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Thinktank der »Islamkritik«

Einleitung

Die Bürgerbewegung Pax Europa

Maßnahmen gegen »den Islam« und gegen Muslime haben Konjunktur in (West)-Europa. Auch in Deutschland ist der antimuslimische Rassismus auf dem Vormarsch, wie die von Thilo Sarrazin angestoßene und von Medien und Politik dankbar aufgegriffene »Integrationsdebatte« zeigt. Eine Gruppierung, die weniger Aufsehen erregt, der man aber im Milieu der sogenannten »Islamkritiker« um den Weblog PI-News (siehe AIB 82), die PRO-Bürgerbewegungen (siehe AIB 81) und die neu gegründete Partei »Die Freiheit« immer wieder begegnet, ist die »Bürgerbewegung Pax Europa« (BPE).

"Geert Wilders"-Solidaritäts-Kundgebung der rechtspolpulistischen "Bürgerbewegung Pax Europa" im März 2010 vor der Niederländischen Botschaft in Berlin.

Rassisten als Stichwortgeber

Die BPE tritt nach eigener Aussage »für europäische Werte und Freiheiten«, die »Bewahrung der christlich-jüdischen Tradition« und der »europäischen Kultur« sowie »gegen Islamisierung« ein. Gegründet wurde sie im Mai 2008 in den Räumen der Diözese Würzburg als Zusammenschluss der Vereine »Pax Europa e.V.« und »Bundesverband der Bürgerbewegungen e.V.« (BDB).1 Sie hat ihren Vereinssitz in Wetzlar und zählt nach Eigenangaben momentan rund 800 Mitglieder.2 Derzeitiger Vorsitzender des Vereins ist Willi Schwend, Unternehmer aus dem baden-württembergischen Wertheim und vor der Fusion Vorsitzender von BDB. Schwend war Wortführer einer Bürgerinitiative gegen einen geplanten Moscheeneubau in Wertheim.3

Der Vorgängerverein Pax Europa wurde im Dezember 2006 in Königswinter gegründet. Bei der ersten ordentlichen Mitgliederversammlung im Juni 2007 in Bonn wurde der Publizist Udo Ulfkotte (siehe AIB 85) in den Vorstand gewählt. Er verließ die BPE Ende 2008 wegen eines »zunehmend extremistischen Kurses«. Er bezog sich auf im Internet veröffentlichte Postkartenmotive, die Muslime als Schweine, Pädophile und Terroristen darstellten.4 Dieser Abgrenzungsbedarf gegenüber einem »extremistischen« Kurs erstaunt insofern, als dass Ulfkotte MigrantInnen als »Wohlstandsvernichter« bezeichnete, »Rückführungsbeauftragte statt Integrationsbeauftragte« forderte und prognostizierte, dass »möglicherweise (…) ja bald schon nicht nur Wahlplakate von Politikern an Laternenpfählen hängen«.5

Neben Ulfkotte wurde bei dem Bonner Treffen Rainer Glagow zum Vorstandsmitglied gewählt. Der im Juli  2010 verstorbene Islamwissenschaftler war Vize-Direktor des Deutschen Orient-Instituts in Hamburg und bis 2006 Leiter des Berliner Hauptstadtbüros der CSU-nahen Hanns-Seidel-Stiftung. Angesichts solcher Mitstreiter ist der politische Einfluss der BPE nicht zu unterschätzen. Dafür spricht auch, dass sich Ulfkotte und Schwend in einem Anschreiben an die Mitglieder im April 2008 damit brüsteten, die CSU-Fraktion im bayerischen Landtag habe auf ihrer Klausurtagung in Wildbad Kreuth »mit unserer Hilfe« einstimmig ein Positionspapier verabschiedet, das »in nahezu allen Teilen wörtlich den veröffentlichten Positionen von Pax Europa und BDB entspricht.«6

Ein weiteres prominentes Mitglied der BPE ist Rainer Grell, ehemaliger Ministerialrat im baden-württembergischen Innenministerium und Leiter der Abteilung Staatsangehörigkeitsrecht. Grell konzipierte den »Gesprächsleitfaden für Einbürgerungswillige«, der bundesweit als »Muslimtest« bekannt wurde.

