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Synergie-Effekte? Die »Neue Rechte« und die »Synergies Européenne«

Einleitung

Der Zusammenschluss von Gruppen der sogenannten »Neuen Rechten« soll Synergie-Effekte hervorbringen. Er zeigt aber auch Schwächen und die schwindende Bedeutung des Spektrums. Für den 15. bis 17. März und den 26. bis 28. April diesen Jahres hat die deutsche Sektion der »Synergies Européenne« ihre Frühjahrstagungen im Raum Osnabrück angekündigt.

Bild: attenzione-photo.com

Die rechte Wochenzeitung Junge Freiheit repräsentiert eine Mischung aus klassischen rechten Positionen, Rechtskonservatismus und »Neuer Rechten«.

Der Begriff »Neue Rechte« bezeichnet eine Strömung der extremen Rechten, die nach der Wahlniederlage der NPD Ende der 60er Jahre in parteipolitischem Engagement keine Perspektive mehr sah. Stattdessen sollte das Auftreten und Erscheinungsbild der extremen Rechten modernisiert werden. Dazu gehörte auch, sich nicht mehr auf Hitler oder andere führende Personen des Faschismus zu beziehen, sondern auf Vertreter der sogenannten »Konservativen Revolution«. In dieser Strömung der 20er Jahre waren die Ideen und das Weltbild der extremen Rechten angelegt. Ihr Wirken war konstitutiv für den Faschismus, trotzdem konnte sie nach 1945 nur bedingt durch ihre Verstrickung in Nationalsozialismus stigmatisiert werden. Die Gruppen der »Neuen Rechten« bildeten keine Parteien, sondern orientierten sich organisatorisch an der außerparlamentarischen Opposition der Linken.

Nicht Wahlen waren ihr erklärtes Ziel, sondern die Beeinflussung des sogenannten »vorpolitischen Raumes«, der Kultur und des geistigen Überbaus. In ihrer Entwicklung orientierten sich die deutschen Gruppen an der französischen »Nouvelle Droite« von Alain de Benoist und deren wichtigster Organisation GRECE (Groupement de recherche et d'etudes pour la civilisation européenne - Forschungs- und Studiengruppe für die europäische Zivilisation). Die Hochzeit ihres Wirkens und Einflusses lag in den 70er Jahren, als sie tatsächlich in den öffentlichen Diskurs eingriff und zumindest punktuell an die neuen sozialen Bewegungen anknüpfte. In den 80er Jahren differenzierte sich die »Neue Rechte«, deren klassische Organisationen wie das Kasseler »Thule Seminar« oder das nationalrevolutionär orientierte Zeitungsprojekt »Wir Selbst« fast in Bedeutungslosigkeit versanken. Die aus diesem Bereich stammende »Junge Freiheit« suchte dagegen zunehmend eine realpolitische Orientierung im Spannungsfeld zwischen dem rechtem Rand der CDU und den »Republikanern«.

Die Abspaltung von Synergon

International führte die schwindenden Bedeutung zu Streit und Auseinandersetzungen über den weiteren politischen Kurs. 1993 verließ der Belgier Robert Steuckers die GRECE. Er kritisierte die fehlende geopolitische Orientierung1 und mangelnde »verfassungsrechtliche Alternative«2 . Steuckers gründete mit weiteren Abtrünnigen die »Synergies Européenne« (Europäische Synergien), die sich auch »Synergon« nennt. Die inhaltliche Ausrichtung verdeutlichte die Charta, in der die »Schaffung einer Synergie selbstbewußter Kräfte zur Umsetzung der Einheit Europas mit einem wirklichen Machtwillen« gefordert wird. »Die Verwurzelung« sei der »entscheidende Faktor des Gleichgewichts und der Entwicklung im Leben der Völker und Einzelpersonen.«3

In ethnozentristischem Größenwahn sprechen sie von der »herausragenden Stellung des europäischen Geistes, die dieser seit den Zeiten unserer heidnischen Vorfahren bis zu den heutigen Tagen besitzt.« Steuckers propagierte auch das »Reich« als Ordnungskonzept, legitimiert durch spirituelle Eliten. Dieses ist den Gedankengebäuden des italienischen Wegbereiter des Faschismus, Julius Evola, entlehnt, der die moderne Welt, als deren Ausdruck er vor allem den Gleichheitsgedanken sah, zugunsten eines antik imperialen Reichs überwinden wollte. Die Anhänger von Synergon begreifen diesen Mythos als Überbau für ihre geopolitische und imperialistische Orientierung. Schon kurz nach der Gründung entstanden Sektionen in Belgien, England, Frankreich, Italien, Lettland, Österreich, Portugal, Rußland, Spanien und der Schweiz.

