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Solidaritätskampagne für inhaftierte Antifaschisten

Kampagne „Antifaschismus bleibt notwendig“ (Gastbeitrag)
Einleitung

Die Solidaritätskampagne für die inhaftierten Antifaschisten „Jo“ und „Dy“.

Im Sommer 2020 durchsuchte die Polizei Wohnungen von neun Antifaschist_innen in Baden Württemberg. Im Zuge dieser Polizeiaktion wurde der Antifaschist „Jo“ in Untersuchungshaft genommen. Bei weiteren Hausdurchsuchungen im November 2020 wurde der kurdische Aktivist und Antifaschist „Dy“ ebenfalls inhaftiert. Das erste Verfahren im sogenannten „Wasen-Komplex“ ist inzwischen abgeschlossen. Noch nicht absehbar ist, wann und in welcher Form gegen die acht weiteren Beschuldigten der Hausdurchsuchungen vom 2. Juli 2020 vorgegangen werden wird, was nach dem inzwischen rechtskräftigen Urteil möglich geworden ist. Nachdem die Revision im „Wasen-Verfahren“ gegen „Jo“ & „Dy“ abgelehnt wurde, können nun auch die abschließenden Zivilforderungen der angegriffenen Neonazis verhandelt werden – zu erwartende Kosten: 100.000 Euro.

Am 21. Juli 2022 wurde unerwartet und ohne vorherige Ankündigung die Revision gegen das Urteil vom Stuttgarter Oberlandesgericht vom 13. Oktober 2021 vom Bundesgerichtshof (BGH) in Karlsruhe abgelehnt. Dieser beruft sich hierbei vollständig auf die Argumentation der Bundesanwaltschaft – die in Revisionsverfahren zuständig ist – ohne auf die Argumentation der Verteidigung auch nur im Grundsatz einzugehen. Die Haftstrafen von 4,5 und 5,5 Jahren sind damit rechtskräftig geworden.

„Dy“ saß bereits seit Anfang November 2020 und damit seit über 640 Tagen im Gefängnis. Am 10. August wurde er aus der Untersuchungshaft in den Normalvollzug in der Justizvollzugsanstalt (JVA) Bruchsal verlegt. Schneller als erwartet bekam auch „Jo“ am 22. August 2022 einen Termin zum Haftantritt in der JVA Ravensburg, wo er seitdem seine Reststrafe von 4 Jahren absitzen muss. Zum seinem Haftantritt begleiteten ihn über 120 Genoss_innen aus ganz Süddeutschland. In einer lautstarken Spontandemonstration zogen sie gemeinsam mit „Jo“ von der Rückseite der JVA Ravensburg zum Ort der Kundgebung im Eingangsbereich. Auf der Kundgebung wurden verschiedene Grußworte verlesen, so vom Bundesvorstand der „Roten Hilfe“, der „Plattform Perspektive Kommunismus“, der „Antifaschistischen Aktion Süd“, dem „129a-Solikreis“ aus FFM, der „Waterkant Antifa“, vom „OTFR Tübingen“ und sogar vom Antifaschisten „Findus“, der selbst seit dem 19. Juli 2021 in der JVA Heimsheim inhaftiert ist. Sie alle haben deutlich gemacht, dass „Jo“ in der kommenden Haftzeit nicht alleine ist. Auch als „Jo“ das Gefängnis bereits betreten hatte, wurde er weiterhin lautstark mit Parolen unterstützt und noch vor Ort wurden unzählige Briefe an ihn geschrieben. Mit seinem Haftantritt beginnt eine neue Phase der Solidaritätsarbeit.

Hierbei helfen die Erfahrungen, die bei der Begleitung anderer inhaftierter Genoss_innen gemacht wurden, sowie die eigenen Erfahrungen des Solidaritätsbündnisses bei der Begleitung von „Jo“ & „Dy“ während ihrer Zeit in Untersuchungshaft. Die Isolation des Gefängnisses über den gesamten Zeitraum der Haft zu überwinden, spielt hierbei eine zentrale Rolle. Es muss gelingen, die Solidarität kontinuierlich über die gesamte Zeit der Haft aufrecht zu erhalten, die räumliche Trennung zu überwinden und „Jo“ & „Dy“ weiterhin in die politischen Kämpfe zu integrieren. Die  politischen Kämpfe gehen auf beiden Seiten der Gefängnismauern weiter, auch wenn sie sich vielleicht in ihrer Intensität und ihrem Charakter unterscheiden. Auch der Knast ist ein politischer Raum, und wir als Solidaritätsbündnis werden sie so gut wie möglich dabei unterstützen, diesen Raum zu nutzen, damit sie auch nach Jahren in Haft ungebrochen und erhobenen Hauptes wieder zu uns stoßen können.

Das erfordert eine kontinuierliche, intensive Solidaritätsarbeit über einen sehr langen Zeitraum hinweg. Doch es ist wichtig, dass „Jo“ & „Dy“ über den gesamten Zeitraum ihrer Haft spüren, dass sie Teil einer aktiven politischen Bewegung sind. Dafür müssen alle verschiedenen Formen der Solidaritätsarbeit Anwendung finden und sich ergänzen- ob durch Briefe, finanzielle Unterstützung, Solidaritätsaktionen, Briefe, Botschaften oder Bilder.

