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Schweden: Halbherzige Ermittlungen nach Bomben-Terror

Einleitung

Bisher gibt es noch keine Festnahmen im Zusammenhang mit der Autobombe, mit der am 28. Juni 1999 die beiden antifaschistischen JournalistInnen Peter Karlsson und Katarina Larsson ermordet werden sollten. Die Bombe verletzte Karlsson und seinen achtjährigen Sohn. Karlsson und seine Ehefrau Larsson, beide frühere MitarbeiterInnen der Antifa-Zeitschrift Expo, gelten als zwei der führenden JournalisInnen zum Thema Neonazismus. Sie haben sich auf die White-Power-Musikszene spezialisiert. Vor kurzem veröffentlichten sie einen Artikel über die Neonazi-Unterwanderung des Militärs. Nach diesem Artikel begannen die Morddrohungen gegen das Paar.

Bild: Faksimile aus DER SPIEGEL 45/1999

Nach Auffassung der Polizeispezialisten war die Bombe darauf ausgerichtet zu töten, nicht nur zu verletzen oder einzuschüchtern. Die Bombe war in dem Auto von Karlsson und Larsson untergebracht und explodierte, als der Motor angelassen wurde. Aber weil die Autotüren noch geöffnet waren, wirkte die Explosion nicht tödlich. Karlsson erlitt schwere Rückgratverletzungen. Sein achtjähriger Sohn wurde ebenfalls schwer verletzt.

Die Fahndung konzentriert sich auf mehrere Neonazi-Gruppen im Grossraum Stockholm.

Zwei Tage nach dem Anschlag trat Katarina Larsson im Fernsehen auf und erklärte, dass sie und ihr Ehemann sich nicht abschrecken lassen würden. Sie verlangte von der Polizei, dass sie Nazismus nicht länger als Problem von ein paar besoffenen Skinheads betrachtet, sondern als gutorganisierten politischen Apparat, der eine unmittelbare Bedrohung für Einzelpersonen und die gesamte Gesellschaft darstellt.

Neonazismus: Ein kleines Problem?

Anders Eriksson, ein Chef der schwedischen Sicherheitspolizei Säpo widersprach Larsson sofort. Die Säpo wisse über die Neonazigruppen bestens Bescheid. Er spielte Neonazismus als kleines Problem herunter. Erikssons Kommentar rief wütende Proteste hervor, unter anderem von einfachen PolizistInnen. Einige Beamte gingen mit ihrer Kritik an der nachlässigen Haltung der Säpo gegenüber Neonazis an die Öffentlichkeit.

Der Mordversuch gegen zwei freischaffende JournalistInnen und ihrem Sohn machte landesweit Schlagzeilen und stiess auf scharfe Verurteilung der Mediengewerkschaft. Kurdo Baksi, der Herausgeber der Zeitschrift Blackwhite/Expo Magazine startete einen Appell gegen die lasche Haltung der Säpo und für einen besseren Schutz für Opfer von Neonazi-Terror. Innerhalb von 24 Stunden unterschrieben mehr als 1.000 Medienbeschäftigte diesen Appell.

Die stellvertretende Ministerpräsidentin Lena-Hjelm Wallen gab zu, dass die Ignoranz der Sicherheitspolizei ein Problem sei. Die meisten Neonazi-Organisationen sind bisher ungewöhnlich ruhig geblieben, was die Autobombe betrifft. Eine Ausnahme ist Folktribunen (Volkstribun), ein Sprachrohr der sogenannten Nationalen Jugend/Schwedischer Widerstand. Redakteur von Folktribunen ist Klas Lund, ein früherer Führer des White Aryan Resistance (WAR/VAM), der wegen der Beteiligung an dem Mord an einem Antirassisten und an einem Banküberfall im Gefängnis saß. Folktribunen behauptete, dass Karlsson kein »unschuldiges Opfer« sei. Er sei ein Agent der Anti-Faschistischen Aktion (AFA), sammle Informationen für eine Terrorkampagne gegen »Patrioten« und habe ein langes Vorstrafenregister. Neonazi-Aktivisten verbreiteten diese Behauptungen auch im Internet und durch anonyme Anrufe bei mehreren Zeitungen.