Die deutsche Sektion als Sammelbecken

Die deutsche Sektion wurde 1995 gegründet. Die Sommeruniversität fand im gleichen Jahr nahe der tschechischen Grenze statt. Sie war von dem Burschenschaftler und Witikobund-Funktionär Hans-Ulrich Kopp organisiert worden, der zuvor auch Redakteur der Jungen Freiheit war. Kopp führte den ehemalige Sprecher der Hamburger Burschenschaft Germania, Marc Lüdders, ein, der zum Kopf der deutschen Sektion avancierte. Weitere Personen aus dem Umkreis der »Freien deutschen Sommerakademie« der Jungen Freiheit, denen diese zu »konservativ« war, traten bei. 1997 fusionierte Synergon Deutschland mit der »Deutsch Europäischen Studiengesellschaft« (DESG), die sich 1972 aus den seit Anfang der 60er Jahre stattfindenden Strategie- und Koordinierungstreffen des nationalrevolutionären Spektrum konstituierte. Vor einem Jahr schloß sich eine weitere Gruppierung an, der Dresdner Verlag »Zeitenwende«. Hinter dem Verlag steht ein völkisch/heidnisch ausgerichteter Personenkreis um Steffen Behnke und Sven Henkler, der ideologisch maßgeblich von dem im Herbst 2000 verstorbenen Altnazi Werner Georg Haverbeck beeinflusst wurde. Er vermittelte nicht nur viele Kontakte, sondern auch den Zugang zur verquasten Ideologie einer völkischen Anthroposophie und eines arischen Christentums.4 Die junge Dresdener Gruppe übernahm die Durchführung der Seminare und Tagungen von Synergon und brachte die Zeitschrift »Hagal« heraus.

Inhaltliche Spannungen auf der Sommeruniversität 2001

Durch die Zusammenführung der unterschiedlichen Kreise wurden aber nicht nur die geplante Bündelung der Kräfte - also der »Synergie-Effekt« - erreicht, sondern auch bestehende Unterschiede ignoriert. Die verschiedenen inhaltlichen Orientierungen führten zu zunehmenden Spannungen innerhalb von Synergon, die sich etwa in den Themen der Sommeruniversität 2001 widerspiegelten: In dem Vortrag von Robert Steuckers (»Geschichte und Geopolitik der Beziehungen zwischen Europa und den Türkvölkern«) kam die geopolitische und praktische Orientierung zum Ausdruck. Ebenso in den Beiträgen von Jorge Roberto Diaz (»Die neue Geopolitik Indiens für das 21. Jahrhundert«) und Frédéric Valentin (»Die Lehre der Regulation in der Wirtschaftstheorie und -praxis der aktuellen französischen Volkswirtschaftler«). Die Referate von Kurt Ravyts (»Der Einfluß von Gabriele d’Annunzio und Léon Bloy auf der Persönlichkeit und der Religiosität des jungen Joris Van Severen«) und Thierry de Damprichard (»Wie Ezra Pound die ‘Beat Generation’ beurteilte«) zeigten eher einen Rückgriff auf die »Konservative Revolution«.

Die Beiträge der Referenten aus dem Spektrum von Zeitenwende und Hagal spiegelten hingegen eine Mischung aus Anthroposophie und Esoterik wieder. Angekündigt waren Sven Henkler (»Mensch und Tier - Eine zerstörte Verbindung. Reflexionen zu BSE, MKS und Tierquälerei«), Andreas Ferch (»Leben und Werk Werner Haverbecks: Von der Jugendbewegung zur Anthroposophie, Friedensbewegung und Ökologie«) und Markus Fernbach (»Kendo & Shinto - Kriegertum und Spiritualität der japanischen Samurai«). Nur ca. 35 Personen aus den Frankreich, Belgien und Deutschland nahmen im letzten Jahr an der Sommeruniversität teil. Die bedeutenden Sektionen aus Spanien und Italien waren nicht vertreten. Zunehmend ist in der deutschen Sektion eine Verlagerung von der nationalrevolutionären Orientierung der Hamburger Fraktion (DESG) zu einem von der Dresdener Fraktion getragenen völkischen Romantizismus zu beobachten. Seit einiger Zeit finden die Seminare von Synergon im Collegium Humanum in Vlotho statt. Das extrem rechte Schulungszentrum war von dem NS-Funktionär und rechtem Antroposophen Werner Georg Haverbeck mitgegründet worden, der auch als Mentor der Dresdner Gruppe bezeichnet werden kann.

