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Täter feiern nicht ungestört I

Einleitung

Seit über 50 Jahren findet im bayerischen Mittenwald ein Pfingsttreffen des »Kameradenkreises der Gebirgstruppe« statt. Mit der »Gebirgsdivision I«, einer ehemaligen Einheit der faschistischen Wehrmacht, versammeln sich Jahr für Jahr mehrere tausend Militaristen auf dem Bundeswehrgelände am Hohen Brendten zum Gedenken an gefallene Gebirgsjäger beider Weltkriege. Neben schweizer oder österreichischen Krieger-Kameradschaften, z.T. geschmückt mit Nazi-Orden, finden sich hier auch Kränze des Verteidigungsministeriums. 

Bild: attenzione-photo.com

Mitglieder der Ordensgemeinschaft der Ritterkreuzträger (OdR) legen im Mai 2005 in Mittenwald einen Kranz nieder.

Edmund Stoiber, Kameradschaftsmitglied, ehemaliger Gebirgsjäger und jetzt CDU/CSU Kanzlerkandidat, nannte diesen Schulterschluss im vergangenen Jahr eine »unangreifbare Traditionspflege«.1 Dass die so geehrte Einheit aktiv an Naziverbrechen und der Ermordung tausender Menschen in Griechenland, Italien, Jugoslawien und Polen beteiligt war, stört auch die Bundeswehr nicht. Truppen der 1. Gebirgsdivision ermordeten beispielsweise im September 1943 auf der griechischen Insel Kephalonia bei einer Racheaktion mindestens 4000 italienische Kriegsgefangene. Beim diesjährigen 45. Treffen in Folge war Stoiber jedoch auf dem »Tag der Sudetendeutschen« und unabkömmlich.

Schade, denn am Pfingstsamstag tauchten unerwartet ca. 50 AntifaschistInnen beim Schweinebratenessen der Gebirgssoldaten auf und störten deren Kameradschaftsabend mit einer Gedenkminute für die Opfer der Gebirgsjäger und zeigten Schilder, auf denen die Orte der Kriegsverbrechen standen. Die so direkt angesprochenen Veteranen und aktive Bundeswehrsoldaten gingen mit Schlägen, Tritten, Stühlen und Krücken auf die Antifas los. Anschließend nahm ein Großaufgebot der Polizei 56 Personen in einer Jugendherberge bis Pfingstmontag in Arrest und erließ ein polizeiliches Demonstrationsverbot. So konnten ehemalige Soldaten der Wehrmacht und Angehörige der Bundeswehr in trauter Eintracht ungestört feiern. Das Vorstandsmitglied des 8.000 Mitglieder zählenden Kameradenkreises, Harald Rettelbach, (ex-Direktor des Nato-Pressezentrums in Brüssel) erklärte dazu: »Soll ich etwa die verdammen, die mir das Handwerkszeug beigebracht haben?« 

  • 122.5.02 »Pfingsttreffen der Gebirgsjäger im Zeichen des deutschen Militarismus«, Ulrich Sander, Junge Welt.