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Sieg der Frente Popu­lar

Florian Osuch
Einleitung

Am 16. Februar 1936 gewann in Spanien ein Bündnis aus Sozialisten, Kommunisten und bürgerlich-liberalen Republikanern die Parlamentswahlen. Unterstützt wurden sie von Anarchisten und Anhängern der katalanischen Unabhängigkeitsbewegung.

Foto: Google Cultural Institut cc-by-sa/PD-US

Es war ein ungewöhnliches Bündnis, das den Namen Volksfront (spanisch Frente Popu­lar) trug. Trotz ideologischer Unterschiede und obwohl sich einige der beteiligten Organisationen in der Vergangenheit feindlich gegenüber standen, hatten sie doch allesamt eingesehen, dass man die Gefahr des Faschismus in ihrem Land nur gemeinsam abwehren könne. Im Nachbarland Portugal hatte 1933 António Salazar den faschistischen „Estado Novo“ ausgerufen, in Italien herrschte Mussolini und in Deutschland war Hitler die Macht übertragen worden. Wie real die faschistische Bedrohung auch in Spanien war, sollte sich mit dem Putsch unter General Franco nur ein halbes Jahr nach dem Sieg der Volksfront zeigen.

Wie kam es nun zu diesem historischen Bündnis? Nachdem in Spanien 1931 der König gestürzt und eine bürgerlich-parlamentarische Demokratie gebildet worden war, wechselten sich republikanisch geführte Regierungen und solche der klerikal-monarchistischen Rechten ab. Zentrale Fragen in jener Zeit waren die Belange der Arbeiterklasse, eine Reform der auf Adel und Großgrundbesitz ausgerichteten Landwirtschaft, die Trennung von Kirche und Staat sowie Autonomierechte für die Regionen Katalonien, Galicien und dem Baskenland. Ab 1933 waren die Rechten am Zug. Sie gingen hart gegen zaghafte Versuche einer Demokratisierung vor und nahmen erste Reformen in den genannten Bereichen wieder zurück. Das Regime stütze sich wieder auf die alte Herrschaft aus Oligarchen, Adel, Kirche, Monarchisten, Militärs und aufstrebenden faschistischen Kräften. Dieser Koalition stand ein weitgehend zersplittertes Lager von Liberalen, Sozialisten, Republikanern, Kommunisten und Regionalparteien gegenüber.

Viele Arbeiter in Spanien trotzten der rechten Zentralregierung. Es kam zu Massenmobilisierungen und Streiks. 1934 revoltierten Arbeiter in Asturien in Nordspanien. Temporär überwanden dort Sozialisten, Anarchisten und Kommunisten ihre Streitigkeiten. 8.000 Bergleute besetzten die Provinzhauptstadt Ovideo. Eine proklamierte Arbeiter- und Bauernmacht hielt neun Tage. Die Regierung ließ Francisco Franco die Revolte niederschlagen. Mehr als 2.000 Arbeiter wurden getötet, 40.000 Personen verhaftet. Die Repression traf nicht nur die Arbeiterparteien, sondern auch bürgerliche Liberale und Republikaner. Folglich setzte man sich gemeinsam für die Freilassung der Inhaftierten ein.

Der kommunistischen Bewegung, in Spanien durch die PCE vertreten, kam in diesem Zusammenhang eine besondere Bedeutung zu. Auf dem VII. Weltkongress der Kommunistischen Internationale im Sommer 1935 in Moskau wurde beschlossen, Sozialisten, Sozialdemokraten und linksbürgerlichen Kräfte fortan nicht mehr als Feinde zu betrachten. José Díaz, Generalsekretär der PCE, rief zur Einheit aller Antifaschisten auf. Doch die bürgerlichen Kräfte trauten den Kommunisten zunächst nicht, denn deren revolutionäre Basis wollte die parlamentarische Demokratie durch einen demokratischen Zentralismus sowjet­ischer Prägung ersetzen.
Wegen eines Korruptionsskandals geriet die rechte Regierung ins Wanken und Neuwahlen wurden angesetzt. Nach kurzen und zähen Verhandlungen schlossen sich die antifaschistischen Kräfte am 15. Januar 1936 zur Volksfront zusammen. Ihr gehörten gemäßigten Republikaner, bürgerliche Liberale, die sozialistische PSOE, die Kommunisten sowie die kleine linkssozialistische POUM an. Unterstützung kam von der führenden Kraft in Katalonien, der Republikanischen Linken ERC, und auch vom führenden Gewerkschaftsverband UGT. Bedeutsam war zudem, dass die anarchistische CNT erstmals nicht zum Wahlboykott aufrief.
Doch das Misstrauen der bürgerlichen Parteien gegenüber den Kommunisten —und selbst gegenüber den Sozialdemokraten — war groß. Liberale und Republikaner setzten durch, dass bei einem Wahlsieg nur sie allein die Regierung stellen würden. Angesichts der „unmittelbaren bevorstehenden Drohung“ durch den Faschismus, wie die spätere Vorsitzende der PCE Dolores Ibárruri in ihren Erinnerungen1 schrieb, traten die Kommunisten der Frente Popular bei. Bei den Wahlen am 16. Februar 1936 konnte die Volksfront einen historischen Sieg erringen. Sie kam auf 277 der 441 Sitze im Parlament, auf rechte Parteien kamen 132 Mandate, 32 Sitze gingen an das sogenannte Zentrum.