Widersprüche und Verfallserscheinungen

Die Auftritte der Musikgruppen Gesta Bellica (Skinhead Rechts-Rock) und Camerata Mediolanense (Avantgarde Musik aus der Dark-Wave Szene) bei der Sommeruniversität 2000, an der noch 150 Personen teilnahmen, schienen eine Offenheit gegenüber anderen Ausdrucks- und Erscheinungsformen der extremen Rechten anzudeuten. In Deutschland fand dieses Interesse zwar Gegenliebe im rechten Teile der Dark-Wave-Neofolkszene, nicht jedoch bei der Synergon Sektion. Entweder ist der Blick zu eingefahren und das Verständnis, was zur »Rechten« gehören kann, zu eingeschränkt, oder in den Reihen von Synergon orientiert man sich inzwischen auf andere Optionen als die der Einflußnahme mittels (Jugend)-Kultur. Auch die Teilnahme von Personen wie dem Bielefelder Neonazi Meinhard Otto Elbing an den Tagungen kann nicht im Sinne einer »Neuen Rechten« sein, die versucht aus dem Schatten des Nationalsozialismus herauszutreten. Es scheint unklar, wie sich Synergon und speziell Synergon Deutschland weiterentwickeln: Ob es einen weiteren gemeinsamen Weg der verschiedenen Strömungen gibt, oder ob die einzelnen Gruppen nicht mehr bereit sind, ihre Kräfte in ein solches, sie nicht wirklich befriedigendes Projekt zu stecken und die Arbeit einfach einstellen. Vor wenigen Wochen gab die Deutsch-Europäische Studiengesellschaft, eine der ältesten und wichtigsten Organisationen der »Neuen Rechten« bekannt, dass sie ihren seit 1985 bestehenden Nachrichtendienst desg-inform einstellen wird - unübersehbare Verfallserscheinungen.

»Neue Rechte« – Quo Vadis?

Diejenigen Gruppierungen, die Ende der 60er Jahre aufgebrochen waren, die extreme Rechte zu modernisieren, haben inzwischen Sektencharakter. Ihre reale politische Bedeutung tendiert zur Zeit gegen Null. Viele inhaltliche Punkte, die durch die »Neue Rechte« vorbereitet wurden, wie der Antiamerikanismus oder eine pro-palästinensische Haltung mit extrem rechtem Hintergrund werden inzwischen von der NPD/JN und auch den sogenannten »Freien Kameradschaften« vertreten. Der Versuch, mittels Mimmikri und intellektueller Erneuerung in breitere Kreise vorzustoßen, muss jedoch als gescheitert bewertet werden. Erfolgreicher scheint hier eher der Ansatz der Jungen Freiheit, die eine Mischung aus klassischen rechten Positionen, Rechtskonservatismus und »Neuer Rechten« präsentiert. Auch wenn die Zeitung ohne die Geldgeber im Hintergrund und die alten Strukturen aus dem burschenschaftlichen und gildenschaftlichen Spektrum wohl kaum noch existieren würde, schafft es das Blatt immer wieder, etablierte Interviewpartner aus allen Bereichen des gesellschaftlichen Lebens zu gewinnen. In dieser Strategie der »Neuen Rechten« liegt eine nicht zu unterschätzende Gefahr.

  • 1Geopolitik ist eine Mischung aus ethnischen, militärischen, ökonomischen,rassistischen, demographischen, historischen und politischen Ideen als pseudowissenschaftliche Begründung von Imperialismus. Vgl. Neumann, Franz: Behemoth, Frankfurt, 1984, S.185ff
  • 2Hagal, Nr.4, 1999, S.7f: Im Gespräch: Robert Steuckers
  • 3Flugblatt »Synergon - Die neue Schule Europas«
  • 4Vgl. Hagal, Nr.4, 1999, S.2: Gute Heimreise Werner!, von der Hagal Redaktion