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Verfahren gegen SS-Aufseher Malloth eingestellt

Einleitung

Dem ehemaligen SS-Oberscharführer Anton Malloth wird die Mißhandlung und Ermordung von Gefangenen im Gestapo-Gefängnis »Kleine Festung« Theresienstadt vorgeworfen. Das der NS-Verbrecher bis heute von Strafverfolgung verschont wurde, liegt am Umgang deutscher Behörden mit dem Fall. In der Tschechischen Republik würde der heute 87jährige dagegen vor Gericht gestellt.

Bild: Faksimile Aufruf der Jüdischen Historischen Documentation Linz

Kein Prozeß in Deutschland

Anton Malloth, Mitglied der SS und des SD, wurde schon 1948 von einem außerordentlichen tschechoslowakischen Gerichtshof in Abwesenheit zum Tode verurteilt. Vorgeworfen wird ihm die Mißhandlung und Ermordung von Gefangenen im Gestapo-Gefängnis »Kleine Festung« Theresienstadt. In dem Urteil wird Malloth als »einer der grausamsten und gefürchtetsten Aufseher« beschrieben. An 750 Morden soll er zumindest beteiligt gewesen sein. Ehemalige Häftlinge bezeichnen Malloth als »ungewöhnlich erfinderisch beim Foltern« und als »Bestie«. Der NS-Verbrecher ist in Österreich zur Fahndung ausgeschrieben und steht auf der UN-Kriegsverbrecherliste, der »United Nations War Crimes Commission« (UNWCC). 1968 wurde das tschechische Todesurteil annulliert und Malloth hätte einen neuen Prozeß zu erwarten. Aber bislang waren die deutschen Behörden nicht bereit den staatenlosen Rentner, der in einem Pullacher Altenheim lebt, auszuliefern.

Ein mehr als 30 Jahre andauerndes Ermittlungsverfahren in der Bundesrepublik wurde nun erneut eingestellt. Bereits Anfang 1990 hatte der ermittelnde Staatsanwalt Klaus Schacht Malloths Verteidiger Klaus Goebel mitgteilt, das er die Verfahren gegen Malloth bis auf einen abgetrennten Tatkomplex (Finkelgrün) eingestellt habe. Die fehlende Einstellung verfügte er jedoch bereits Mitte März 1990.

»Kein Interesse an einer gründlichen Ermittlung«

1989 erstattete Peter Finkelgruen, Strafanzeige gegen Malloth. In seinem Buch »Haus Deutschland oder die Geschichte eines ungesühnten Mordes« beschuldigt er den SS-Mann, seinen Großvater Martin Finkelgrün ermordet zu haben. Peter Finkelgruen, der in Tschechien ehemalige Häftlinge der »Kleinen Festung« Theresienstadt aufsuchte, fand auch Zeugen, die auf Fotos seinen Großvater als eines der Opfer Malloths wiedererkannten und über ihre Aussagen eidesstattliche Versicherungen abgaben.

Der Oberstaatsanwalt Klaus Schacht von der zuständigen "Zentralstelle für die Bearbeitung nationalsozialistischer Massenverbrechen" in Dortmund ging jedoch kaum auf diese Bemühungen ein. Finkelgruens Anwälte reichten daraufhin Dienstaufsichtsbeschwerde ein. Darin heißt es u.a.: »Soweit ersichtlich, sind nicht einmal Anstalten gemacht worden, den Augenzeugen in Anwesenheit eines ermittelnden Staatsanwalts von den tschechischen Behörden vernehmen zu lassen. Eine Journalistin soll Herr OstA Schacht auf telefonische Anfrage sinngemäß dahingehend beschieden haben, er sähe keinen Anlaß, tätig zu werden, da er den Zeugen ... nicht glaube«. Anfang August 1988 soll er in einem Telefonat mit einem italienischen Staatsanwalt aus Bozen eine Auslieferung Malloths abgelehnt haben. Malloth war zuvor in Meran verhaftet worden. Doch Schacht sah keinen dringenden Tatverdacht und keinen Haftgrund vorliegen.  

