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Von Ökobauern und Artamanen

Einleitung

Anfang Februar 2007 berichtete die Presse in Mecklenburg-Vorpommern von einem weiteren Versuch der NPD, sich über eine Podiumsdiskussion zum Thema »Gentechnikfreie Regionen« ein bürgerliches Image zu geben. Protagonist in dieser Geschichte war Helmut Ernst, Öko-Bauer aus Koppelow bei Krakow am See. Er ist nicht nur Mitglied der NPD, sondern auch Mitinitiator einer völkisch-bündischen Gruppe, die sich seit Anfang der 1990er Jahre in der Umgebung von Koppelow niederlässt.

Jan K. (rechts) trat am 8. Mai 2005 bei der »Aktion Gedenkzug« in Berlin an die Öffentlichkeit.

Die Gruppe

Koppelow liegt in der Nähe von Krakow am See im Landkreis Güstrow, mitten in Mecklenburg-Vorpommern. Die Gegend ist verlassen - dünn besiedelt und sehr idyllisch. Wie in vielen Teilen dieses Bundeslandes ziehen die meisten jungen Leute weg in strukturstärkere Gegenden. Die Abgeschiedenheit war nicht der einzige Entscheidungsgrund der Gruppe für diesen Ort. Viel wichtiger war, dass Koppelow in den 1930er Jahren von Artamanen1 besiedelt worden ist. Die damals im »Bund Artam e.V.« organisierten freiwilligen Landdienstleistenden völkischer Gesinnung hatten ein bankrott gegangenes Gut aufgekauft und einzelne kleine landwirtschaftliche Betriebe darauf errichtet.

1992 wandte sich die Gruppe um Helmut Ernst mit der Bitte um Unterstützung des »Konzeptes Koppelow« zunächst an den »Freundeskreis der Artamanen«. 1962 gegründet, sieht sich der Freundeskreis als Behüter des Erbes der historischen Artamanen der 1920er und 1930er Jahre. In »Artam-Blätter eines Freundeskreises«, ihren Rundbrief, wird das Vorhaben so beschrieben: »Geplant ist eine organisch wachsende Siedlung kulturbewußter Menschen im Herzen Deutschlands.« Ihre Bewohner wollen »artgemäßes Leben nicht nur als Freizeitbeschäftigung pflegen, sondern »die Lage in unserem Land (der Welt!), sowie die Umweltsituation als Herausforderung betrachten«.

Ob und in welcher Form das Vorhaben unterstützt wurde, haben die sonst so akribischen Schreiber der Artam-Blätter nicht mitgeteilt. Jedoch berichten sie 1994: »Zwei dieser jungen Männer haben inzwischen den Mut gefasst, als Zeichen der Verbundenheit mit unserer Artamidee, auf unserer Artam-siedlung in Koppelow, Land zu erwerben und somit den Artamgedanken weiter zu tragen.« Es sind Helmut Ernst und Huwald Fröhlich. In den folgenden Jahren wächst die Gruppe stetig. Dazu kommen Gunn-Heide B., die Huwald Fröhlich heiratet, Ulrich Damm und seine Schwester nach Kölln, die Familie K. nach Klaber und die Familie H. nach Mieckow. Laut dem 2005 in der »Jungen Freiheit« erschienen Artikel gehören auch 12 Kinder zu diesen Familien. Die meisten der rechten Gruppenmitglieder kommen aus Niedersachsen, Hamburg und Schleswig-Holstein. Den Artam-Blättern ist zu entnehmen, dass die anfängliche Gruppe im »Freibund« organisiert war.

Der 1958 gegründete völkische Jugendverband orientiert sich unter anderem an der bündischen Jugendbewegung und ist vor allem in der politischen Jugendarbeit mit Kindern und Heranwachsenden kontinuierlich tätig. Die Struktur der Gruppe ist informell. Es bestehen zahlreiche familiäre Verknüpfungen. Sie selbst beschreiben sich als »lockere Gemeinschaft« mit »ganz formlosen Strukturen, die in keiner Satzung festgeschrieben sind«. Sie wollen, so die »Junge Freiheit«, »der Gegend um Koppelow ihren Stempel aufdrücken«. Auffällig ist ihr stetiger Versuch sich als Fortführer der Artamidee zu manifestieren. So rufen sie am Ende des Artikels zum »Siedeln auf den Spuren der Artamanen« auf.

