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Spätes Urteil für den "Lasermannen"

Sebastian Hell und Sonja Brasch
Einleitung

 In Frankfurt ging am 21. Februar 2018 der Prozess gegen John Ausonius (geboren als Wolfgang Alexander John Zaugg), den sogenannten "Lasermann" (schwedisch "Lasermannen") zu Ende. Für den 1992 verübten Mord an der Frankfurter Jüdin Blanka Zmigrod wurde er zu lebenslanger Haft verurteilt. Auch nach dem Prozessende bleiben viele Fragen unbeantwortet.

Foto: Andreas Förster

John Ausonius im Oktober 2014 in der schwedischen JVA Österaka.

Am 23. Februar 1992 hatte Ausonius Zmigrod auf ihrem Heimweg aus nächster Nähe von hinten mit einer Pistole in den Kopf geschossen. Bereits bei den ersten Ermittlungen war Ausonius ins Visier der Polizei geraten. Zu diesem Zeitpunkt lief in Schweden ein Verfahren gegen ihn. Wegen einer Reihe von Banküberfällen und einer rassistischen Mordanschlagsserie in den 1990er Jahren wurde er dort schließlich zu lebenslanger Haft verurteilt. Erst im Sommer 2017 wurde seine Auslieferung nach Deutschland beantragt. Dass es vorher keine intensiveren Bemühungen gegeben hatte, Ausonius wegen des Mordes in Frankfurt anzuklagen, bleibt eine der ungeklärten Fragen und wurde auch in der Urteilsbegründung kritisiert. Ausonius soll seine Haftstrafe in Schweden absitzen. Sein Anwalt kündigte an, in Revision zu gehen. Ob die Indizienlage einer zweiten gerichtlichen Überprüfung standhält, muss abgewartet werden.

Das Tatmotiv für den Mord an Blanka Zmigrod wurde seitens der Richterin und der Staatsanwaltschaft vor allem bei seinem verschwundenen Casio-Rechner gesucht. Ausonius war einige Tage vor dem Mord in Frankfurt im Restaurant Mövenpick und verdächtigte dort die Garderobenfrau, das spätere Opfer Blanka Zmigrod, diesen gestohlen zu haben. Der Taschencomputer war für ihn von elementarer Bedeutung. Im schwedischen Verfahren wurde ein vergleichbarer Casio von Ausonius ausgewertet, hierin fanden sich Daten zu verschiedenen Bankkonten und falschen Identitäten. Für weniger wahrscheinlich hielt es das Gericht, dass die Jüdin und Holocaustüberlebende Zmigrod aus antisemitischen oder rassistischen Motiven ermordet wurde. Ausonius hatte sich jedoch bereits in einer verbalen Auseinandersetzung mit Zmigrod und deren Vorgesetzte mit Bezug auf ihren Namen rassistisch geäußert. Da die frühere Vorgesetzte des späteren Opfers gesundheitsbedingt nicht geladen werden konnte, wurde im Prozess nur ihre damalige Aussage verlesen. Nicht geklärt werden konnte, ob Ausonius Zmigrods KZ-Tätowierung gesehen haben könnte. Der Schwedische Journalist Gellert Tamas beschreibt in seinem Buch über Ausonius, dass er sich „zufrieden“ gezeigt habe, als er erfuhr, dass das Opfer Jüdin gewesen sei, auch wenn er die Tat bis heute bestreitet.

Weder Richterin noch Staatsanwaltschaft gingen den Fragen nach einem ideologischen Motiv nach, die Persönlichkeit von Ausonius stand im Vordergrund des Prozesses. Der psychologische Gutachter beschrieb ihn im Prozess als paranoid und impulsiv. So hatte Ausonius Zmigrod nicht nur unterstellt, seinen Rechner gestohlen zu haben, sondern ihn auch bei sich zu tragen. Er hatte sich bereits ohne Erfolg bei der Vorgesetzten Zmigrods über den vermeintlichen Diebstahl beschwert und sogar Geld geboten, um diesen wieder zu bekommen. Wie schon in Schweden kam Ausonius in Frankfurt mit dem Rad und tötete sein Opfer mit einem Kopfschuss, nahm die Handtasche – nicht jedoch den Schmuck – und fuhr mit dem Rad fort. Auch, dass er sich wenige Stunden nach der Tat, kurz vor einem geplanten Abflug nach Südafrika, einen neuen Casio zulegte, wertete das Gericht als Indiz. An diesem Punkt sei ihm offensichtlich klar gewesen, dass er den alten Rechner nicht wiederbekommen würde. Darüber hinaus verfügte Ausonius über eine passende Waffe und Munition.