Zwischen Bürgerlichkeit und Volksverhetzung

Die BPE tritt regelmäßig mit Veranstaltungen und Kundgebungen in Erscheinung, so u.a. am 3. Oktober 2010 unter dem Motto »Für Demokratie und Menschenrechte – gegen freiheitsfeindliche Ideologien« auf dem Potsdamer Platz in Berlin. Bei dieser Gelegenheit trat die österreichische »Islamkritikerin« Elisabeth Sabaditsch-Wolff auf, gegen die in Österreich ein Ermittlungsverfahren wegen Verhetzung (ähnlich der Volksverhetzung in Deutschland) anhängig war. Das BPE-Mitglied war mit Äußerungen wie »Moslems töten oder vergewaltigen Kinder wegen der Religion« oder »Wir werden alle tagtäglich von den Muslimen belogen, weil das ihre religiöse Pflicht ist.«7 aufgefallen. Sabaditsch-Wolff trat mehrmals bei Tagungen der OSZE für die BPE als »Vertreterin der Zivilgesellschaft« auf. Zu den Tagungen reiste sie auf dem Ticket der »International Civil Liberties Alliance (ICLA)«. Die ICLA ist ein virtuelles Netzwerk so genannter »Islamkritiker« aus Europa und den Vereinigten Staaten. Neben der BPE sind dort beispielsweise die »English Defence League«, »PI-News« und das österreichische »Mission Europa Netzwerk Karl Martell« vernetzt.

Abgrenzung von PRO

René Stadtkewitz, ehemaliges Mitglied der CDU-Fraktion im Berliner Abgeordnetenhaus, ist Gründer des Berliner Landesverbandes8 und Mitglied des Bundesvorstands der BPE.9 Stadtkewitz ist in Berlin zu lokaler Bekanntheit gelangt, weil er sich gegen den Willen der Landes-CDU an die Spitze der Proteste gegen einen Moscheeneubau im Bezirk Pankow gestellt hatte. Im September 2010 gründete er die Partei »Die Freiheit«, nachdem er wegen seiner Einladung des holländischen Rechtspopulisten Geert Wilders zu einer Rednerveranstaltung nach Berlin aus der CDU-Fraktion ausgeschlossen worden war.

Anders als zur »Die Freiheit« geht die BPE zu den PRO-Bewegungen auf Distanz. Die mühsam aufrechterhaltene Seriosität und Politikfähigkeit mag man nicht zugunsten einer Kooperation mit der als extrem rechts geltenden Truppe opfern. Der altgediente und über landespolitische Erfahrung verfügende BPE-Funktionär Stadtkewitz mit besten Kontakten in die Hauptstadt-CDU erhält natürlich den Vorzug gegenüber den mehr oder weniger dilettantisch agierenden PRO-Bewegungen. Die Abgrenzung zu PRO wird so zum Lackmustest der Loyalität. So trat das Bundesvorstandsmitglied Wilfried Puhl-Schmidt Anfang Oktober 2010 zurück, weil er selbst auf einer PRO-Deutschland-Kundgebung in Berlin ein Transparent der BPE gezeigt hatte. Zur Begründung seines Rücktritts behalf er sich mit der Erklärung, er »möchte keiner Bewegung, wie z.B. Pro-Deutschland und anderen, die am rechten Rand der Bevölkerung fischen, eine Gelegenheit geben, die BPE mit in ihr Boot zu ziehen.«10

Ausblick

Schon die obige Aufzählung von FunktionärInnen der BPE zeigt auf, dass diese Gruppierung keine Splittergruppe randständiger »Extremisten« ist. Im Gegenteil: Ihre Positionen treffen auf Zustimmung in der Mitte der Gesellschaft und ihr Personal rekrutiert sich aus etablierten Vertretern des bürgerlichen Lagers. Ob ihre Strategie des nur notdürftig als »Islamkritik« getarnten Rassismus jedoch langfristig Erfolgsaussichten hat und holländische Verhältnisse vor der Tür stehen, ist noch nicht ausgemacht. Die »Integrationsdebatte« in Folge der Veröffentlichung von Thilo Sarrazins Buch »Deutschland schafft sich ab« hat den »Islamkritikern« jedenfalls eine ungeahnte Aufmerksamkeit für ihre rassistischen Positionen verschafft und es liegt an ihnen, sich das gesellschaftliche Klima realpolitisch nutzbar zu machen. Ihre Politikfähigkeit wird sich an der Frage entscheiden, ob ihnen der Spagat zwischen Anschlussfähigkeit ins bürgerliche Lager und unverhohlener rassistischer Hetze à la PI-News weiterhin gelingt und ob dieses Milieu einen charismatischeren Führer als den blassen Hinterbänkler Stadtkewitz hervorbringt.