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Unter falscher Flagge

Einleitung

Im thüringischen Neustadt hat sich die Gaststätte Menfis zu einem Kristallisationspunkt der RechtsRock-Szene entwickelt. Nach außen hin versucht man den Eindruck von unpolitischer Skinhead-Kultur zu erwecken, tatsächlich aber geben sich dort »unpolitisch« rechte und neonazistische Bands und Fans die Klinke in die Hand. Um das subkulturelle Deckmäntelchen zu bewahren und um die Polizei auszutricksen werden neonazistische Bands unter falschem Namen ange­kündigt. Polizei und Verfassungs­schutz scheinen damit überfordert.

Im RechtsRock-T-Shirt auf der Bühne. Konzert »One Year Menfis« am 1. Juli 2006

Das »Skinhouse« Menfis

Das Menfis in Neustadt an der Orla, einer 9.000-Einwohner-Stadt 20 Kilometer südöstlich von Jena, bietet eine Kneipe mit Bar und Tresenraum sowie einen Veranstaltungssaal für circa 300 Personen. Das Menfis existiert schon einige Jahren als Veranstaltungsort für Punk- und Oi-Konzerte, in dem sich die Auftritte rechter und »eher unpolitischer« Bands lange Zeit die Waage hielten. Dies änderte sich im Sommer 2005: »Ab 14. Juli 2005 übernimmt OIOI-VATER das MENFIS!« heißt es auf der Menfis-Website. Mit der Übernahme durch »OIOI-Vater« Andreas Bicker, genannt »Bigge«, wurde der Takt rechter und extrem rechter Konzerte deutlich erhöht.

Nun spielten auch Kategorie C (Bremen), Get Out (Belgien), The Jinx (Schweden) oder am 19. November 2005 die finnische Band Mistreat. Diese positioniert sich mit einem CD-Cover kämpfender SS-Männer sowie Liedern wie »Born to be white« oder »Fourth Reich« eindeutig neonazistisch. Solche Lieder präsentierten sie Konzertberichten zufolge auch bei ihrem Auftritt im Menfis: »Das ganze Konzert über wurde vom Publikum lautstark ›We΄re ready‹ gefordert. Ich dachte eigentlich, das sie es nicht spielen würden, da das Konzert halt gewisse Auflagen hatte. (...) Am Ende spielten sie es aber doch und da da rastete man vor der Bühne komplett aus und brülle den Refrain der Band entgegen« heißt es in einem Konzertbericht im Thüringer Fanzine Stolz & Stil.

Der Refrain des Liedes lautet »Hey Nigger! We're ready, when you are? Hey Nigger! You won't get far!« Doch damit hatte das Konzert noch nicht einmal seinen extremsten Ausdruck erreicht, laut Bericht »bestiegen nun unsere Freunde aus Jena, Hannes, Conny und Hendrik die Bühne und gaben ihren ersten Auftritt.« Sie waren »verflucht geil und man tanzte auf der Bühne. Der Rest drängelte ebenfalls nach vorn um Hymnen wie ›Kraft für Deutschland‹ oder ›Back with a bang‹ zu schmettern. Eine absolut fantastische Stimmung im Saal. Am Schluß gab's dann noch mal ein böses Freikorps Lied bei dem ich die meisten Leute sah und auch welche die sich wahrlich bemühen mussten die Sonne NICHT zu grüßen. Leider mußte die Band ohne Namen danach die Bühne verlassen, da’s wohl doch zu böse war.«

Der Auftritt von Mistreat wurde öffentlich thematisiert, der SPD-Abgeordnete Gentzel stellte sogar eine Kleine Anfrage im Thüringer Landtag. Auch wenn aus der Antwort auf diese hervorgeht, dass der VS in Thüringen dieses Konzert nicht als rechtsextrem einschätzte, beschloss man im Menfis offensichtlich, in Zukunft etwas »geschickter« vorzugehen.

