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Rosa Winkel

Michel Dufranne Milorad Vicanovic Christian Lerolle

Der Comic »Rosa Winkel« erzählt die Geschichte von Andreas. Andreas lebt 1932 in Berlin, ist Werbezeichner und homosexuell. Die Geschichte beginnt jedoch mit seinem Enkel, der ihn mit zwei Klassenkamarad_innen aufsucht, um zu erfahren, was Andreas im Nationalsozialismus erlebt hat. Der schwer zugängliche und auf die Jugendlichen hart wirkende Mann hat wenig gemeinsam mit dem jungen Mann, der uns nun begegnet.

Silvester 1932 in Berlin amüsiert sich Andreas mit seinen Freunden auf einer Feier. Zuvor von seinem Chef in höchsten Tönen als talentierter Werbezeichner gelobt, machen sie Witze über die Nationalsozialisten und zeigen ihre Homosexualität offen. Auch die Wahl Adolf Hitlers zum Kanzler kann den Freundeskreis nicht aus der Ruhe bringen. Andreas entwirft sogar Plakate für die NSDAP.  Erst als Ernst Röhm, Anführer der SA, unter dem Vorwand verhaftet wird, dass er homosexuell ist, scheint der Freundeskreis um Andreas sich der Gefahr bewusst zu werden. Die ersten aus seinem Umfeld werden nach § 175 verhaftet. Andreas versucht sich mit seiner lesbischen Freundin und späteren Frau Angela als Pärchen. Zu spät. Andreas wird verhaftet und gefoltert. Nur kurz freigelassen, wird er 1937 erneut verhaftet und ins Konzentrationslager Sachsenhausen deportiert. 1941 wird er in das Konzentrationslager Neuengamme überführt. Andreas überlebt die Schikanen, den Hunger, die Folter. Aber auch nach der Befreiung durch die Alliierten erfährt er keine Gerechtigkeit. Denn der § 175 bleibt bestehen. Und auch 1986 sitzt Andreas in Frankreich vor dem Fernseher und muss sehen, wie eine Erinnerungsfeier für die deportierten Homosexuellen angegriffen wird. In der Gegenwart wollen sein Enkel und dessen Freund_innen die Geschichte, Andreas’ Geschichte, nicht hören.

Der Comic erzählt an einem Einzelbeispiel die Geschichte Vieler. Mit dem »Rosa Winkel« markiert wurden tausende Männer aufgrund des § 175 in Konzentrationslager deportiert. Nur wenige überlebten. Während die Rahmenhandlung bunt koloriert ist, sind die Zeichnungen aus dem historischen Teil in schwarz-weiß gehalten. Die klaren Zeichnungen legen den Fokus auf die Gesichter der Figuren und somit auf ihre Emotionen. Durch verschiedene Panelformate blicken die Leser_innen in die unterschiedlichen Szenearien. Während der Boxkampf zwischen Adolf Witt und Gipsy Trollmann in kleinen, engen, dicht aufeinander folgenden Bildern gezeigt wird, um die schnellen Bewegungen  deutlich zu machen, erscheinen die Bilder aus den Konzentrationslagern weitflächig. Die Grausamkeit und das Elend wirken so eindrücklich und lang. Eine besonders gelungene Zeichnung zeigt Andreas in mit seinen Mitgefangenen auf einer Pritsche. Das Bild erstreckt sich über die ganze Seite und ist doch durch Rahmen unterteilt, als ob sie die Grenzen zwischen den Gefangenen, aber auch zwischen den Erfahrungen der Figuren und der Leser_innen deutlich machen wollten. Dem Comic gelingt es die Fakten zu nennen, ohne die persönliche Ebene aus den Augen zu verlieren.

Michel Dufranne, Milorad Vicanovic,Christian Lerolle:
Rosa Winkel
Verlagshaus Jacoby & Stuart, Berlin 2012
144 Seiten