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Spaltungen bremsen die NPD/JN

Einleitung

Eigentlich waren sie schon fast zu erwarten: Die Spaltungen und Konflikte innerhalb der NPD/JN. Fast immer, wenn sich eine neonazistische Partei in der BRD im Aufwind befand und die ersten Wahlerfolge erwartete, bremste sie sich irgendwann selbst aus.

Foto: Christian Ditsch

Der Dauerspagat zwischen NPD-Basis und bürgernahen NPD-Biedermännern gestaltet sich schwierig. Hier die 1. Mai Kundgebung der NPD in Leipzig 1998.

Kein Höhenflug währt ewig

Machtgier, Geldgier, persönliche Feindschaften und politische Kontroversen machen nun auch vor den »politischen Soldaten« und den »geschulten Führungskadern« der NPD/JN keinen Halt mehr. Vor allem in den ost-deutschen NPD-Landesverbänden kriselt es. Gerade hier wird der Dauerspagat zwischen prügelnden Stiefelnazis und Möchtegernseriösen und bürgernahen NPD-Biedermännern immer schwieriger.

In Mecklenburg-Vorpommern spaltete sich mittlerweile eine "Soziale Volkspartei" (SVP) von der NPD ab und nahm die Hälfte der NPD-Mitglieder mit. Der NPD-Landesverband war zuvor von Ronny Grubert (Rostock) und Thorsten Kowalski geführt worden, die sich in der Folge der NPD-Wahlniederlage mit dem NPD "Spitzenkandidaten" Hans-Günter Eisenecker (Goldenbow) zerstritten.

In Thüringen spaltete sich ein "Bund Deutscher Patrioten" (BDP) von der NPD ab. Dem Thüringer NPD-Chef Frank Golkowski (Northeim) waren Unfähigkeit und Kassenunregelmäßigkeiten vorgeworfen worden.

In Sachsen geht der NPD-Landesverband mit eigenwilligen politischen Ansichten auf Konfrontationskurs zur NPD-Führung. Innerhalb des sächsischen Landesverbandes lahmen Konflikte zwischen der jugendlichen Basis und dem Landesvorstand die politische Arbeit. Trotzdem ist es noch zu früh, um die NPD/JN abzuschreiben und sich zurückzulehnen. Das Prinzip »Konsens durch Spaltung« kann längerfristig auch zu einer Ausdifferenzierung in Richtung Arbeitsteilung führen.

Ob die Konflikte der NPD/JN mehr schaden oder nutzen, wird sich innerhalb der nächsten Monate zeigen. Wir wollen erstmal die aktuellen Konflikte innerhalb des größten NPD-Landesverbandes in Sachsen betrachten. Ob es hier gelingt, bei den Landtagswahlen am 12. September 1999 einen großen Wahlerfolg zu landen, wird entscheidend für die weitere Entwicklung der NPD sein.

Sex & Crime spalten die JN

»Den Kampf zum Wohle des deutschen Volkes in den Reihen der NPD/JN zu führen ist absolut zwecklos.«. Von wem könnte dieser Satz wohl stammen? Aus den Reihen der "Freien Kameradschaften" oder anderweitig mit der NPD/JN zerstrittenen Neonaziorganisationen? Weit gefehlt, dieser Satz kommt aus der Feder von Oliver Händel, ehemaliger Leiter der ehemaligen JN-Bundesgeschäftsstelle und ehemaliges JN-Bundesvorstandsmitglied.

Konsequenterweise trat der gesamte Landesvorstand der JN-Sachsen am 7. Juni 1999 zurück und aus der JN aus. In einem Brief an »alle Mitglieder/Anwärter der JN-Sachsen« vom 7. Juni 1999, der auch an verschiedene Antifa-Publikationen und -Gruppen gefaxt wurde, werden alle Kameraden aufgefordert, dem Beispiel zu folgen, um sich nicht »selbst mitschuldig« zu machen und »Vaterlandsverrat« zu begehen. Als Grund werden »schwerwiegende Diskrepanzen zwischen dem JN-Bundesvorstand und dem Parteivorstand der NPD« genannt. Im speziellen dient die Aufnahme von Safet Babic aus dem hessischen Niederau, Bosnier mit deutschem Paß, in die JN als Aufhänger.