Der Sieg des antifaschistischen Blocks hatte die revolutionär eingestellten Wähler euphorisiert, darunter viele Anarchisten, die sich erstmalig an einer Abstimmung beteiligt hatten. Noch bevor die neue Regierung vereinbarungsgemäß ein Dekret für die Freilassung politischer Gefangenen unterzeichnet hatten, stürmten bereits Arbeiter dutzende Gefängnisse und befreiten ihre Mitstreiter. Auf dem Land warteten die Bauern nicht auf Maßnahmen ihrer Regierung, man ging zur direkten Aktion über. Ausgehend von Extremadura im Südwesten Spaniens startete eine Welle von Landbesetzungen. Derlei Aktivitäten zwangen die Regierung, ihre geplante Agrarreform unverzüglich vorzunehmen. Es wurden fast 800.000 Hektar Land verteilt, davon waren 100.000 Hektar ohne Vergütung vom Grundadel konfisziert worden. So mancher Großgrundbesitzer wurde von seinem Gut verjagt, Andere setzten sich ins Ausland ab.

Auch die Entmachtung der Kirchen ging Einigen nicht schnell genug. Im ganzen Land wurden Kirchen und Klöster in Brand gesetzt. Binnen weniger Monate ließ die Regierung 7.000 weltliche Schulen errichten und konnte so das Bildungswesen zumindest teilweise aus den Händen des Klerus reißen. Auch die Katalanen nahmen ihre Zukunft selbst in die Hand ohne auf Weisung aus Madrid zu warten. Sie proklamierten ihre Autonomie und die abgesetzte Regionalregierung nahm ihre Arbeit wieder auf. Für Galicien und das Baskenland wurden eigene Autonomiepläne verwirklicht.

Die spanische Rechte hatte ihre Niederlage zügig verarbeitet. Monarchisten, verbliebene Großgrundbesitzer, Industrielle, Adelige, Vertreter der Kirche und des Militärs sowie Bürgerlich-Konservative im Bündnis mit Faschisten setzten alles daran, das Land zu destabilisieren und die Volksfront zu stürzen. Die berüchtigte Polizeitruppe Guardia Civil ging gegen revolutionäre Bauern vor. Konzernherren schlossen ohne ersichtlichen Grund zahlreiche Fabriken, die Arbeitslosigkeit stieg. Faschistische Gruppierungen setzten auf Straßenterror, der vor allem Kommunisten, Sozialisten und Liberale traf. Kein Tag verging ohne Tote. Politiker, Journalisten, Richter und Kulturschaffende wurden ermordet. Frühzeitig wurde die faschistische Bewegung aus Deutschland unterstützt. Die NSDAP verfügte im April 1936 bereits über 50 Stützpunkte im ganzen Land und auch die Gestapo hatte ihre Arbeit bereits aufgenommen.

Vor allem die Kommunisten warnten, die Gefahr des Faschismus sei mit der Übernahme der Regierung keineswegs gebannt. Sie forderte unter anderem, rechte Militärs zu entlassen, doch dazu kam es nicht. Francisco Franco war mittlerweile Oberbefehlshaber der Armee und wurde als Militärgouverneur auf die kanarischen Inseln versetzt. Im Hintergrund wurden bereits Pläne für einen Umsturz geschmiedet.

Am 17. Juli 1936 putschten Militärs unter der Führung von Franco. Die Rechten errangen bald die Kontrolle über die Städte Sevilla, Cádiz, Córdoba, Zaragoza, Burgos sowie über die Regionen Galicien, Mallorca und Navarra. Die bevölkerungsreichen Provinzen Madrid, Valencia und Barcelona blieben bis fast zum Ende des Spanienkrieges unter Kontrolle der Volksfront. Das nationalsozialistische Deutschland unterstützte seinen Verbündeten: Bereits im November 1936 trafen die ersten 5.000 Wehrmachtssoldaten in Spanien ein, Ende November weitere 7.000 Soldaten der Legion Condor. Antifaschisten aus ganz Europa und Übersee gingen nach Spanien und bildeten die Internationalen Brigaden. Doch auch sie konnten die Putschisten nicht aufhalten. Am 1. April 1939 erklärte Franco den Sieg über die Spanische Republik. Er führte das Land in eine klerikal-faschistische Diktatur und stand bis zu seinem Tod 1975 an der Spitze des Staates.

Zum Weiterlesen:

Peter Rau: Der Spanienkrieg 1936—39, PapyRossa Verlag, Köln 2012
Silke Hünecke: Überwindung des Schweigens — Erinnerungspolitische Bewegung in Spanien, Edition Assemblage, Münster 2015

Dolores Ibárruri: Der einzige Weg. Erinnerungen. Dietz Verlag, Berlin 1964.