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Udo Ulfkotte: Wenn ein rechter Autor auf kritische Besucher trifft

Jonas Fedders
Einleitung

Udo Ulfkotte war früher einmal ein angesehener Mann. Viele Jahre lang arbeitete er als Politikredakteur bei der FAZ, er galt als Experte für Sicherheitsmanagement. Irgend­wann fing er an, vor einer „Islamisierung“ zu warnen.

V.l.n.r.: Die NPD-Aktivisten Jagsch und Lachmann sowie der Publizist Udo Ulfkotte beim Bürgerstammtisch der AfD in Dietzenbach.

Mittlerweile veröffentlicht er in regelmäßigen Abständen verschwörungstheoretische Bestseller über „gekaufte Journalisten“ und die „Asylindustrie“ im rechtsesoterischen Kopp-Verlag aus Rottenburg am Neckar. Auf Facebook hetzt Ulfkotte gegen „Invasoren“, „Asylforderer“ und die „Lügenpresse“; mit seinen Beiträgen und Publikationen erreicht er zehntausende Menschen. Udo Ulfkotte ist also so etwas wie ein Star in der islamfeindlichen und verschwörungstheoretischen Szene.

Für unfreiwilliges Aufsehen um seine Person sorgten jedoch die Vorkommnisse vor gut eineinhalb Jahren, als Ulfkotte einen Vortrag bei einem „Bürgerstammtisch“ der "Alternative für Deutschland" (AfD) im südhessischen Dietzenbach hielt. Ein paar linke Aktivist_innen mischten sich bei der besagten Veranstaltung unter die Zuhörer_innen und störten den Vortrag, indem sie "Bullshit-Bingo" spielten: Bei bestimmten Begriffen — „Gender“, „Lügenpresse“, „Islam“ — gab es einen frenetischen Applaus, sodass Ulfkotte seinen Vortrag teilweise kurz unterbrechen musste. Die Stimmung unter den anwesenden Sympathisanten der AfD wurde von Mal zu Mal aggressiver. Irgendwann wurde es Ulfkotte dann zu viel: Er ging auf einen 15-jährigen „Störer“ zu, es kam zum Gerangel, am Ende lag der Jugendliche auf dem Boden. Neben Ulfkotte standen während dieses Vorfalls die Neonazis Daniel Lachmann und Stefan Jagsch, die damals den Landesvorstand der hessischen NPD bildeten. Lachmann stand dicht hinter Ulfkotte, während Jagsch versuchte, die Dokumentation des Vorfalls zu verhindern, indem er in die Kamera eines Fotografen griff.

Der Jugendliche kündigte nach der Attacke eine Strafanzeige gegen Ulfkotte an. „Einfach geil, wenn er mich angezeigt hat, dann habe ich seine Adresse... Suuupii... Da freuen sich schon einige andere mit!“, schrieb Ulfkotte daraufhin bei Facebook. Später ruderte er zurück und versuchte, den drohenden Unterton seiner Äußerung zu verharmlosen: Über die Personalien des Jugendlichen freue er sich nur, weil er „die Störer dann von weiteren Veranstaltungen mit mir für die Zukunft ausschließen lassen“ könne. Den Vorwurf, dass er den jungen Mann in irgendeiner Weise angegriffen habe, bestritt er vehement: Er habe lediglich „einen der Störer nach einer erfolglosen Aufforderung zum Verlassen des Saales an den Schultern gefasst, um ihn zum Verlassen des Raumes aufzufordern“. Der Teenager habe sich dann „sofort fallen gelassen“, so Ulfkotte.

