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Sieg für die Pressefreiheit?

Einleitung

Ende Juni setzte sich die rechte Wochenzeitung Junge Freiheit (JF) mit einer Klage gegen ihre Erwähnung im Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein Westfalen durch. Die JF feierte dies als »Sieg für die Pressefreiheit«.

Das Presseecho war positiv. Uni-sono lobten Süddeutsche Zeitung, taz und Frankfurter Rundschau die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zugunsten der JF. Diese hatte sich seit 1996 durch alle gerichtlichen Instanzen gegen ihre Erwähnung im Verfassungsschutzbericht des Landes NRW geklagt. Nun entschied das BVerfG, dass diese Erwähnung einen Eingriff in die Pressefreiheit darstelle und verwies die Klage zurück an die Verwaltungsgerichtsbarkeit in NRW. Dort soll nun u.a. geprüft werden, ob die vom Verfassungsschutz (VS) als Indiz für die rechtsextreme Ausrichtung der Zeitung angeführten Artikel in ihrer Mehrheit in redaktioneller Verantwortung oder von externen Autoren geschrieben wurden.

Bild: attenzione-photo.com

Der Stand der Jungen Freiheit auf der Frankfurter Buchmesse 2005.

Im Jahr 1994 erschien die JF erstmals als Wochenzeitung.Zunächst in Potsdam angesiedelt, zog die Redaktion Ende der 1990er Jahre nach Berlin. Mit einer geschätzten Auflage von 10.000 Exemplaren und ihrer Präsenz an Zeitungskiosken ist die JF eine Ausnahmeerscheinung im Spektrum rechter Zeitungen, existieren doch die meisten extrem rechten Zeitungen aufgrund ihrer hohen Leser-Blatt-Bindung als publizistische Nachtschattengewächse. Seit ihrer Gründung als Schülerzeitung in Süddeutschland im Jahr 1986 agiert sie an der publizistischen Schnittstelle zwischen Konservatismus und Rechtsextremismus. Kern ihrer Strategie ist es, das Etikett »konservativ« soweit zu verwaschen, dass sich hierunter auch extrem rechte politische Positionen als »konservativ« deklarieren lassen. Exemplarisch wurde dies am Beispiel des von der JF vehement verteidigten Bundestagsabgeordneten Martin Hohmann deutlich. Die JF bot den Unterstützern Hohmanns ein breites publizistisches Forum. Sie veröffentlichte den Aufruf »Kritische Solidarität mit Martin Hohmann«, dessen organisatorischer Koordinator, der ehemalige ZDF-Magazin-Redakteur Fritz Schenk, inzwischen eine wöchentliche Kolumne in der JF schreibt. Diese unter der Chiffre Konservatismus firmierenden rechten Positionen sind Programm in der JF. Hier interpretiert man den von der Union politisch repräsentierten Konservatismus der Bundesrepublik in der Denktradition von Armin Mohler als zahnlos, nationsvergessen und liberal. Das Spektrum dessen, was in der JF unter »konservativ« firmiert, reicht vom Nationalkonservatismus über jungkonservative und nationalrevolutionäre Positionen bis zur sogenannten »Konservativen Revolution« der zwanziger Jahre des 20. Jahrhunderts, die als deutsche Spielart der nicht-nationalsozialistischen europäischen Faschismen gelten kann. So ist es kein Zufall, wenn die JF apologetische Neuerscheinungen über Ernst Jünger oder Carl Schmitt lobt, unentwegt gegen die vorgebliche geschichtspolitische Selbstkasteiung der Deutschen anschreibt und in der Vergangenheit fast jedes Projekt zur Etablierung einer Partei rechts der CDU zumindest zeitweise publizistisch unterstützte.

