlichste Funktionen und Rollen, profitieren dabei aber von einer doppelten Unsichtbarkeit. Der gesellschaftlich verbreitete Stereotyp, Frauen seien grundsätzlich eher „friedfertig“ und „unpolitisch“, wird von (extrem) rechten Frauen bewusst bedient, denn es nutzt ihnen und ihrer politischen Arbeit. Beispiele wie die verurteile Rechtsterroristin und NSU-Kerntrio-Mitglied Beate Zschäpe und die Reichsbürger-Rädelsführerin Elisabeth R., die die Entführung von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach plante, zeigen jedoch, dass auch von extrem rechten Frauen Gewalt und Terror ausgeht.

Doch mit diesem militanten Bild wollen die vorwiegend jungen, "neurechten" Influencerinnen nicht in Verbindung gebracht werden. Sie präsentieren sich auf Instagram, TikTok und YouTube lieber als koch- und strickbegeisterte „Wifeys“ – perfekte Haus- und Ehefrauen. Viele solcher (extrem) rechten Profile sind auf den ersten Blick nicht auffällig. Erst bei genauerer Betrachtung und einer Hintergrundrecherche wird klar, dass es sich um rechte Propaganda handelt.

Moderner Feminismus sei „toxische Weiblichkeit“

Die rechten Influencerinnen stehen für ein durch und durch antifeministisches Weltbild: Der Feminismus hätte die heile Welt der traditionellen Familie und klassischen Geschlechterrollen zerstört. Er hätte Männer und Frauen zu Gegner*innen und letztere zu Opfern gemacht. Aktivist*innen der „neuen“ Rechten versuchen, die klassischen Rollenbilder zu rehabilitieren. Frauen sollen sich wieder darauf fokussieren, Kinder zu gebären, eine liebende Mutter und fürsorgliche Ehefrau sein und parallel dazu den Haushalt perfekt zu führen. Männer sieht dieses Geschlechterbild in der Rolle des Herrschers, Versorgers und Beschützers. In dieser heteronormativen Vorstellung ergänzen sich Mann und Frau, verhalten sich also komplementär zueinander. Eine männlich dominierte Gesellschaft wird als natürlicher Ur-Zustand begriffen.

Feministisch-emanzipatorische Errungenschaften sind für die extreme Rechte Auswüchse einer dekadenten Entwicklung der Moderne – oftmals geht das einher mit antisemitischen Verschwörungserzählungen. Weg von Demokratie und liberaler Vielfalt hin zu einem anti–modernen Weltbild, das zu großen Teilen aus Sexismus, Antifeminismus, Rassismus und Antisemitismus besteht.

Besonders jene Männer, die mit ihrer gesellschaftlichen Rolle in einer modernen Welt hadern, sind für diesen Antifeminismus anfällig. Sie sind verunsichert, da ihre jahrhundertelang geltenden Privilegien hinterfragt werden und sie jetzt fürchten, diese zu verlieren. 

Rassismus – „Verteidigt Familie und Vaterland gegen die Invasoren”

Ein zentrales Narrativ in der (extrem) rechten Propaganda ist es, Angst vor Migrant*innen zu schüren. Der „deutsche Volkskörper“ müsse vor den „fremden Invasoren“ geschützt werden. Rechte Propaganda versucht daher das Bild eines angeblich zu „sexuellen Übergriffen neigenden“ Geflüchteten und oder Migranten als Gefahr für „deutsche“ Frauen zu zeichnen. Ganz im Sinne eines klassischen Rollenverständnisses propagieren rechte Frauen, dass der Mann seine Männlichkeit wiederentdecken (die sei durch den Feminismus verloren gegangen) und „deutsche“ Frauen vor Migranten beschütze müsse.

Ähnlich funktioniert es auch auf einer anderen Ebene: Zunächst schöne Landschaftsbilder der „deutschen Heimat“ präsentieren, um im nächsten Augenblick zu imaginieren, diese Heimat sei durch Migrant*innen bedroht. Daher müsse sich jede*r zur Wehr setzen, um seine*ihre Heimat beziehungsweise Familie zu verteidigen. Daher richten sich die (extrem) rechten Influencerinnen eben auch an Männer. 

