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Spitzel, Spalter, Streitereien – Ein neuer V-Mann-Konflikt in der NPD

Einleitung

Innerhalb der NPD kam es in den vergangenen Monaten zu diversen innerparteilichen Auseinandersetzungen. Für innerparteilichen Streit sorgte die Amtsenthebung des bisherigen NPD-Landesvorsitzende von Baden-Württemberg, Günter Deckert, durch die Bundesparteiführung. Der ehemalige NPD-Vorsitzende war einer der schärfsten Kritiker des aktuellen Bundesvorstandes. Dieser warf Deckert vor, dass seit seiner Wahl im April 2005 der Landesverband in eine Fraktions- und Gruppenbildung mit gegenseitigen Anschuldigungen verfallen sei.1

  • 1Stefan Köster: Rundbrief an alle Mitglieder des Landesverbandes Baden-Württemberg: »Amtsenthebung des bisherigen Landesvorsitzenden Günter Deckert«

Martin Laus auf einer NPD-Demonstration im Februar 2001 in Ludwigshafen

Interne Querelen zwischen Parteifreunden sind seit Bestehen extrem rechter Parteien eine feste Konstante  innerhalb des Parteienlebens der Neonazis. Oft spielen Machtkämpfe, Intrigen und bürokratisch ausgetragene Konflikte die Hauptrolle. Interessant wird es für die antifaschistische Öffentlichkeit dann, wenn bei solchen Auseinandersetzungen die Zusammenarbeit mit Geheimdiensten thematisiert wird.

Der Fall Marx

Peter Marx ist ein Multifunktionär innerhalb der NPD. Er bekleidet die Posten des Vize-Bundesvorsitzenden, des Landeschefs von Rheinland-Pfalz, des Fraktionsgeschäftsführers im Sächsischen Landtag und des Bundestagswahlkampfleiters. Doch seiner Karriere innerhalb der NPD wurden nun von (ehemaligen) Parteifreunden Steine in den Weg gelegt. Der vormalige NPD-Ideologe Jürgen Schwab initiierte im September 2005 die »VS-Affäre an der Saar und in RLP«, welche sich vor allem gegen Peter Marx richtete. Der damalige NPD-Fraktionsvorsitzende im Völklinger Stadtrat, Otfried Best, warf demnach Peter Marx und dem Landesvorsitzender im Saarland, Frank Franz, vor, einen V-Mann des Verfassungsschutzes in der NPD zu dulden. Best soll, laut Schwab, vor mehreren Zeugen folgendes ausgeführt haben: Er habe zu seiner Zeit als stellvertretender saarländischer NPD-Landesvorsitzender mitbekommen, dass Marx als damaliger NPD-Landesvorsitzender zwei Mitglieder überredet habe, sich vom »Amt« anwerben zu lassen. Es handele sich dabei um den damals stellvertretender JN-Bundesvorsitzender Günter Prüm und um Otto Becker, der noch immer Mitglied des NPD-Landesvorstandes Saar sei.

Peter Marx, so Best laut Schwab, habe die beiden vom VS Angeworbenen dann unter Druck gesetzt, ihm die Hälfte der »Spitzelgelder« abzutreten. Best hätte Schwab weiter berichtet, dass er Udo Voigt schriftlich über diese Vorkommnisse in Kenntnis gesetzt habe, worauf der NPD-Parteivorsitzende den Völklinger Stadtratsabgeordneten auf »nach der Wahl« vertröstet habe.

Der ehemalige NPD-Landesvorsitzender von Rheinland-Pfalz, Martin Laus, soll in einer Stellungnahme erklärt haben, dass Marx ihn auf einer Fahrt zu einer Parteivorstandssitzung gesagt habe, er solle in Rheinland-Pfalz doch nicht weiter gegen die Agenten vorgehen. Dies würde ihm nur Ärger bereiten. Laut Schwab würden die Marx-Gegner nun behaupten, dass sich  zwischen Remagen am Rhein und Landau in der Pfalz ein »komplexes Spitzelsystem des VS« etabliert habe.1 In diesem Zusammenhang machten, nach Angaben eines Informanten, innerhalb der NPD diverse Gerüchte über NPD-Parteifunktionäre und ihre Machenschaften die Runde. Der NPD-Parteifunktionär und angebliche Marx-Vertraute Paul Sch. wurde in diesen Gerüchten nicht nur verdächtigt, möglicherweise einer der Spitzel zu sein. Er soll gar Schatzmeister der Kaiserslauterer Freimaurerloge sein, deren »Meister vom Stuhl« wiederum der mittlerweile pensionierte regionale Staatsschutzchef sei. Außerdem sollen Peter Marx und Holger Apfel versucht haben, mit einem dotierten Posten für die Frau des sächsischen NPD-Funktionärs Jürgen Schön die Unterstützung Schöns für Apfels Kandidatur zu kaufen, um Apfel den Landesvorsitz zu sichern. Frank Franz soll gar versucht haben, mit  fingierten Rechnungen seiner Firma Saar-Marketing die Völklinger Stadtratsfraktion zu erleichtern.