Wissenschaftlicher Begriffsstreit und die VS – Beobachtungspraxis

Der NRW-Verfassungsschutzbericht erwähnte die JF seit 1995 unter der Rubrik »Rechtsextremismus«. Die Zeitung, so hieß es seitdem dort, »biete tatsächliche Anhaltspunkte für den Verdacht des Rechtsextremismus«. Der VS ordnete die Zeitung in der Vergangenheit in die Strömung der sogenannten »Neue Rechte« ein. Unter Bezugnahme auf den Politologen und wissenschaftlichen Referenten des Bundesamtes für Verfassungsschutz Armin Pfahl-Traughber argumentiert der NRW VS, die »Neue Rechte« sei eine intellektuelle Strömung innerhalb des bundesdeutschen Rechtsextremismus und somit beobachtungsrelevant. In seinem Buch »Konservative Revolution und Neue Rechte« entwickelt Pfahl-Traughber ein Modell der Neuen Rechten, in dem die Grenzen zwischen etabliertem Konservatismus und Rechtsextremismus statisch definiert sind. Dies hat den Vorteil, dass der etablierte Konservatismus auch dann nicht in die Nähe extrem rechter Positionen gerät, wenn er sich diskursiv für Elemente rechtsextremer Ideologie, etwa in punkto Nationverständnis oder Einwanderungspolitik, öffnet. Dass gerade der etablierte Konservatismus jedoch Zielpunkt »neurechter« politischer Kampagnen ist, blendet Pfahl-Traughber aus politischen Gründen aus. Nur diese scheinbar eindeutige Abgrenzbarkeit konservativer Positionen von solchen der extremen Rechten, ermöglicht es, den Konservatismus als immun für rechte Ideologieelemente zu beschreiben. Das Modell des Hamburger Politikwissenschaftlers Wolfgang Gessenharter spricht dagegen von der »Neuen Rechten« als einem Scharnier zwischen einem Teil des Konservatismus und Rechtsextremismus. Anders als Pfahl-Traughber sieht Gessenharter die »Neue Rechte« als politische Strömung, die zwischen Rechtsextremismus und Konservatismus changiert. Dies trägt der Tatsache Rechnung, dass sich einige ideologische Grundannahmen zu Themen wie Staatslehre und Menschenbild überschneiden. In der Politikwissenschaft ist der Begriff »Neue Rechte« höchst umstritten. Denn ähnlich wie bei dem der »Konservativen Revolution« handelt es sich hierbei um die Übernahme einer Eigenbezeichnung. Zudem steht in der Forschungsliteratur die Frage, worin das spezifisch »Neue« an dieser Rechten gegenüber der Tradition völkischer und faschistischer Gesellschaftskonzepte der Vergangenheit besteht. Die wissenschaftlichen Befürworter des Begriffs argumentieren, es habe bei der Herausbildung der »Neuen Rechten« seit Ende der 1960er Jahre eine Transformation tragender Ideologieelemente, wie etwa des völkischen Rassismus zum Ethnopluralismus, gegeben. Die Gegner des Begriffs verweisen auf die ideologiegeschichtliche Kontinuität der »Neuen Rechten« zu den europäischen Faschismen und stellen eine abgrenzbare Veränderung eben dieser Ideologieelemente in Frage. Hinzu kommt, dass die Diskussion darüber, was denn als »neu-rechts« zu gelten habe, im Spektrum »neurechter« Akteure kontrovers und in Abhängigkeit von der Konjunktur politischer Themen diskutiert wird.

Publizistische und juristische Auseinandersetzung der JF mit dem Verfassungsschutz NRW