Bereits zwei Wochen zuvor kehrten JN-Kader in NRW und Baden-Württemberg der Organisation den Rücken. Wie bei solchen Fällen üblich findet eine Schlammschlacht statt. Inzwischen verklagen sich die »Kameraden« gegenseitig. So wird den Betreibern vom "Schwarze Fahne"-Versand aus NRW vom JN-Bundesvorstand um Sascha Roßmüller Betrug und persönliche Bereicherung vorgeworfen.

Im Gegenzug wird eine allgemeine Konzeptlosigkeit beklagt. Der Bundesvorstand vermeldet, daß er kein Konzept für die weitere Arbeit der JN hat und erklärt weiter: »Es gab schon genügend Konzepte, die alle gescheitert sind.«

Daneben wird noch richtig schmutzige Wäsche gewaschen: »So sieht der Kampf der NPD/JN für unser Vaterland aus. Wir hoffen, daß S.Roßmüller wenigstens im Puff Standfestigkeit bewiesen hat.« Der Hintergrund: Holger Apfel, Jürgen Distler, Jens Pühse, Andreas Weber (JN Schatzmeister) und Sascha Roßmüller sollen -den Vorfürfen nach- am Abend einer JN-Bundesvorstandssitzung im niedersächsischen Sulingen einen Besuch im örtlichen Bordell den Darbietungen des JN-Liedermachers Jörg Hähnel vorgezogen haben.

JN-Bundesvorstand setzt sich durch

Mit dem Austritt von Teilen der JN-Führungsriege, angeführt von Achim Ezer (ehem. NPD-Beisitzer), findet die Auseinandersetzung um die weitere Entwicklung der JN ein vorläufiges Ende.

Die Befürworter einer Eingliederung der JN in die Mutterpartei NPD haben damit die Oberhand gewonnen.

Der Flügel für eine eigenständige JN organisiert sich derweil in der Neugründung "Bildungswerk Deutsche Volksgemeinschaft" (BDVG) und will dort die ursprüngliche Konzipierung der JN als Kaderschmiede fortsetzen.

Im April 1999 war die JN-Führung auf einem JN-Bundeskongress in Klingenberg quasi ausgewechselt worden. Der JN-Bundesvorsitzende Holger Apfel, sein Stellvertreter Jürgen Distler, Klaus Beier, Jens Pühse (JN-Organisationsleiter) und Steffen Hupka (JN-Schulungsreferat) verließen den JN-Bundesvorstand. Der bisherigen stellvertretende JN-Chef Sascha Roßmüller, Alexander von Webenau und Alexander Delle übernahmen die JN-Führung. Sascha Roßmüller stammt aus der bayerischen Neonazi-Szene. 1991 galt er als ein Gründungsmitglied des "Nationalen Block" (NB), der 1993 verboten wurde. Anfang 1993 lud er zu einer Veranstaltung des neonazistischen "Deutsches Jugendbildungswerk" (DJBW) in Straubing ein. Alexander von Webenau ist Vorsitzender des "Nationaldemokratischen Hochschulbund" (NHB).

Aus den Kommunen in den Landtag ?

»Kommunalwahlen müssen unser künftiges Fundament bilden. Wenn wir unsere Politik für Deutsche fest verändern wollen, müssen wir in den Gemeinden damit beginnen, bevor wir Höheres anstreben!« hatte NPD-Chef Udo Voigt in seinem Rechenschaftsbericht zum letzten Bundesparteitag (siehe AIB Nr. 47) vorgegeben.