Hintergrund

„Jo“ & „Dy“ sowie allen anderen Betroffenen der Hausdurchsuchungen wird vorgeworfen, Mitglieder der rechten Scheingewerkschaft „Zentrum Automobil“ angegriffen zu haben, als diese im Frühjahr 2020 auf dem Weg zu einer „Querdenken“-Demonstration in Stuttgart waren (Vgl. AIB Nr. 129/4.2020). Der Name des Vereins wurde 2022 von „Zentrum Automobil“ auf „Zentrum“ umbenannt.1 Die Proteste rund um die Corona-Maßnahmen nutzte „Zentrum“ genau wie viele andere (extreme) Rechte, um inhaltlich Einfluss zu nehmen und sich weiter zu vernetzen. „Zentrum“ ist ein rechtes Betriebsprojekt, geführt vom langjährigen Neonazi und ehemaligen RechtsRock-„Noie-Werte“-Bassisten Oliver Hilburger. „Zentrum“ hat diverse personelle und organisatorische Verbindungen zur ultra-rechten Szene in Deutschland. So begreifen auch Teile des „Flügels“ der „Alternative für Deutschland“ (AfD) „Zentrum“ als „Vorfeldorganisation“ und verlängerter Arm in die Betriebe, um dort mit rechten Inhalten an Einfluss zu gewinnen.

Was macht einen Verein wie „Zentrum“, der sich als Gewerkschaft bezeichnet so gefährlich? „Zentrum“ stellt sich vor allem in der Automobilindustrie und in Krankenhäusern als Opposition zu den DGB-Gewerkschaften dar. Mit rassistischer Hetze und rechten Krisenerklärungen versucht der Verein Belegschaften zu spalten und vom Klassenkampf abzuhalten. In Krisenzeiten wie der Corona-Krise, dem aktuellen Krieg in der Ukraine oder bei den Teuerungen, die berechtigten Unmut in der Gesellschaft auslösen, lenkt „Zentrum“ mit rechten Narrativen von den Verursachern ab und die Proteste in systemkonforme Bahnen. Kommt es zu Massenprotesten der Bevölkerung, ist es die Aufgabe von Antifaschist_innen, rechte AkteurInnen davon abzuhalten, diese Protestbewegungen zu beeinflussen oder für sich zu vereinnahmen.

Neben einer Krisenantwort von links sind hier vielfältige Arten antifaschistischer Interventionen notwendig, die sich gegenseitig ergänzen können. Die von rechts vereinnahmten Massenproteste während der COVID19-Pandemie haben Möglichkeiten und Grenzen derartiger Interventionen aufgezeigt. Die Beteiligung an einer solchen antifaschistischen Intervention wurde „Jo“ & „Dy“ vorgeworfen.

In einem Indizien-Prozess wurde „Jo“ zu 4,5 Jahren und „Dy“ zu 5,5 Jahren Haft verurteilt, obwohl ihnen selbst nach den Maßstäben der bürgerlichen Justiz eine Tatbeteiligung nicht eindeutig nachgewiesen werden konnte. Konsequente antifaschistische Politik ist dem Staat ein Dorn im Auge und soll daher delegitimiert und kriminalisiert werden. Verwunderlich ist dies nicht, schaut man auf die zahlreichen rechten Netzwerke in den sogenannten Sicherheitsbehörden, Neonazi-Chatgruppen bei der Polizei oder den allgemeinen gesellschaftlichen Rechtsruck, der bis in die Justiz hineinwirkt.

Dies alles geschieht in einer Zeit rechter Massenmobilisierungen, rechter Terroranschläge und immer häufigeren (rassistischen) Morden durch die Polizei. Auf den Staat können wir uns daher nicht verlassen und müssen stattdessen eigene Strategien entwickeln. Wie die Justiz eine Aktion im Nachhinein juristisch bewertet sollte dementsprechend kein Maßstab sein, an dem sich die antifaschistische Bewegung orientiert. Vielmehr sind für uns die Notwendigkeit, Durchführbarkeit, Effektivität und Vermittelbarkeit die ausschlaggebenden Faktoren.

Auch in dieser aktuellen Krisensituation werden verschiedene antifaschistische Interventionen notwendig sein. Umso wichtiger ist es, dass wir auf staatliche Repression nach antifaschistischen Interventionen kollektiv reagieren und uns mit den Betroffenen solidarisch zeigen.

Schadensersatz im Zivilrecht

An das Urteil schließt sich eine zivilrechtliche Schadensersatzforderung mit einem Streitwert in Höhe von 140.000 Euro an. Nicht nur die hohen Haftstrafen, sondern auch die hohen Kosten sind ein Aspekt staatlicher Repression und stellen eine hohe Belastung für die beiden Verurteilten und ihre Familien dar. Auch dieser Art der Repression müssen wir uns als antifaschistische Bewegung stellen- und das gemeinsam und solidarisch. Gerade weil die „Jo“ & „Dy“ stellvertretend für unsere Bewegung in Haft sitzen, können wir ihnen zumindest die Kosten abnehmen. Helft mit und spendet für „Jo“ & „Dy“, auch wenn es nur ein kleiner Betrag ist. Denn: Antifaschismus bleibt notwendig - Freiheit für Jo und Dy!

notwendig.org/solidaritaet
betterplace.me/solidaritaet-unbezahlbar
instagram.com/un.bezahlbar

Spendet für die Kosten des Verfahrens:
IBAN: DE66430609674007238313,
BIC: GENODEM1GLS

Und schreibt Briefe an:

Rote Hilfe Stuttgart
Böblingerstr. 105
70199 Stuttgart
Stichwort: Jo

  • 1Anmerkung AIB: Ende 2020 erfolgte die Umbenennung von von "Zentrum Automobil e.V." in "Zentrum Automobil e.V. Z.A. - Zentrum Alternative Gewerkschaft"