1990 wurde das Verfahren vorerst eingestellt. Statt Malloth verfolgte Schacht nun seine Kritiker. Von Finkelgruen forderte er den Widerruf einiger Passagen seines Buches und ein Schmerzensgeld von 5000,- DM. Den Publizisten Ralph Giordano, der Schacht 1993 als «emotionslosen Ochsenfrosch« bezeichnet hatte, »dem die Untat ins Gesicht geschrieben stand« verklagte Schacht. Auf öffentlichen Druck zog er seine Anzeige aber wieder zurück, weil er befürchtete der Prozeß würde »zu einer Art Abrechnung mit der deutschen Justiz über die Verbrechen der NS-Zeit« werden. Im gleichen Jahr wurde das Ermittlungsverfahren gegen Malloth wieder aufgenommen. Allerdings ohne sichtbare Ergebnisse. Als das Verfahren im Juni 1999 nun wohl endgültig eingestellt wurde, warf die Landtagsabgeordnete Brigitte Schumann Oberstaatsanwalt Schacht vor, er habe »kein Interesse an einer gründlichen Ermittlung gezeigt«. Akten seien ignoriert und Zeugen nicht gesucht worden. Ähnliche Kritik äußerte auch Jaroslava Novotna, Staatsanwältin bei der obersten Staatsanwaltschaft in Prag, die nun ein neues Strafverfahren gegen Malloth eröffnen will und glaubt zu anderen Ergebnissen kommen zu können als die Dortmunder Zentralstelle. »Wir haben sogar zwei Zeugen festgestellt, die bisher nicht gut verhört wurden«, sagte sie der ARD.

Oberstaatsanwalt Hermann Weissing verteidigt hingegen das Vorgehen der Zentralstelle. Malloth seien die unverjährten Mordtaten nicht »eindeutig zuzuordnen« gewesen. Es hätte nur dann eine Chance bestanden ihn rechtlich zur Verantwortung zu ziehen, »wenn er viele Jahre früher für die deutschen Ermittlungsbehörden greifbar gewesen wäre«. Gutachten stellte eindeutig fest, daß Malloth die deutsche Staatsbürgerschaft nicht besaß. Demnach hätten ihm schon 1957 keine Ausweispapiere ausgestellt werden dürfen.

»Stille Hilfe« in Deutschland

Malloth hätte durchaus für die Behörden greifbar sein können, aber auch in der Vergangenheit hatte sich die Dortmunder Zentralstelle nicht übermäßig engagiert. Widersprüchlichkeiten und Ungereimtheiten reichen zurück bis in die Nachkriegszeit. Bis 1973 galt Malloth bei der Zentralstelle als tot. Danach war die Ermittlung seines Aufenthaltsortes trotz angeblich »umfangreicher Nachforschungen« nicht möglich. Dabei hätten es die Ermittler nicht sonderlich schwer gehabt. Nachdem es Malloth nach 1945 erst gelungen war sich zu verstecken, saß er zum Zeitpunkt, an dem das tschechische Gerichtsurteil gefällt wurde in österreichischer Auslieferungshaft. Die Ratskammer des Landgerichtes Innsbruck entschied sich 1949 jedoch gegen die Auslieferung und ließ den NS-Verbrecher frei.

Malloth ging zurück nach Südtirol und erlangte die italienische Staatsbürgerschaft, die ihm 1956 jedoch aufgrund seiner NS-Vergangenheit wieder aberkannt wurde. Dem nun Staatenlosen stellte das deutsche Bundesverwaltungsamt 1957 einen Heimatschein aus und später erhielt er einen Reisepaß, in den als Wohnort Meran eingetragen wurde. Beim deutschen Generalkonsulat in Mailand wurde der Paß mehrfach verlängert, zuletzt 1973 mit einer Gültigkeitsdauer bis 1978. Erst 1973 informierte das Auswärtige Amt dann auch die zuständigen Justizbehörden.

Zwei Jahre zuvor hatte der NS-Verfolgte Wilhelm Stiebel aus Innsbruck auf eine Bitte tschechischer Widerstandskämpfer den Wohnort Malloths herausgefunden. »Zehn Minuten habe ich damals, 1971, gebraucht, um herauszufinden, wo er in Meran als Vertreter für deutsche Firmen lebt.« erklärte Stiebe gegenüber der Presse. Seine Meldung blieb jedoch folgenlos, obwohl Malloth seit 1958 in Österreich wieder zur Fahndung ausgeschrieben war. Wenngleich die Zentralstelle angeblich nicht wußte, wo Malloth sich befand, so wußte dieser vermutlich recht genau, was in der Zentralstelle vor sich ging. Nach 1973 mied er das Generalkonsulat und ließ seinen Paß nicht mehr verlängern. Die italienischen Behörden schoben ihn daher 1988 in die Bundesrepublik ab. Für einen Haftbefehl sah die Dortmunder Zentralstelle jedoch keinen Anlaß. Der Transport von Meran nach München erfolgte per Flug. Damit wurde eine Festnahme in Österreich verhindert, wo im Gegensatz zu Deutschland ein Haftbefehl bestand.