Fehlende politische Bewertung

Der Prozess gegen Ausonius wirft erneut die Frage auf, ob und inwieweit Strafprozesse geeignet sind, ideologisch motivierte Taten aufzuklären. Die Frage, die im Strafprozess im Vordergrund steht, ist die nach dem individuellen Motiv des Angeklagten. Im Fall von Ausonius zeigt ein Blick in seinen Lebenslauf, dass er zu Gewalt und spontanen Überreaktionen neigt. Während seines Militärdienstes lernte er mit Waffen umzugehen, konnte sich dabei nicht unterordnen und hatte die ersten körperlichen Auseinandersetzungen. Nach seiner Militärzeit wurde Ausonius mehrfach wegen Körperverletzung und Scheckbetrugs festgenommen. Als er wegen einer gewalt­tätigen Auseinandersetzung 1985 eine Haft­strafe verbüßte, lernte er den Usta­scha-­Terroristen Miro Barešić1 kennen. Von diesem erhielt Ausonius detaillierte Informationen über dessen frühere terroristische Aktivitäten. Es ist zu vermuten, dass er sich bei Barešić sein späteres, detailliert geplantes Vorgehen für seine Taten aneignete. Eine weitere Frage, die in der prozessualen Form der Aufklärung völlig außen vor bleibt, ist die nach der Wirkung der Tat. So wurde nicht erörtert, inwiefern die Taten als Vorbild für andere Rechtsterroristen dienten oder welche Auswirkungen der Mord an Blanka Zmigrod auf die jüdische Community Frankfurts gehabt haben könnte.

Blaupause für den NSU?

Die militante Neonaziszene erkannte in den Morden des „Lasermann“ ein Vorbild: „Vit ariskt motstand“ (Weißer arischer Widerstand) druckte in den 1990er Jahren T-Shirts mit der Aufschrift „Der Lasermann — ein Lichtblick im Dasein“. Auch Anders Breivik nannte vor Gericht Ausonius als Vorbild. Das Vorgehen von Ausonius wurde zudem im „Blood & Honour-­Field-Manual“ des norwegischen Neonazis Erik Blücher (auch: Tor Erik Nilsen) als ein Beispiel für führerlosen Widerstand benannt. Das Field-Manual wurde im Jahr 2000 in Umlauf gebracht, im gleichen Jahr ermordete der NSU mit Enver Şimşek sein erstes Opfer.

Auch die detaillierten Planungen der Banküberfälle, Morde und Mordversuche durch Ausonius ähneln dem Vorgehen des NSU. Bei den Banküberfällen ging Ausonius im Anzug aus dem Haus und fuhr zunächst mit dem Fahrrad los. Unterwegs zog er sich um und verübte in einem Sportdress den Bankraub. Auf dem Rückweg wechselte er erneut die Bekleidung und verstaute das erbeutete Geld in einem Aktenkoffer. In einigen Fällen nutze er auch einen Mietwagen. Bei der Anschlagsserie ging er ähnlich vor. Bei seinem ersten Mordversuch zielte er noch aus der Distanz mit einem Gewehr auf die Opfer. Der dabei vom Zielfernrohr entstehende rote Punkt auf den Körpern der Menschen brachte ihm in der schwedischen Presse den Beinamen „Lasermannen“ ein. Mit jedem Attentat verringerte Ausonius die Distanz zwischen sich und dem Opfer.

Am 8. November 1991 stellte er sich direkt hinter den gebürtigen Iraner Jimmy Ranjbar und schoss ihm aus nächster Nähe in den Kopf. Ranjbar starb am nächsten Tag. Später gab Ausonius an, nach seinem ersten Mord Reue empfunden zu haben, was ihn jedoch nicht davon abhielt, weitere Attentate zu begehen. In Uppsala ging er auf ein Paar zu und schoss Erik Bongcam-Rudloff in den Kopf, der glücklicherweise überlebte.

Ausonius wählte seine ihm unbekannten Opfer nach rassistischen Kriterien aus. Für die Taten verwendete er beim zweiten Teil seiner Anschlagsserie einen Revolver mit Schalldämpfer statt des Gewehrs mit Zielfernrohr, zusätzlich maskierte er sich. Die Auswahl der Opfer, der Weg zu und von den Tatorten weg sowie die Eigenfinanzierung durch Banküberfälle weisen Parallelen zum NSU auf. Es erscheint als möglich, dass es sich bei dem Vorgehen von Ausonius um eine Vorlage oder „Blaupause“ für den NSU gehandelt hat, zumal der NSU mit dem Blood and Honour-Netzwerk verknüpft war, und es durchaus eine Affinität und Offenheit für solche Konzepte gab.

(Nähere Informationen zur Biografie von John Ausonius gibt es im Text von Sebastian Hell in der Lotta 68 oder unter www.lotta-magazin.de/ausgabe/68/der-laserman)

  • 1Barešić gehörte der faschistischen Terrororganisation „Kroatischer Nationaler Widerstand“ ("Hrvatski narodni otpor") von Exilkoraten an und war 1971 an der Ermordung des jugoslawischen Botschafters in Stockholm beteiligt, weswegen er in Schweden inhaftiert war.