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sports and politics: "Graue Wölfe" im Fussball

Sören Kohlhuber
Einleitung

Gewalt im Fußball-Amateurbereich ist zwar nicht die Regel, aber auch kein ungewöhnlicher Vorgang. Im November 2012 trafen in der Mescheder Kreisliga C "Anado­luspor Ramsbeck"1 und der "FC Mezopotamya" aufeinander. Die türkischen Fans riefen „kurdenfeindliche“ Parolen. 50 Spieler, Funktionäre und Zuschauer lieferten sich eine Schlägerei, der Schiedsrichter musste das Spiel abbrechen. Bereits ein Jahr zuvor musste ein Spiel der beiden Vereine abgebrochen werden und "Anadoluspor Ramsbeck" stand unter Bewährung. Nun folgten Geldstrafen und das Präsidium des Fußball- und Leicht­athletikverbandes Westfalen entschied, dass der Verein ausgeschlossen wird und nicht mehr am Ligabetrieb teilnehmen kann. Der Verein löste sich auf, die Spieler kamen in anderen Vereinen unter. Das Problem schien gelöst.

  • 1Vorsitzende des "Anadoluspor Ramsbeck e.V."  waren Mehmet Karatas und Ahmet Güner. Geschäftsführer war Salih Pistofoglu. Sportlicher Leiter war Fatih Karatas.
Foto: Screenshot von Facebook

Auf einem Facebook-Foto posieren Personen von bzw. aus dem Umfeld des „1. FC Turanspor“ aus Mannheim vor einem „Graue Wölfe“-Büro mit dem sogenannten Wolfsgruß.

Wenn kurdische Mannschaften im Fußball Ziel von türkischen Aggressionen sind, handelt es sich nicht nur um unpolitische spielbezogene Ausschreitungen. Die Vereine agieren in der eigenen Community politisch, etwa durch Feste, Bildungs- und Kulturveranstaltungen. Es ist ein kurzer Weg zwischen dem Besuch eines Fußballspiels in den Niederungen des deutschen Fußballs und dem Besuch des Chefs der extrem rechten "Partei der Nationalistischen Bewegung" (MHP) Dr. Devlet Bahçeli. Die MHP ist eine im Jahr 1969 in der Türkei gegründete extrem rechte Partei, die dort zwischenzeitlich samt ihrer paramilitärischen Bewegung „Graue Wölfe“ verboten war. Seit 1992 kann sie wieder unter ihrem alten Namen agieren. 1978 gründete die "Milliyetçi Hareket Partisi" (MHP) einen europäischen Interessenverband, das Kürzel für den deutschen Ableger heißt ADÜTDF1 . Die „Grauen Wölfe“ sind ein Sammelbegriff für türkische Faschisten, die sich selbst auch als „Idealisten“ (türk. = Ülkücü) bezeichnen.

Der Linken-Abgeordnete im Berliner Abgeordnetenhaus, Hakan Taş, erkundigte sich 2015 in einer parlamentarischen Anfrage an den Senat nach Aktivitäten extrem rechter Organisationen in der türkischen Community. Der Senat antwortete, ihm seien keine Sportvereine in Berlin bekannt, die der „Ülkücü-Szene“ zuzurechnen seien. Anders sah dies das Bundesinnenministerium (BMI). Laut einer Anfrage von 2014 erfasste das BMI einen Angriff von türkischen Nationalisten aus ihrem Vereinsheim auf eine pro-kurdische Demonstration: Im Juli 2013 lief sie am Vereinsheim des "Berliner Sportverein Hürtürkel"  (Berlin-Kreuz­berg)2 vorbei. Zwanzig Personen kamen aus dem Vereinsheim, machten den sog. Wolfs­gruß und versuchten, die vorbeiziehenden Kurden_innen anzugreifen.

In einer Kommunalanalyse des "Zentrum für Demokratische Kultur" aus dem Jahr 2003 wurde bereits über den "BSV Hürtürkel" berichtet. Darin bezeichnet ein Sozialarbeiter den BSV von der Außenwahrnehmung her als „rechts und in Verbindung mit den ‘Grauen Wölfen’ stehend“. In sozialen Netzwerken sieht man Funktionäre des Vereins mit Wolfsgruß und vor MHP-Fahnen stehen. Aggressionen gegen Personengruppen, die im Wertebild der „Grauen Wölfe“ als minderwertig angesehen werden, finden sich auch auf dem Fußballplatz wieder. Das Landesligaspiel des "BSV Hürtürkel" gegen den jüdischen Verein "TuS Makkabi" schätzten auch die Sicherheitsbehörden als problematisch ein. Oft wurden die Makkabäer durch Trainer, Spieler und Fans des "BSV Hürtürkel" antisemitisch beschimpft, so etwa im März 2012. Muslimische Spieler des jüdischen Vereins wurden als „Schande“ bezeichnet und bedroht, andere Spieler wurden als „Scheiß-Nigger“ diffamiert. Letzteres bestätigten auch offizielle Beobachter des Berliner Fußballverbandes. Ein Spieler des "BSV Hürtürkel" wurde daraufhin für ein halbes Jahr gesperrt, der Trainer für elf Monate, drei Punkte wurden dem "BSV Hürtürkel" abgezogen und der Verein musste ein Spiel unter Ausschluss der Öffentlichkeit ausrichten. Der Berliner Fußballverband wendete dabei zum ersten Mal den § 46 seiner Satzung an, der ein Punkteabzug vorsieht, wenn sich Offizielle oder Zuschauer rassistisch bzw. diskriminierend äußern.