Die Frau als Bedrohung für die innere Sicherheit

Rechte Aktivist*innen schreiben Frauen Eigenschaften zu, die Frauen zu einer Bedrohung für die innere Sicherheit machen. Der Kopf der deutschsprachigen, extrem rechten „Identitären Bewegung“ (IB), Martin Sellner, behauptete in einem Interview von 2018 mit einer Antifeministin, Frauen seien zu emotional, um Politik zu machen. Die interviewte Frau, eine ehemalige IB-Influencerin, die sich mittlerweile etwas von der Szene gelöst hat, gab die perfekte Kronzeugin und bestärkte Sellner: Das weibliche Geschlecht sei schwach, das männliche stark und überlegen. Männer seien in Wirtschaft und Politik so erfolgreich, weil sie nicht so sehr von ihren Emotionen gesteuert seien. Frauen seien zu emotional, um gute Politikerinnen zu sein, vielleicht sogar um Wählerinnen zu sein - schließlich würden Frauen durch die Bilder der Flüchtlingskinder in den Medien manipuliert.

Von der Vorstellung einer Verweiblichung der Gesellschaft und eines angeblich um sich greifenden Feminismus, der den Mann klein halte, ist es kein weiter Schritt zur Vorstellung, dass die verweichlichte Männlichkeit zu einer Schwächung des Nationalstaats führe. Der norwegische Massenmörder von Utøya argumentierte in seinem Manifest genauso.

Die Entwicklung der "neurechten" Influencerinnen

Die erfolgreichsten (extrem) rechten Influencerinnen – gemessen an der Aufmerksamkeit und den Follower*innen – waren lange Zeit Aktivistinnen aus dem Netzwerk der sogenannten „Identitären Bewegung” (IB). Doch 2018 sperrte Facebook Seiten der IB auf dem sozialen Netzwerk sowie auf Instagram. Zumindest offizielle Accounts, die die „Identitäre Bewegung“ im Namen trugen, waren seither gesperrt. 2020 zogen Twitter und YouTube nach. Die IB suchte nach neuen Wegen ihre menschenfeindlichen Ideen unter die jungen Leute zu bringen. Sie setzte seither vermehrt auf Privataccounts.

Besonders die Frauen der ersten Generation IB (ca. 2012 bis 2019) sind kaum noch als Influencerinnen präsent. Einige von ihnen haben sich, nachdem sie Mütter geworden sind, ins Häusliche zurückgezogen, meist um sich nun voll und ganz auf die Rolle der Hausfrau und Mutter konzentrieren zu können. Die Radikalität der Jugend haben sie vermeintlich hinter sich gelassen – zumindest ist das die Inszenierung. Damit folgen "neurechte" Frauen der Tradition von Neonazi-Aktivistinnen: Auch bei ihnen war es so, dass nach der Zeit des öffentlichen Straßenkampfs mit dem Muttersein der Rückzug ins Häusliche kam. 

Dort wo die ultra-rechten IB-Frauen der ersten Generation auf ihre Art rebellisch wirkten, erscheinen die jetzigen Influencerinnen völkisch und bieder. Auch hier scheint es einen Trend zum Völkischen zu geben. An den Social-Media-Erfolg der ersten Generation kann die nachfolgende bisher nicht anknüpfen.

Reinhild Boßdorf: Die (neu)rechte Aktivistin

Der IB-Aktivistin Reinhild Boßdorf gelingt das aktuell noch am ehesten (4.000 Follower*innen auf Instagram). Sie postet Bilder von sich, auf denen sie mal Symbole der „Identitären Bewegung“ verbreitet, mal zum Kanal von „Lukreta“ verlinkt, einem Nachfolgeprojekt von „120db“. „Lukreta“ und „120db“ sind vornehmlich Frauenprojekte, die sich angeblich gegen sexualisierte Gewalt stark machen, allerdings nur solche mit muslimischen und oder migrantischen Tätern. 

Boßdorf nimmt eine zentrale Rolle bei „Lukreta” ein. Zudem ist sie sehr gut vernetzt in antifeministischen AfD-Netzwerken und tritt hier für das Thema „Feminismus von rechts” ein. In einem Beitrag im (extrem) rechten „Krautzone“-Magazin schrieb Boßdorf 2020 im Kampf der modernen emanzipierten Frau gegen das „vermeintliche weiße Patriachat“, bleibt jedoch ein „wichtiges und charakteristisches Merkmal“ auf der Strecke: „ihre Weiblichkeit“. Auch Boßdorfs Devise lautet also, der moderne Feminismus schade unserer Gesellschaft. Ihre Vorstellung von Gesellschaft ist dabei geprägt von völkischen und ethnozentristischen Ideen. 