Für den stärksten NPD-Landesverband endeten die Kommunalwahlen im Juni mit nur mäßigem Erfolg. Zwar konnten die Neonazis erstmals in einige Kommunalparlamente einziehen, blieben aber weit hinter ihren eigenen Erwartungen und antifaschistischen Befürchtungen zurück.

Dennoch gibt es keinen Grund zur Entwarnung. Die Entwicklungen und Erfahrungen des sächsischen Landesverbandes werden für andere Bundesländer durchaus bedeutend sein. In den meisten Ortschaften, in denen die NPD angetreten war, konnte sie zum Teil beachtliche Ergebnisse erzielen. So schaffte es die NPD, in mindestens sieben Kommunalparlamente und einen Kreistag einzuziehen. Hohe Stimmenanteile konnte sie in den Gebieten erlangen, in denen sie auch schon zur Bundestagswahl im letzten September ihre höchsten Ergebnisse verbuchte. So gewann sie jetzt im Muldentalkreis, sowohl in Wurzen als auch in Trebsen, jeweils einen Sitz im Stadtparlament.

Auch in der NPD Hochburg »Sächsische Schweiz« zog sie in zwei Ortschaften in die Kommunalvertretung ein, wobei ihr zu einer dritten nur zwölf Stimmen fehlten. Herausragend ist hierbei der »idyllische« Touristenort Königstein, wo die NPD 11,8 Prozent erhielt. Das stellt in Sachsen das absolute Spitzenergebnis dar.

Dies ist weniger der Partei selber zuzuschreiben, als vielmehr ihrem dortigen Spitzenkandidaten, Uwe Leichsenring, der auch schon zur Bundestagswahl das höchste Ergebnis für die NPD erringen konnte.

Er ist damit das Paradebeispiel für ein »künftiges Fundament« ganz nach dem Geschmack von Udo Voigt. »Das nationale politische Fundament muß in den Kommunen aufgebaut werden. In der Gemeinde muß man die Vertreter deutscher Bürgerinteressen persönlich kennen, nur dann werden wir uns dauerhaft in den deutschen Parlamenten verankern können.«

Streit im Vorfeld der Wahlen

Auch mit den anderen Ergebnissen der NPD kann Udo Voigt durchaus zufrieden sein. Mit 2% bis 4% konnte die NPD ihr Wahlergebnis vom September 1998 halten. Probleme hatte die Partei im Vorfeld der Wahlen. Sie war nicht in der Lage, flächendeckend die 30 pro Wahlkreis erforderlichen Unterstützungsunterschriften zu sammeln.

Dies mag sowohl am Unvermögen der Mitglieder gelegen haben, als auch daran, daß es der Parteiführung nicht gelungen war, die Basis in großem Maße für den Wahlkampf zu gewinnen.

Hier tritt genau jener Konflikt zutage, den die NPD-Führung schon im letzten Jahr erkannt hat. Einerseits ist ihnen bewußt, daß Jugendliche ihr größtes Potential sind. Andererseits wissen sie auch, daß sie mit einem von Skinheads dominierten Image und Auftreten keine neuen Wählerstimmen im bürgerlichen bis rechtskonservativen Lager gewinnen können.

Der sächsische Landesverband hat in Bezug auf dieses Problem seine Entscheidung getroffen. Die Partei soll nach Meinung des stellvertretenden Bundesvorsitzenden Jürgen Schön weg von ihrem »Schmuddel-Glatzen-Image». So weigerte er sich, in' Konfrontation zum Bundesvorstand, am 1. Mai diesen Jahres wieder eine Demonstration und Kundgebung in Leipzig anzumelden.