...und ihre Mitglieder

Huwald Fröhlich ist Händler für ökologische Baustoffe und Baumpfleger. 1995 veröffentlichte er in dem von Andreas Molau herausgegebenen Buch »Opposition für Deutschland« einen Beitrag. Andreas Molau ist stellvertretender Chefredakteur des NPD-Organs »Deutsche Stimme« und wissenschaftlicher Berater der NPD-Fraktion im sächsischen Landtag. Huwald Fröhlich beteiligte sich am 8. Mai 2005 gemeinsam mit Jan K. am NPD-Aufmarsch in Berlin.

Helmut Ernst, Ökobauer, sei NPD-Mitglied und Vertrauter des NPD-Fraktionschefs im Schweriner Landtag Udo Pastörs, teilte die Ostseezeitung am 3. Februar 2007 mit. Er war Sprecher und Koordinator der »Gentechnikfreien Region Nebel/Krakow am See«. Die NPD-Zeitung »Deutsche Stimme« veröffentlichte im September 2006 ein Interview zu diesem Thema, das unter anderem Andreas Molau führte.

Jan K., verheiratet mit Gerhild H., stammt aus Lüneburg und betreibt eine Schmiede auf dem ehemaligen Gutshof in Klaber, 16 km östlich von Koppelow. Über die Volkshochschule Güstrow bietet er Kunstschmiedekurse an. Seine Schmiede diente als Ausstellungsraum während »Kunst offen«, einer jedes Jahr zu Pfingsten in der Mecklenburgischen Schweiz stattfindenden Kunstschau. Organisiert wird »Kunst offen« vom Tourismusverband Mecklenburgische Schweiz. An den Ausstellungsobjekten waren zahlreiche germanische Runen zu finden, genauso wie an Alltagsgegenständen des Kunstschmieds. Eine Nähe zur NPD demonstrierte Jan K. beim NPD-Aufmarsch am 8. Mai 2005 in Berlin. Am gleichen Tag beteiligte er sich an der »Aktion Gedenkzug«. Als Flüchtlinge verkleidet und mit Mehl gepudert zogen Jan K., Helmut Ernst und einige andere durch das Fest am Brandenburger Tor. Auf der Homepage zu dieser Aktion ist zu lesen, dass es sich um eine »Unabhängige Initiative von Studenten und Schauspielschülern« handelt, deren Teilnehmer sich aus Freundeskreisen und dem familiären Umfeld rekrutierten. Die Teilnehmer waren neben einigen Redaktionsmitgliedern und Autoren der Jungen Freiheit vor allem Anhänger des völkisch-bündischen Freibundes.

Ulrich Damm ist in die ehemalige Wassermühle in Kölln 4 km nordwestlich von Koppelow gezogen. Er betreibt ein Heuhotel und verkauft ökologisch erzeugte Lebensmittel. Damm war Sprecher und Kontaktperson bei der Vorstellung des »Konzeptes Koppelow« beim Freundeskreis der Artamanen.

Fazit

Das Außenbild dieses Personenkreises ist geprägt vom engagierten Öko-Bauern oder dem Kunstschmied mit Aussteigerhabitus, das wenn überhaupt eher links statt rechts geprägt ist. Sie betreiben ein Bio-Café, veranstalten Kunstausstellungen oder bieten Volkshochschulkurse für Schmiedekunst an. Man ist Mitglied einer Bürgerinitiative gegen Gentechnik und referiert zum gleichen Thema auch bei linken Gruppen. Man hat sich mit seinen Familien eingerichtet und ist angekommen in der dörflichen Gemeinschaft. Doch die Realität sieht anders aus. Die Positionierung am rechten Rand des politischen Spektrums stellt hierbei für diesen Kreis keinen Widerspruch dar, sondern passt als aktuelle Ausdrucks- und Lebensform in das Weltbild der Rechten. Eine fehlende Kritik der Öffentlichkeit macht dies bisher möglich. 

  • 1Die Artamanenbewegung wurde 1924 gegründet und war ein Sammelbecken unterschiedlicher rechtskonservativer Strömungen. Die drei wichtigsten Eckpunkte waren die völkische Ideologie, die Politik des nach Rekonstruktion ihrer verloren gegangenen gesellschaftlichen Position trachtenden Junkertums und die Ideale der bündischen Jugendbewegung. Sie hatte einen nicht zu unterschätzenden Einfluss auf die Entwicklung und den Erfolg des Nationalsozialismus in Deutschland. Bekannte Mitglieder der Artamanenbewegung waren Heinrich Himmler, SS-Reichsführer, Richard Walter Darré, »Reichsbauernführer« und Reichsminister für Ernährung und Landwirtschaft und Rudolf Höß, Kommandant des Vernichtungslagers Auschwitz.