Bestraft werden türkische Sportvereine mit Verbindungen ins extrem rechte Milieu von Sportverbänden nur dann, wenn sie gewalttätig und diskriminierend auffallen. Ansonsten hat der Verband keine Probleme mit extrem rechten Vereinen. Selbst offizielle Erkenntnisse des Verfassungsschutzes werden dabei übergangen. So auch in Baden-Württemberg. Vertreter der höchsten Funktionärsebene des "Badener Fußballverband" (BFV) trafen sich 2014 zum Vereinsdialog mit dem "1. FC Turanspor Mannheim"3 im Türkischen Kulturzentrum. Auf Bildern des Vereins ist beispielsweise der BFV-Geschäftsführer Uwe Ziegenhagen zu sehen, hinter den Funktionären hängen eindeutige Flaggen. So etwa die Fahne der ADÜTDF, die immerhin Beobachtungsobjekt des Landesverfassungsschutzes ist. Während also die Sicherheitsbehörden die „Ülkücü-Bewegung“ beobachteten, treffen sich Mitglieder eines Fußballverbandes mit deren Anhängern zur Realisierung einer eigenen Sportstätte. Diese sieht der Verein als wichtige „Grundlage eine Jugendarbeit aufzubauen und Nachwuchs für den Verein heranzuziehen“. Dabei geben bereits der Vereinsname und das Vereinswappen Aufschluss über den ideologischen Hintergrund. Als Wappentier ist der „Bozkurt“, der heulende Wolf gewählt. In der türkischen Mythologie gilt er als „Retter“ der Turk-Ethnien und ist zentrales Symbol der extremen Rechten in der Türkei. Das Handzeichen, der Wolfsgruß, kommt ebenfalls aus dieser Zeit. Auch der Vereinsname entstammt der türkischen Mystik. Das „Reich Turan“ gilt als die Heimstätte der Turkvölker, zu dem unter anderem Finnen, Mongolen, Türken, Ungarn und Uiguren gehören sollen. Es reicht von der Adria bis in das heutige China. Der Turanismus vertritt die Auffassung, dass die verschiedenen Turkvölker eine gemeinsame Rasse darstellen. Der Pan-Turkismus verfolgt das politische Ziel einer Vereinigung aller Turkvölker zum turanischen Imperium. Im „Idealisten-Eid“ heißt es unter anderem: „Unser Kampf geht bis zum letzten Mann, bis zum letzten Atemzug, bis zum letzten Tropfen Blut [...] bis die nationalistische Türkei, bis das Reich Turan erreicht ist.“ Der Verein versucht sich, auch auf Drängen des BFV, als demokratisch zu präsentieren. So wurde 2016 ein „FairPlay-Statement“ veröffentlicht, das sich gegen „Kriege, Terror, Flüchtlingsdramen, Rechtsextremis­mus und sexuelle Belästigung“ richtet. Gleichzeitig ist es nicht ungewöhnlich, dass bei Siegesfeiern des "1. FC Turanspor Mann­heim" die MHP-Fahne mit den drei Halbmonden geschwenkt wird. Im Wintertrainingslager in Antalya traf man sich gar mit dem regionalen Vorsitzenden der MHP und bekam eine Führung zur Geschichte der Partei. Gemeinsam posierten Funktionäre des Vereins und Vertreter der „Grauen Wölfe“ vor dem Regionalbüro.

Über Verbindungen zur MHP verfügt auch der "Turanspor Rheydt" aus Mönchengladbach, der in seinem Wappen die drei Halbmonde der MHP führt. 2015 traf man den MHP-Parteivorsitzenden Bahçeli, wobei ein signierter Vereinswimpel stolz präsentiert wurde. Bereits 2013 bewarb der Verein eine Veranstaltung der ADÜTDF in Oberhausen, Gastredner war Bahçeli. Erst im Mai diesen Jahres feierte man im gemeinnützigen Türkischen Kulturzentrum der ADÜTDF ein Frühlingsfest. Der Fußballverein wirkt als eine Vorfeldorganisation des Dachverbandes der „Grauen Wölfe“. Öffentlich wurden diese Bestrebungen bei der Besetzung des städtischen Integrationsrates. Zur Wahl gab es 2014 eine Liste der türkischen Community als „Türkisch-Deutscher-Integrations-Verbund“ ("Türk-Alman Uyum Birliği"). Auf dieser befanden sich neben unscheinbaren Personen auch Aktivisten des lokalen Fußballvereins Turanspor. Von den 15 Personen der Liste schafften es vier in den Rat. Der Integrationsrat soll die Interessen der nicht-deutschen Einwohner_innen Mönchengladbachs vertreten.

Auch in Nordrhein-Westfalen möchten sich ADÜTDF-Anhänger in städtische Gremien wählen lassen. Veranstaltungen der ortsansässigen Kulturvereine sind ebenso wie Fußballsportveranstaltungen Mittel für eine politische Einflussnahme in die türkische Community, aber auch für Akzeptanz in der deutschen Gesellschaft. Während bei deutschen extrem rechten Vereinen innerhalb von Sportverbänden, Zivilgesellschaft und lokalen Medien interveniert wird, bleibt dies bei der türkischen extremen Rechten weitgehend aus. Auf diese Weise können sie ihren Einfluss ausbauen, die Folge sind Angsträume für Jüd_innen, Kurd_innen und linke Aktivist_innen.

  • 1Die "Föderation der Türkisch-Demokratischen Idealistenvereine in Deutschland" bzw. "Almanya Demokratik Ülkücü Türk Dernekleri Federasyonu"(ADÜTDF).
  • 2Die Vorsitzenden des "Berliner Sportverein Hürtürkel" sind Selami Erbay, Haci Aktan, Hüseyin Günes und Nihat Ermi. Serkan Aslan ist Schatzmeister.
  • 3Die Vorsitzenden des Vereins "1. FC Turanspor Mannheim" sind Mehmet Güngör und Mustafa Ekinci.