Die vor allem auch im Wahlkampf von Mecklenburg-Vorpommern immer wieder zelebrierten Aufmärsche von Jungneonazis stoßen bei der sächsischen Führung auf starke Ablehnung. Die sächsische NPD-Spitze glaubt erkannt zu haben, daß, wenn sie ihre Einflußmöglichkeiten weiter steigern will, die junge Stiefelneonaziriege nicht ausreichend für relevante Wahlergebnisse sein wird. Dies spiegelte sich auch in der Aufstellung der Kandidaten zur Kommunalwahl wider: Obwohl siebzig Prozent aller NPD Mitglieder in Sachsen unter dreißig Jahre alt sind, tauchten überproportional viele ältere und »bewährte« Kameraden auf.

Mit diesem Kurswechsel verprellte die sächsischen NPD vor allem ihre jugendliche Basis und setzte den innerparteilichen Spaltungsprozeß in Gang. Daher war in Sachsen auch keine einheitliche Wahlstrategie erkennbar. Während manche Kreisverbände einen aktiven Wahlkampf führten, lehnten sich andere, ansonsten starke NPD-Verbände, scheinbar völlig zurück.

Ganz auf Linie des Landesvorstandes ist der Dresdener Kreisverband: Dort setzten sich die Neonazis ganz bürgernah für »saubere Spielplätze« im Stadtgebiet ein. Einen beispielhaften Wahlkampf führte auch der Kreisverband Sächsische Schweiz, insbesondere in Königstein. Die Kleinstadt wurde mit Plakaten geradezu überschwemmt. Die von anderen Parteien wurden immer wieder entfernt. Es gab eine Vielzahl von Infoständen und sogar eine eigene kleine Zeitung KLARTEXT, die größtenteils aus kommunalpolitischer Jammerei bestand.

Stimmenfang bei PDS-WählerInnen?

Aber nicht allein um das Auftreten in der Öffentlichkeit gibt es Konflikte innerhalb der sächsischen NPD.

Ausgebrochen war der Streit durch einige Veröffentlichungen des Landesverbands Sachsen. So wurden Flugblätter herausgegeben, die verkündeten, daß »die DDR der zeitweilig von vielen getragene Versuch (war), Lehren aus der deutschen Geschichte zu ziehen und eine Gesellschaft des Wohlstandes für alle aufzubauen.(...) Nach dem heutigen Vergleich BRD/DDR herrscht die Meinung bei den Mitteldeutschen vor, daß die DDR das kleinere Übel gewesen sei«, so die Leipzigerin Ursula Mann.

Dieser "neue Kurs" wurde vor allem von dem NPD-Funktionär Eisenecker vertreten, der Unterstützung von den sächsischen NPD-Kadern Winfried Petzold, Jürgen Schön, Ursula Mann, Bernd Grett und Gregor Janik erhielt.

Diese Position rührte letztendlich zum Streit mit dem Bundesvorstand. Nach Protesten der JN und einigen NPD-"Konservativen" erklärte Udo Voigt im November 1998 schließlich: »Es ist natürlich politischer Unsinn, zu behaupten, die DDR sei der bessere deutsche Staat gewesen.«

Verbunden mit diesem Ostalgie-Trip ist eine Öffnung des Landesverbandes für ehemalige SED-Funktionäre. Beispielsweise war der Chemnitzer Michael Nier, zu DDR-Zeiten Professor für historischen und dialektischen Materialismus, maßgeblich beteiligt an der Entwicklung des gegenwärtigen NPD-Wirtschaftsprogrammes.

Offensiv wird um das WählerInnenklientel der PDS geworben. Da es der PDS aber gelungen ist, dieses Klientel »an sich zu binden«, wie Gregor Gysi stolz in der Berliner Zeitung verkündete, wurden die Kommunalwahlen nicht zu dem erhofften Sprungbrett für die Landtagswahlen im September.

Es wird einer enormen Kraftanstrengung bedürfen, um dieses Ziel dennoch zu erreichen. Bei dem derzeitig desolaten Zustand des Landesverbandes ist es aber fraglich, ob die NPD dazu fähig ist.