Skip to main content

Rechte Tendenzen in der schwarzen Szene

Gruftis gegen Rechts – Music For A New Society
Einleitung

Kulturkampf und Kommerz

Seit einigen Jahren wird über rechte Tendenzen in und Einflußnahme von rechts auf die »schwarze Szene« geschrieben und diskutiert. Dabei ist inzwischen klar, daß es sich nicht nur um eine Unterwanderung handelt, sondern es inhaltliche Gründe gibt, warum die sog. „Neue Rechte“ gerade diese Szene agitiert. Neben den thematischen Überschneidungen der »allgemeinen« Dark- Wave Szene mit rechten Inhalten gibt es aber auch einen rechten Teil in dieser Szene mit Bands, Fanzines und Vertrieben. Die Anfänge davon liegen schon in den 1980er Jahren. Der nachfolgende Artikel beschäftigt sich jedoch in erster Linie damit, daß sich mit rechten Dark- Wave Bands nicht nur Geld verdienen, sondern auch Ideologie an Jugendliche heranbringen läßt und wie dies von der „Neuen Rechten“ praktiziert wird, sowie mit deren Strategie und Praxis der Einflußnahme. Der Text wurde von den „Gruftis gegen Rechts – Music For A New Society “ geschrieben, einer Gruppe von DJs und Gruftis, die sich gegen rechte Tendenzen in ihrer Szene wehren.

Foto: flickr.com/a.cerelczak/CC BY-NC-ND 2.0

Josef Klumb war ein führender Musiker des rechten Flügels der "schwarzen Szene" in Deutschland.

Von der Jungen Freiheit in die Szene

»Nur die Spitze eines Eisberges ist sichtbar. Die Masse liegt im Verborgenen und lauert.«1

Die "Neue Rechte" begann Anfang der 1990er Jahre über ein Thema nachzudenken, was den Neonazis scheinbar per se diametral entgegenstand: Popmusik. Während die klassische Rechte diese irgendwo zwischen »Negermusik«, »amerikanischer Massenkultur«, »Dekadenz« und »Heimatlosigkeit« verorteten, begannen andere zu begreifen, daß sie mit ihrer starren Ablehnung keinen Pfifferling mehr ernten würden. »Pardon, ich höre Popmusik« überschrieb der Österreicher rechte Autor Jürgen Hatzenbichler2 einen Artikel im (Neo)-Naziblatt „Nation und Europa“3 , in welchem er sich von »afrikanischen Strömungen«, »schneller Rythmen und auf Gestammel reduzierter Texte(n)« distanziert, um gleichzeitig zur Herausbildung einer rechten »Gegenkultur und Alternativkultur« aufzurufen.

Was bei ihm noch mit »Provokation« untertitelt war, präsentierte Roland Bubik, Stipendiant der CDU-nahen Konrad-Adenauer-Stiftung, im Herbst 1993 in der rechten Zeitung „Junge Freiheit“ unter dem   Schlagwort: »Die Kultur als Machtfrage«. Angelehnt an den italienischen Kulturphilosophen und Klassiker der Anti-Moderne Julius Evola (1898 – 1974), den der italienische Schriftsteller und Philosoph Umberto Eco als »faschistischen Guru« beschrieb, sieht er in Teilen der Popmusik Anknüpfungspunkte für die von Evola postulierte »Revolte gegen die moderne Welt« und kommt zu dem Ergebnis: »(...) die Jugendkultur von heute bietet erfolgversprechende Ansätze hierfür. (...) Ein merkwürdiges Bewußtsein, in einer Phase des Niedergangs zu leben, ist virulent, vom »age of destruction« ist die Rede, die Parties der Techno-Szene gleichen makabren Totenfeiern einer Epoche. Man (...)  mißtraut der Erklärbarkeit der Welt, wendet sich sogar rückwärts, etwa in Form der verschiedenen Independent-Szenen4 Nachdem Roland Bubik's Träume von der Techno-Szene (»Stahlgewitter als Freizeitspaß«) sich bald als Schäume entpuppten (»seelische Vergewaltigung durch Beat-Computer und Masse«), meinte er in der Neo-Folk- und Gothic-Szene Anknüpfungspunkte zu finden. Er nennt Bands wie „Dead Can Dance“ oder „Qntal“, deren mittelalterliche Musik eine andere Sprache als die der Moderne sprechen würde. In Wahrheit haben beide Bands nichts mit rechtem Gedankengut zu tun. "Qntal" gehören in den Kreis der deutschen Dark-Wave-Bands („Deine Lakaien“, „Estampie“, „Das Ich“), die sich wiederholt und vehement gegen den rechten Kulturkampf zu Wort gemeldet haben. Und sein Redaktionskollege Peter Boßdorf (s.u.) mußte feststellen, daß „Dead Can Dance“ längst nicht auf eine Rezeption mittelalterlicher Musik zu reduzieren sind und keine (musikalischen) Grenzen kennen. Anläßlich ihrer CD »Spiritchaser« 5 stellt er enttäuscht fest: »Man parodiert in gezierter Pose den Orient, (...) begleitet von nicht mehr an Langeweile zu übertrumpfenden Percussion- Einlagen der Marke Dschungel. (...) Wenn dies Weltmusik sein soll, ist die Welt nicht zu beneiden.« 6