Beifall aus der Neonazi-Szene

Das Anti-Antifa-Magazin Info-14 begleitete publizistisch nicht nur die Autobombe, sondern auch den hinrichtungsähnlichen Mord an zwei Polizisten nach einem Banküberfall im vergangenen Mai (Vgl. AIB Nr. 48).

Dieser Doppelmord in der Kleinstadt Malexander südlich von Stockholm wurde von Anhängern der National Sozialistischen Front (NSF) verübt, die derzeit die am schnellsten wachsende Neonazigruppe in Schweden ist. Die drei Bankräuber wurden mittlerweile verhaftet, fünf weitere Personen als mutmassliche Mittäter (vorübergehend) festgenommen. Zu den Verhafteten zählen Tony Olsson, Jackie Akklov und Andreas Axelsson.

Weitere Bomben

Nur zwei Tage nach der Autobombe von Stockholm explodierte am 30. Juni 1999 eine zweite Autobombe in Malmö. Kurz vorher hatte ein anonymer Anrufer der Polizei einen Autodiebstahl gemeldet. Als zwei Beamte am angeblichen Tatort auftauchten und das Auto untersuchen wollten, ging die Bombe hoch. Ein Polizist wurde schwer verletzt (er verlor beide Augen), der andere nur leicht.

Bisher gibt es noch keine eindeutigen Beweise, dass die beiden Bombenanschläge zusammen hängen. Allerdings galten beide Autobomben Leuten, die auf den Hit-Listen der Neonazis ganz oben stehen: Journalistinnen und Polizistinnen. Die Polizei von Malmö sucht zwar auch unter Neonazigruppen nach den Tätern, aber der Verdacht richtet sich vor allem gegen die Hell's Angels, die in Südschweden ein erhebliches Sicherheitsproblem darstellen.

Auch die Hell's Angels haben diverse Verbindungen zur Neonazi-Szene. Nach einem mehrjährigen Bandenkrieg gegen die Konkurrenz vom Bandidos Club (mit zahlreichen Toten), streben die Angel's jetzt die Kontrolle über Prostitution, Drogenhandel und Schutzgelderpressung in Südschweden an.

Als Ende Oktober 1999 Gewerkschaften und Parteien zu Demonstrationen gegen die Neonazi Gefahr mobilisierten, explodierte vor dem Gewerkschaftshaus in Gävle eine Bombe. Kurz darauf ging ein Sprengsatz am Haus des Musikers Mikael Wiehe in Malmö hoch. Er war im Vorfeld bedroht worden und hatte dies vergebens bei der Polizei angezeigt.

Aufrufe zum Terrorismus

Eine der politischen Neonazi-Organisationen in Skandinavien ist auch Combat 18 International / Blood & Honour Scandinavia. Drahtzieher ist Eric Blücher (auch Tor Erik Nilsen) von Ragnarock Records, einem der weltweit führenden Neonazi-Labels. Der gebürtige Norweger Blücher ist in den vergangenen Jahren zum wichtigsten Sprecher von Blood & Honour geworden.

B&H ruft mittlerweile offen zum Terrorismus durch »führerlosen Widerstand« auf. Die B&H-Propaganda konzentriert sich immer mehr auf »staatliche Ziele«. Nach der Razzia in dem Neonazi-Hauptquartier im dänischen Langeland, hiess es auf der B&H-Homepage, dass den »Schweinen in Uniform«, die Patrioten schikanieren, bald »arische Gerechtigkeit« widerfahren werde. Blücher und einige seiner Komplizen wurden 1998 für ihre White-Power-Musik-CDs zu drei Monaten Gefängnis verurteilt (wegen »Aufstachelung zum Rassenhaß«). Dieses Urteil wurde allerdings im September 1999 durch ein höheres Gericht aufgehoben und auf eine Geldstrafe reduziert. Vor kurzem wurde gegen Blücher allerdings erneut Anklage wegen rassistischer Musik erhoben.

Das Gerichtsverfahren soll im nächsten Jahr stattfinden, ein genauer Termin steht aber noch nicht fest.