Marie-Thérèse Kaiser: Die Schöne von der AfD

Boßdorf ist eng mit Marie-Thérèse Kaiser vernetzt. Auf Instagram hat sie zwei Profile mit über 20.000 Follower*innen. Auch sie kann als rechte Influencerin bezeichnet werden. 

Kaiser, Jahrgang 1996, tritt offen als AfD-Mitglied auf. Ihr AfD-Profil mit 15.000 Follower*innen wimmelt nur so von Share­pics der AfD, meist ist sie darauf abgebildet – als hübsches Gesicht der Partei. Sie ist Kreisverbandsvorsitzende der AfD in Rotenburg (Wümme) in Niedersachsen. Seit 2017 ist sie Parteimitglied. Mittlerweile arbeitet sie hauptberuflich beim Parlamentarischen Geschäftsführer der AfD-Fraktion im Deutschen Bundestag, Dr. Bernd Baumann. Im August 2023 wurde Kaiser wegen Volksverhetzung verurteilt, nachdem sie Afghanen pauschal als Gruppenvergewaltiger verunglimpft hatte.

Kaiser dient hier als ein Beispiel von vielen jungen, meist normschönen Parteisoldatinnen der Ultra-Rechten. Lange Zeit, so belegt es eine Datenanalyse von "Correctiv", spielt bei der Vernetzung der AfD/JA-Influencerinnen auf Instagram der Account des Fotografen Vadim Derksen, AfD-Funktionär aus Berlin, eine wesentliche Rolle. Nachdem dieser jahrelang Landschaftsaufnahmen veröffentlicht hatte, schwenkte er unter dem Label „Germanyspride“ auf Porträts von meist jungen Frauen um. Diese entsprechen nicht nur gängigen Schönheitsidealen, sondern haben beinahe alle Verbindungen in die rechte Szene, vor allem in die AfD und deren Jugendorganisation "Junge Alternativ" (JA). Zu sehen sind auf den Bildern zum Beispiel Marie-Thérèse Kaiser oder Mary Khan-Hohloch, von 2018 bis 2022 stellvertretende Vorsitzende der JA und mittlerweile mit dem Brandenburger AfD-Landtagsabgeordneten Dennis Hohloch liiert oder Lisa Lehmann, ehemals im Vorstand der JA Sachsen-Anhalt. Lehmann war die Lebensgefährtin des ehemaligen Vorstands der AfD Sachsen-Anhalt, André Poggenburg. Auch ihr Vater ist AfD-Politiker. Er gehörte von 2016 bis 2021 dem Landtag von Sachsen-Anhalt an. Zudem ist Lisa Lehmann Mitbegründerin des mittlerweile offiziell aufgelösten extrem rechten „Flügel“ und war Moderatorin bei einem extrem rechten Videoformat von „Compact“.

Charlotte Corday: Die Intellektuelle

„Herzlich willkommen auf meinem Kanal, der Ort auf dem sich Reichsbürger, Sugar-Daddys, Neonazis und meine Mutter am wohlsten fühlen. Ironie off”. So oder mit ähnlich „ironischen” Sprüchen beginnt die YouTuberin viele ihrer Videos. Die rechte Aktivistin Corday, bürgerlich Nina Charlotte Hörig, verfolgt eine andere Inszenierungs-Strategie als die Antifeministin Boßdorf oder die AfD-Frau Kaiser. Hörig bespielt einen Telegram- mit 4.500 und einen YouTube-Kanal mit knapp 24.000 Abonnent*innen.

Was Ellen Kositza (verh. Ellen Kubitschek, vormals verh. Ellen Schenke), Taktangeberin der „neuen” Rechten und Ehefrau von Götz Kubitschek, für ältere Generationen ist, soll Charlotte Hörig für jüngere Menschen sein: Eine der wenigen intellektuellen Frauen der "neuen Rechten". Genau wie Kositza veröffentlicht Hörig regelmäßig Videos, in denen sie Literatur bespricht und einigermaßen antiquiert und arrogant in die Kamera spricht.