Versteckspiel

Die Bands »Skinheads come back – Alldeutsch voran«, Bootboys Jena und Roimkommando kündigten Flyer für den 19. August 2006 im Menfis an. Vor allem der Name der ersten Band ließ aufhorchen, denn eine Band dieses Namens war bislang unbekannt und nun sollte sie als Headliner spielen? In der Szene jedoch konnte man sich zusammenreimen, wer da spielen würde: »Alldeutsch voran« ist der Titel der 2005 erschienenen CD der Baden-Württemberger Neonaziband Kommando Skin, welche auch mit drei Liedern auf dem letztes Jahr erschienenem Sampler »The Skinheads come back« vertreten ist. Zu Konzertbeginn machten schon mal die »Fans« der Bootboys Jena Stimmung: »SS – SA – Die Bootboys sind da« schallten die Rufe aus dem Publikum. Die Bootboys Jena coverten nachfolgend vor allem Lieder bekannter Neonazibands. Auch Roimkommando entpuppte sich als Coverband; bevor sie »Schwarze Division« von Stahlgewitter spielten, forderten sie das Publikum auf »die Hände unten zu lassen«. Als Hauptband spielte tatsächlich Kommando Skin vor den circa 80 Besuchern.

Die geringe Besucherzahl schien dem Umstand geschuldet, dass viele die chiffrierte Bandankündigung doch nicht verstanden. Für ein Konzert am Wochenende darauf fuhr man deshalb zweigleisig. Das Menfis kündigte öffentlich und im Internet die Bands »You better think twice« und »Verfolgt und Gejagt« an, in der Neonaziszene kursierten identisch gestaltete Flyer mit den echten Bandnamen: Faustrecht aus Bayern und Donnerhall aus Salzgitter. Auch hier waren die angeblichen Bandnamen zuvor veröffentlichte Lied-Titel. Eintrittskarten zu diesem Konzert waren nur im Vorverkauf zu erwerben. Man wollte keine ungebetenen Gäste.

»Way of Life«, Spaßkultur und Politik

Wer meint, das Menfis sei eine lokale Randerscheinung im Thüringer Hinterland, verkennt die Ansprüche, die der Laden für sich selbst formuliert. Mit der Selbstbenennung als »Skinhouse« stellt sich das Menfis in einer Reihe mit gleichnamigen Kneipen in Italien und Griechenland, die sich jeweils bemühen, unter dem Label von Skinhead-Subkultur eine Schnittstelle zwischen spaßorientiertem »Way of Life« und neonazistischer Organisierung zu etablieren. Großes Vorbild für das Menfis scheint die Kneipe »De Kastelein« im belgischen Brügge zu sein, die seit 1998 als wichtigster Treffpunkt der rechten Skinhead- und Oi-Szene im Benelux-Bereich gilt. Dort spielen einerseits internationale RechtsRock-Größen wie Endstufe (Bremen), Avalon (England), Legittima Offesa (Italien) oder auch der Ian Stuart-Weggefährte Stigger (England). Der überwiegende Teil der Konzerte wird jedoch von Bands gespielt, welche sich nach außen »unpolitisch« generieren, deren Nähe zur rechten Szene jedoch unverkennbar ist – sei es durch das Covern von Liedern extrem rechter Bands oder weil sie immer wieder zusammen mit neonazistischen Bands auftreten.

Zwischen dem »De Kastelein« und dem Menfis scheint es mehr als eine ideelle Verbundenheit zu geben: Seit Sommer 2006 wirbt das Menfis auf seinen Flyern und im Internet für das »De Kastelein«. Betrachtet man die Liste der Bands die im »De Kastelein« spielten, so fällt auf, das eine ganze Reihe davon ebenfalls im Menfis auftraten – deutsche RechtsRock-Bands wie Brachial (Niedersachsen), Bombecks (Thüringen), Schusterjungs, The Backstreet Firm (Niedersachsen) sowie die niederländischen Bands Get Out und After the Fire.

Nichts hören, nichts sehen, nichts sagen

Im Frühjahr hatte das AIB in einem RechtsRock-Jahresrückblick (AIB # 71) darauf hingewiesen, dass im Bundesland Thüringen die meisten neonazistischen Konzerte aufgelöst wurden. Da sich dieser Trend auch im Jahr 2006 fortsetzte, musste sich die Thüringer Szene etwas einfallen lassen. Obwohl das bloße Umdeklarieren neonazistischer Konzerte zu angeblich unpolitischen Events und das damit verbundene Versteckspiel um Bandnamen nicht allzu pfiffig und zudem leicht durchschaubar ist, war es bislang erfolgreich. Bei den Konzerten mit Kommando Skin und Faustrecht, die ohne Wenn und Aber als lupenreine Neonazikonzerte zu werten sind, war weder Polizei vor Ort, noch tauchen diese in den monatlichen Berichten des thüringischen Verfassungsschutzes auf.