In den vergangenen Jahren ließ die JF nichts unversucht, um sich als Opfer einer vom VS NRW behördlich sanktionierten Kampagne von Medien und Antifa in Szene zu setzen. Zunächst hatte der ehemalige FDP-Abgeordnete und Gründer der national-liberalen Partei »Bund Freier Bürger« (BFB), Manfred Brunner, die JF juristisch vertreten. Später übernahm der ehemalige Generalbundesanwalt Alexander von Stahl das Mandat. Stahl tritt auch als Werbeträger für die JF für Anzeigen in überregionalen Tageszeitungen in Erscheinung. Die ursprünglich beim Verwaltungsgericht Düsseldorf eingereichte Klage argumentierte juristisch auf mehreren Ebenen. Erstens sei der VS NRW für eine in Berlin erscheinende Wochenzeitung nicht zuständig, zweitens sei die in Rede stehende Erwähnung im Jahresbericht des VS NRW ein illegitimer Eingriff in die Pressefreiheit, da der VS den Nachweis des rechtsextremen Charakters der JF über Jahre schuldig geblieben sei. Die im hauseigenen Verlag als Dokumentation herausgegebenen Klageschriften wurden von prominenten rechtskonservativen Politikern, wie dem ehemaligen Berliner Innensenator Heinrich Lummer, unterstützt. Wichtiger jedoch als die Gerichtsverfahren war der JF die Selbstinszenierung als Opfer eines angeblich repressiven Klimas öffentlicher Meinung, welches in einer »political correctness« seinen Ausdruck fände, die keine abweichenden Meinungen, wie die der JF, dulde. Derart von einer feindlichen Phalanx aus linksliberalen Medien, Kampagnen der Antifa und dem VS umziegelt, erscheint das eigene publizistische Projekt in um so hellerem Lichte. Mit einem vor der JF initiierten »Appell für die Pressefreiheit« gelang es der Zeitung, prominente Unterstützer zu gewinnen, die nicht dem diskursorientierten Rechtsextremismus zuzuordnen sind. Ähnlich verhält es sich mit den prominenten Interviewpartnern der JF aus dem bürgerlich-liberalen Spektrum. Diese dienen der Zeitung als Nachweis ihrer politischen Pluralität. Interviews in der JF ziehen meist eine kurzzeitige mediale Skandalisierung nach sich, die der Zeitung regelmäßig eine gewisse Aufmerksamkeit sichert. Anfang dieses Jahres legte JF-Chef Dieter Stein mit einem theoretischen Exposé über den Begriff »Neue Rechte« nach. Hierbei handele es sich um einen politischen Kampfbegriff, der wissenschaftlich unbrauchbar sei, da von der Linken instrumentalisiert. Die »Neue Rechte« sei keine homogene politische Strömung, die eindeutig identifizierbare politische Ziele verfolge. Somit fehle es den unter diesem Begriff eingeordneten politischen Strömungen an Kohärenz. Stein erklärt die »Neue Rechte« zu einer Chimäre des Verfassungsschutzes. Seine intellektuell dürftige Ideologiegeschichte der »Neuen Rechten« bleibt jedoch in sich widersprüchlich, wenn Stein sich bspw. im Gespräch mit dem Vordenker der französischen »Nouvelle Droite«, Alain de Benoist positiv auf die von diesem begrifflich skizzierte »Neue Rechte« bezieht. Sein Anliegen, die »Neue Rechte« aus dem Dunstkreis rechtsextremer Ideengeschichte zu befreien, führt Stein ad absurdum, wenn er den Europa-Mythos der SS und den Gründer der Zeitschrift »Nation & Europa«, Arthur Erhard, als Bezugspunkte neurechter Ideologie anführt.

Fazit

Aus einer Grundrechtsperspektive heraus betrachtet ist das Urteil zu begrüßen. Denn die politische Auseinandersetzung mit Rechtsextremismus sollte nicht in den Händen eines Geheimdienstes, sondern in denen der Gesellschaft liegen. Das Urteil könnte dennoch die behördliche Meßlatte für politische Phänomene, die dem VS als »beobachtungsrelevant« erscheinen, erhöhen. Welche Folgen das BVerfG-Urteil für die politische Auseinandersetzung mit der JF hat, ist einigermaßen unabsehbar. Zwar wird es wahrscheinlich auch in Zukunft vom Recht auf Meinungsfreiheit gedeckt sein, die JF als extrem rechts zu bezeichnen. Doch über den Umweg der Klage gegen den VS NRW zielt die JF auf den Charakter der veröffentlichten Meinung. Das Urteil birgt die Gefahr, dass sich Medien künftig schwerer damit tun, die JF als »rechtsextrem« zu klassifizieren, wenn dies nicht mehr behördlich gedeckt sein sollte. Die Furcht vor juristischen Sanktionen durch die Anwälte der JF könnte Medien davon abhalten, hier einen publizistisch-politischen Konflikt zu suchen. Das positive Presseecho auf das BVerfG-Urteil wird von der JF jedoch als der eigentliche Erfolg angesehen. In den letzten Wochen sind in den großen überregionalen Tageszeitungen JF-Werbeanzeigen erschienen, die das Urteil als Sieg für die Pressefreiheit feiern und Gratisabonnements offerieren. Ob der VS NRW die »Neue Rechte« unter den neuen politischen Verhältnissen in NRW weiterhin im Visier behält, bleibt abzuwarten.