Doch es gab durchaus reale Anknüpfungspunkte in der Szene: Roland Bubik's Lebensgefährtin Simone Satzger (alias Felicia), Sängerin der Gruft-Band „Impressions of Winter“,  propagierte 1995 eine rechte Kulturinstrumentalisierung und empfahl, »sich aktuellen kulturellen und politischen Phänomenen zu öffnen, um sie für die eigenen Zwecke zu nutzen.« Darüber hinaus existierten schon damals eine Reihe von Bands mit tatsächlich rechten Inhalten. Die »Operation Dark Wave« nahm in der Zeitung „Junge Freiheit“ ihren Lauf. Über einen Nachwuchswettbewerb konnte eine mit Dark Wave vertraute Schreiberin gefunden werden, die freilich bald das Handtuch schmiß und schließlich vor dem rechten Kulturkampf warnte.
Mit Peter Boßdorf, der auf eine politische Vergangenheit u.a. im rechten „Thule-Seminar“ und bei der rechten Partei „Die Republikaner“ zurückblicken kann, konnt Mitte der 1990er Jahre ein „Junge Freiheit“-Redakteur in der auflagenstärksten Zeitschrift der »Independent Szene« plaziert werden. Die Zeitung „Zillo“ unter ihrem damaligen Herausgeber Rainer Ettler ("Easy") war sich zudem nicht zu schade, wiederholt rechte Anzeigen abzudrucken, darunter auch der Zeitung „Junge Freiheit“. Die Liason Zillo/Junge Freiheit war aufgrund von Protesten aus der Szene selbst bekannt geworden: Das Hamburger Wave-Label „Strange Ways“ (Vertrieb u.a. von „Goethes Erben“) und der Vertrieb „Indigo“ machten den Skandal öffentlich. Nach dem Tod von Zillo-Herausgeber Rainer Ettler wurde Peter Boßdorf im Frühjahr 1997 endlich bei „Zillo“ vor die Tür gesetzt.

Der VAWS: Propaganda, Musik & Kommerz

»Es beherrscht unser Leben/es bringt kein Heil, ich schreibe ein paar Zeilen/das Wetter hier ist fein, doch dröhnt es Tag und Nacht/durch Lautsprecher.«7

Im Zentrum antifaschistisch-gruftigen Interesses steht der "Gesellschaft Verlag + Agentur Werner Symanek" (kurz: VAWS) aus Bingen. Der vom früheren rechten Funktionär Werner Symanek 8 gegründete Vertrieb verbreitet eine Palette rechter Videos: Darunter sind Machwerke wie »Auf den Spuren Ostpreußens« (»Durch den Zerfall der UdSSR rückt Ostpreußen wieder in das Blickfeld deutscher Interessen. Ist eine Rückkehr Ostpreußens zu Deutschland möglich?«), »Die Waffen-SS: Hitlers Elitetruppe«, »Erwin Rommel - Der Wüstenfuchs« (»Seine legendären Siege(...)machten Rommel zu einem der bekanntesten Kriegshelden.«) und Leni Riefenstahls Olympia-Filme 9 zu finden. »Literatur Aktuell«10 verbreitet u.a. Bücher über den »Hitler-Putsch« und den darauffolgenden Prozeß (»alle stenographisch erfaßten Aussagen Hitlers unkommentiert (...)«), Rechtstips vom neonazistischen „Deutschen Rechtsbüro“ des Vereins „Deutscher Rechtsschutzkreis e.V. - Deutsche Rechtsschutzkasse (DRsK)“ aus Bochum für »Mäxchen Treuherz, (den) wackere(n) Streiter für die 'Nationale Sache'«, damit »es ihm gelingt, innerhalb der bestehenden Rechtsordnung trotzdem für seine Ideale wirken zu können«11 ), und anti-jüdische Propaganda. So schreibt VAWS über die biblische Königin Esther: »Es gibt kein anderes Volk auf der Welt, das den Mord an 75.000 Menschen zum Anlaß eines seiner höchsten Feiertage erwählt hat.« Im "VAWS-Report" 12 werden antisemitische, verschwörungstheoretische Bücher gegen »das Finanzkapital« verbreitet (Rubrik: »Insiderwissen«), aber auch Bücher über Nazi-Architekten (Albert Speer) und über »Aktfotographie in den 30er und 40er Jahren«. »Deutschland muß vernichtet werden« lautet der Titel eines weiteren Buches, welches »die weltweit angelegten Pläne zur endgültigen und totalen Vernichtung Deutschlands« enthüllen soll. Laut Werbung »Eine in ihrer Quellenvielfalt bestechende Dokumentation über die real existierenden Strategien«.