In München übernahm schon bald die Hilfsorganisation für NS-Verbrecher "Stille Hilfe für Kriegsgefangene und Internierte e.V." um Adelheid Klug die Betreuung des SS-Mannes. Dies wurde sogar öffentlich in Rundbriefen der "Stillen Hilfe" berichtet. Ausgerechnet Gudrun Burwitz, eine Tochter des Nazi-Führers Heinrich Himmlers, die auch zu den »altgedienten Mitgliedern« der mittlerweile verbotenen WIKING JUGEND gezählt wird, besorgte ihm einen Platz in einem Pullacher Seniorenheim und besucht Malloth wöchentlich. Bei einem Treffen der "Stillen Hilfe" in Rotenburg soll sie Ende April 1989 über den Fall Malloth berichtet haben.

Behördlicher Schutz vor Auslieferung

Nach den lückenhaften Ermittlungen der Dortmunder Zentralstelle und der Einstellung des Verfahrens 1999, wäre eine Auslieferung an die Tschechische Republik die letzte Möglichkeit Malloth vor ein Gericht zu bringen. Nach § 16 Grundgesetz darf ein Deutscher jedoch nicht an das Ausland ausgeliefert werden. Der Frage der Staatsbürgerschaft kam darum besondere Bedeutung zu. Wieder bedurfte es einer privaten Initiative. Ein von Peter Finkelgruen in Auftrag gegebenes Rechtsgutachten stellte eindeutig fest, daß Malloth die deutsche Staatsbürgerschaft nicht besaß. Demnach hätten ihm schon 1957 keine Ausweispapiere ausgestellt werden dürfen. Der 1912 geborenen Anton Malloth optierte als Südtiroler zwar 1939 für das großdeutsche Reich und erhielt dadurch die deutsche Staatsbürgerschaft. Als Südtiroler war es ihm dann aber 1949 möglich durch eine Reoption als »Antonio Malloth« wieder die italienische Staatsbürgerschaft zu erlangen. Voraussetzung war allerdings ein Verzicht auf die deutsche Staatsangehörigkeit. Erst 1956 wurde ihm die italienische Staatsbürgerschaft wieder aberkannt, da SS-Angehörigen ab dem Dienstgrad eines Unteroffiziers von der Reoption ausgeschlossen waren. Damit war Malloth staatenlos. Obwohl dies aus den italienischen Akten eindeutig hervorging, stellte das Münchener Kreisverwaltungsreferat 1988 erneut die deutsche Staatsbürgerschaft Malloths fest und verhinderte damit die Möglichkeit einer Auslieferung. Erst 1998 wurde die Paßbehörde vom bayrischen Innenministerium angewiesen den deutschen Ausweis einzuziehen. Obwohl nun der Weg für eine Auslieferung frei wäre, mauern die Behörden weiter. Ein Jahr nach der Einziehung des Passes teilte die Bundesjustizministerin mit, daß erst nach Abschluß des eingeleiteten Verwaltungsverfahrens und eines sich daran möglicherweise anschließenden gerichtlichen Verfahrens über eine Auslieferung entschieden werden könne. Nun wird es darum gehen die Frage zu klären ob dieses Verfahren in Bezug auf eine Auslieferung aufschiebende Wirkung hat, sonst ist zu befürchten, daß Malloth weiterhin Zeit gewinnt.

Dabei geht es weniger darum den 87jährigen seiner gerechten Strafe zuzuführen, als vielmehr um die Wiederherstellung der Würde der Opfer. Peter Finkelgruen befürchtet eine neue »Theresienstadtlüge«: »Mit der nunmehrige Einstellung des Verfahrens, das dreieinhalb Jahrzehnte gedauert hat, ist die Grundlage gelegt für die Feststellung, es hatte in der "Kleinen Festung Theresienstadt" keinen einzigen von der deutschen Justiz verfolgbaren Fall von Mord gegeben

(Literatur: Peter Finkelgruen: "Haus Deutschland oder die Geschichte eines ungesühnten Mordes", Reinbek 1994.)