In dem Video „Toxische Weiblichkeit vs. Heilende Weiblichkeit“ versucht Hörig etwa im belesenen und überheblichen Duktus ein Gegenstück zum Konzept der „toxischen Männlichkeit“ zu entwerfen. Nicht patriarchale Strukturen, Sexismus und Misogynie seien die Probleme, sondern der Feminismus. Schädliches, toxisches Verhalten beobachte Hörig viel häufiger bei Mädchen und Frauen als bei Männern. Sie behauptet hier, Frauen hätten alleine schon wegen ihrer (möglichen) Mutterrolle eine Machtposition in der Gesellschaft. Schließlich sei ihre Erziehung ausschlaggebend, wie sich die Söhne entwickeln würden. Moderne Feministinnen würden diese Mutter-Macht nicht anerkennen. Alles was das Leben einer Frau lebenswert macht, reduziert Hörig in diesem Video auf ihre Rolle als Mutter. Diese gebe Lebenssinn, weil sie mit „Aufopferungsbereitschaft und genuiner Liebe verbracht wurde“.  Auch Charlotte Corday, beziehungsweise Hörig, ist gut vernetzt in der Szene. 

Die Gefahr von rechten Frauen erkennen

Auffallend ist, dass (extrem) rechte Influencerinnen hauptsächlich zum Thema Feminismus sprechen, beziehungsweise diesen ablehnen, was wiederum mit einer generellen Ablehnung der Moderne einhergeht. Oftmals propagieren sie eine Wiederentdeckung der Weiblichkeit. Die Unterdrückung von Frauen im Patriarchat, ungleiche Machtverhältnisse, gar Machtmissbrauch werden klein geredet und lächerlich gemacht. Vielmehr wird behauptet, dass dies der natürliche Lauf der Dinge wäre.

Wobei das Themen-Spektrum der AfD-Frauen deutlich breiter ist. Schließlich werben sie für alle Anliegen der AfD. Von der Straßenkämpferin bis hin zur Business Women werden von AfD-Frauen zahlreiche Identifikationsrollen angeboten. Auch die Mutterrolle und gleichzeitig aktive Parteisoldatin stehen hier nicht im Widerspruch.

"Neurechte" Influencerinnen bieten über ihre Social-Media-Präsenzen ein spezielles Angebot für junge Menschen. Oftmals verwenden sie jugendsprachliche Slangs und Codes und geben sich online unpolitisch und hip. Dabei ist es wichtig zu betonen, dass es Influencerinnen für verschiedene (extrem) rechte und demokratiefeindliche Zielgruppen gibt. (Extrem) rechte Frauen, die sich entweder als niedliches Mädchen von Nebenan, als fürsorgliche Mutter mit traditioneller Lebensweise oder als nettes Gesicht der AfD inszenieren, sind allesamt Aktivist*innen für das politische Vorfeld. Sie sollen Hass, Hetze und Menschenfeindlichkeit normal erscheinen lassen. Genau wie auch klassische Influencer*innen haben auch diese (extrem) rechten Medienaktivistinnen eine Rolle geschaffen, die sie bespielen.

Auffällig ist dabei die gute Vernetzung der Akteurinnen untereinander. Einige YouTube-Videos "neurechter" Frauen und Bilder auf Instagram sind in der Vergangenheit in Kooperation mit dem extrem rechten Medienteam von „EinProzent” entstanden. Hauptakteure sind ehemalige IB-Kader. So sind etwa Marie-Thérèse Kaiser und Lisa Lehmann die Gesichter des Hetz-Video-Formats „Wir klären das“, welches in „enger Zusammenarbeit“ mit „EinProzent“ produziert wird.

Generell fällt auf, dass die "neurechten" Frauen immer wieder in (extrem) rechten Szene-Medien auftauchen. Was wiederum auf die starke Vernetzung hinweist. Zudem gibt es für die "neurechte" Szene verschiedene Workshop Angebote, auch dafür, wie man als Aktivist*in Social Media zu bespielen habe.

Es stellt sich die Frage, ob diese "neurechten" Accounts von Frauen tatsächlich organisch entstanden sind, oder ob sie nicht zu großen Teilen der völkisch-männlichen Ideologie der "neuen Rechten" entstammen und von Männern konzipiert wurden?

Die "neue Rechte" und die AfD haben begriffen, dass sie neues Personal besser mit Menschen erreichen, als mit der Präsentation der eigenen Organisation oder Lesekreisen. Private Accounts geben sich persönlich, zeigen ästhetische Bilder oder berichten in Instagram-Storys aus dem Alltag. Rechte Ideologie wird so als gewöhnlicher Life­style verharmlost. Das ist vielleicht die größte Gefahr.

(Überarbeiteter Textauszug aus der 2024 erscheinenden Broschüre zu Frauen und Rechtsextremismus der „Amadeu Antonio Stiftung“.)