In Reaktion auf die öffentlich erhobenen Vorwürfe distanzierte sich die Saar-NPD öffentlich von ihrer Völklinger Fraktion. Otfried Best und seinem NPD-Kollegen Harry K. wurde vorgehalten, sie hätten dem Ansehen der Partei und des Landesverbandes durch ihr Verhalten schweren Schaden zugefügt.2  In einer »Wuppertaler Erklärung« forderte der neu gegründete NPD-OV Wuppertal hingegen die umfassende Aufklärung über den Fall Peter Marx und  die Einleitung von Schiedsgerichtsverfahren gegen alle Mitglieder, die wissentlich mit Agenten zusammengearbeitet haben.3

Nachdem der Vorwurf der VS-Zusammenarbeit innerhalb der NPD in die Medien kam, soll Peter Marx seinen Kritiker Otfried Best aufgefordert haben, seine Anschuldigungen zu widerrufen. Laut einer Stellungnahme von Jürgen Schwab habe Peter Marx Otfried Bests eine Schadensersatzklage im Streitwert von 500.000 Euro angedroht, falls dieser Widerruf  nicht erfolge. 500.000 Euro sei  in etwa die Summe, die Marx, als Geschäftsführer der Dresdner NPD-Fraktion in Zukunft noch verdienen könne.4

Peter Marx leitete kurz darauf ein NPD-Schiedsgerichtsverfahren gegen sich selbst ein, um die Vorwürfe gegen sich untersuchen zu lassen. Dieses sprach ihn von den Vorwürfen der »Agentenzuhälterei« frei. Eine »Farce« wie umgehend kritisiert wurde, da  mit Klaus Wartenbach als Vorsitzendem des Schiedsgerichtes ausgerechnet der Chauffeur und Leibwächter von Peter Marx berufen worden sei.5

Eine selbsternannte »Nationale Recherche Gruppe Heini Himmle« der »Freien Kräfte im Saarland« leistete der NPD-Führung Schützenhilfe gegen die »Minusseelen der NPD« und führte diverse Gerüchten und Vorwürfen gegen die NPD-Kritiker an. Zu diesen zählen u.a. Diebstahl beim Arbeitgeber, illegale Geschäfte, eine »osteuropäische Alibi-Freundin« und die Tätigkeit als Callboy. Es sei Peter Marx gewesen, der angefangen hätte diesen »Miststall« auszumisten. Die Marx-Kritiker konnten sich letztendlich innerhalb der NPD nicht durchsetzen. Die Landesvorstandssitzung der NPD-Saar im Oktober 2005 stimmte für einen Partei-Ausschluss von Otfried Best. Ein Jürgen Schwab zuzurechnender »Rechtsausschuß der Deutschen Akademie (DA)« versuchte zwar noch eine Satzungswidrigkeit der Sitzung nachzuweisen und als einzigen Ausweg den Rücktritt des gesamten Landesvorstandes Saar zu fordern, doch über eine Mehrheit verfügt der Kreis um Jürgen Schwab innerhalb der NPD-Basis nicht.

Auch andere Kritiker und Abweichler werden von der NPD-Bundesführung in Schach gehalten. Die NPD-Kreisverbände Kurpfalz und Mannheim etwa wurden von der NPD-Führung dazu gezwungen, kritische Berichte zur Absetzung Deckerts von ihren Internetseiten zu entfernen. Der NPD-Verband Bremen bietet nun in seinem Forum den NPD-Kritikern ein Zuhause und kündigt an, auf dem nächsten Bundesparteitag die Offenlegung aller Gehälter von NPD-Angestellten und der Finanzen der Fraktion in Sachsen zu beantragen.

Auch der Hamburger Neonaziführer Christian Worch wittert bereits eine neue Chance gegen die NPD-Führung vorzugehen. Seit Monaten hält er ihr vor, nicht konsequent genug nach V-Leuten in den eigenen Reihen zu suchen. Die eingeforderten eidesstattlichen Versicherungen, in denen NPD-Spitzenfunktionären erklären sollen, keine Verfassungsschutzspitzel zu sein, lägen bis heute nicht in ausreichender Form vor. Auf einer Internetseite veröffentlicht er ein Dokument, dem nach mit dem ehemaligen stellvertretenden NPD-Vorsitzenden von Bad Kreuznach, Volker Beiser, ein weiterer Spitzel in der NPD bekannt geworden war und nicht öffentlich gemacht wurde.6

NPD-Kritiker wie Günter Deckert, Jürgen Schwab und Christian Worch werden auch in Zukunft Fehltritte der NPD-Führung nutzen, um die zunehmend frustrierte NPD-Basis zum Widerstand gegen die Bundesführung zu animieren. Ein Problem, das für den NPD-Bundesvorstand mit der zunehmenden Etablierung der Partei im sächsischen Landtag zunimmt, da die Partei-Führung für Teile der Basis immer mehr »Politiker-Bonzen« und »Systemvertretern« gleicht. 

  • 1Jürgen Schwab: »Ein Kommentar zur ›V-Mann-Affaire‹« u.a. im Störtebeker Netz  und  Homepage der NPD-Mannheim.
  • 2blick nach rechts vom 30.09.2005: »V-Mann von Marx gedeckt?« und  Infopost der NPD Saar
  • 3»Wuppertaler Erklä­rung« auf der Homepage der NPD-Mannheim
  • 4Jürgen Schwab: »›V-Mann-Affäre‹ um Marx: ›Geld spielt keine Rolle‹« auf der Homepage der NPD-Mannheim
  • 5Andreas Förster: »Stalinistische Säuberungsaktionen«, Berliner Zeitung 03.11.2005 und  Jürgen Schwab am 12. Oktober 2005 auf der Homepage der NPD-Mannheim.
  • 6http://home.arcor.de/Worch2