Viele Medien berichteten über den Vorfall, teilweise bundesweit. Ulfkotte hatte daraufhin angekündigt, „gegen einen ganzen Sack Journalisten zivil- und strafrechtlich (…) wegen deren verlogener und nachweislich unwahrer Berichterstattung“ vorgehen zu wollen. Dass er, ein Bestsellerautor, einen Minderjährigen attackiert haben soll, wollte er so nicht stehen lassen. Und so hagelte es Abmahnungen, einstweilige Verfügungen und Unterlassungsklagen gegen mehrere Medienhäuser. „Das gibt zwar ne Menge Kostennoten, Anwaltsrechnungen etc. — aber den Vertretern der ‚Lügenpresse‘ muss man einfach mal zeigen, dass erfundene Berichterstattung in Deutschland aus der Sicht der Bevölkerung noch immer ‚Märchen‘ heißt und nichts mit der Informationspflicht zu tun hat, die Medien hier immer noch haben“, schrieb Ulfkotte zu seinen angeblich selbstlosen Beweggründen. Einer Zeitung diagnostizierte er „nach Rücksprache mit den Juristen“ gar, bald „bankrott“ zu sein, „und die Journalisten stehen auf der Straße als Folgen der Lügen über Udo Ulfkotte“.

Am 21. Juli 2016 erging nun ein Urteil in mindestens einer dieser Angelegenheiten. „Habe vor dem Frankfurter Landgericht mehrere Prozesse gegen ‚renommierte‘ Lügenmedien gewonnen, schreibe die Tage ausführlich darüber“, verkündete Ulfkotte kurz darauf großspurig bei Twitter. Nach diesen ausführlichen Worten über seinen juristischen „Erfolg“ sucht man seitdem vergebens. Vielleicht liegt es daran, dass er sich das Urteil mal etwas genauer angesehen hat. Denn da steht zwar in der Tat, dass Ulfkotte den Jugendlichen definitiv nicht an den Haaren gezogen hat und es auch nicht erwiesen sei, dass er den Teenager durch seine Handlung verletzt hat. Die Zeitung wurde also dazu verurteilt, diese unwahren bzw. nicht beweisbaren Tatsachenbehauptungen nicht zu wiederholen. Ulfkottes Klage hatte in diesen Punkten Erfolg. In dem Urteil steht aber auch, das Gericht sei zu der Überzeugung gelangt, dass Ulfkotte auf der AfD-Veranstaltung „den Jugendlichen attackierte, am Kragen packte, an die Wand drückte und zu Boden warf“. Diese Aussagen darf die Zeitung folglich auch weiterhin über Ulfkotte tätigen. Dass ein solches Ergebnis kaum ein besseres Licht auf ihn wirft, dürfte auch Ulfkotte klar sein. Vielleicht ist deshalb die Prahlerei über seinen juristischen Rundumschlag einer peinlich berührten Stille gewichen.

Auch die strafrechtlichen Ermittlungen gegen Ulfkotte wegen Nötigung gingen für ihn zwar glimpflich, aber nicht ohne Beigeschmack aus. Das Verfahren wurde Ende Mai 2016 gemäß Paragraph 153a der Strafprozessordnung gegen eine Geldzahlung in Höhe von 1.000 Euro eingestellt. Obwohl eine Einstellung wegen erwiesener Unschuld anders aussieht, besteht die Unschuldsvermutung weiter fort: Ulfkotte ist der Straftat nicht überführt worden und gilt dementsprechend als unschuldig. Gleichwohl ist für eine Einstellung nach dieser Vorschrift ein hinreichender Tatverdacht gegen den Beschuldigten vonnöten. Soll heißen: Hätte Ulfkotte sich mit der Zahlung der Geldauflage nicht einverstanden erklärt, hätte die Staatsanwaltschaft Anklage gegen ihn erhoben – und es wäre zu einer öffentlichen Gerichtsverhandlung gekommen.

Für Ulfkotte war das juristische Nachspiel also vor allem eine ziemlich teure Angelegenheit: Neben der Geldauflage fallen für ihn Anwaltsgebühren und im Falle der zivilrechtlichen Auseinandersetzungen auch die Hälfte der Gerichtskosten an. Ein juristischer Sieg auf voller Linie sieht anders aus. Über all das liest man von Ulfkotte allerdings nichts. Aber Verschwörungstheoretiker pflegen naturgemäß auch eher ein taktisches Verhältnis zur Wahrheit.

(Dieser Artikel erschien in leicht abgewandelter Form zuerst bei „Netz gegen Nazis“ am 11. Oktober 2016. Udo Ulfkotte verstarb am 13. Januar 2017.)