Auch die seit 1969 erscheinenden Neonazi-Hefte „Unabhängige Nachrichten“ (UN) der neonazistischen Gruppierung "Unabhängige Freundeskreise" (UFK) aus Bochum werden vom VAWS verbreitet.13 Der UN-Redakteur Johann Brandt ist ehemaliger SS-Offizier. Auch der vor zwei Monaten gestorbene UN-Redakteur Friedhelm Kathagen war SS-Offizier und Herausgeber des SS-Traditionsblattes „Leitheft“. Über Artikel mit Titeln wie »Alliierter Massenmord am Deutschen Volk« 14 etwa zum 8. Mai 1945 braucht man sich also nicht zu wundern.

Doch der VAWS will nicht nur Alt-Nazis, Antisemiten und Esoteriker bedienen. Er übt sich auch im Kulturkampf: Neben Techno-CDs ( »Kicking' House Tunes«, »Ravermeister« usw.) vertreibt er die gesammelten Werke der rechten Wave-Band „Forthcoming Fire“ inklusive der Gedichtbände ihres Sängers Josef Maria  Klumb (alias Jay Kay oder JK). 1996 erschien ein von Josef Klumb zusammengestellter Doppel-CD-Sampler zu Ehren der rechten Kultfigur Leni Riefenstahl, der angeblich zum »Verkaufsschlager« wurde und – oftmals sehr unkritische - Besprechungen in einer Vielzahl von Medien erfuhr. Nachdem u.a. die Wave-Zeitung „New Life“ die VAWS-Anzeige abgelehnt hatte, trat Werner Symanek unter dem Tarnnamen „Heliocentric Distribution“ (Mühlheim) für den Vertrieb auf.

1998 erschien das dem Nazi-Bildhauer Josef Thorak gewidmete Nachfolgeprojekt, zu dem selbst die rechte Zeitung „Junge Freiheit“ anmerkt: »Für soviel Rehabilitierung reicht tatsächlich eine biographische Skizze aus, die als eine Art Begleitbroschüre erhältlich ist.«15 . Die CDs sind zum großen Teil eine Art »Who is who« des rechten Bereichs der Gothic-Szene: Neben den schon erwähnten Musik-Gruppen „Forthcoming Fire“ mit ihren Nebenprojekten „Von Thronstahl“ und „Preussak“ sind dies u.a. „Turbund Sturmwerk“ (Sachsen), die sich wie die Bands „Waldteufel“, „Mjölnir Tonkunst“ (Dresden) und „Feindflug“ (Chemnitz) über VAWS vertreiben lassen. Ebenfalls zählen die „SA-Verehrer“16 von „Death in June“ (England/Australien), "Andromeda Complex" (Italien) und „The Protagonist“ (Schweden) dazu, die alle auf beiden Samplern vertreten sind.

Die »Riefenstahl-CD« enthält außerdem Beiträge von "Strength Through Joy" (»Kraft durch Freude«) aus Australien/Irland, „Voxus Imp.“ (Dresden), „Allerseelen“ (Wien) und „Swirling Swastikas“ (»Wirbelnde Hakenkreuze«) aus Italien u.a.

Für den »Thorak-Sampler« konnten zusätzlich „Stalingrad“ (ein Nebenprojekt von Angelo Bergamini von der Band „Kirlian Camera“ aus Italien), "Egoaedes" (ein Musikprojekt von Marco E. Thiel, dem Herausgeber des rechten Blattes „Europakreuz“ mit Sitz in Berlin) sowie weitere Bands aus Italien, Spanien, Frankreich, Tschechien und Litauen gewonnen werden.

Immer wieder versucht der VAWS auch mit nicht-rechten Bands Geschäfte und Propaganda zu machen. Die Electro-Band „PP?“ war beispielsweise auf dem Riefenstahl-Sampler mit dem unpassenden Titel »Vive La France« (!) vertreten und distanzierte sich öffentlich, nachdem sie bemerkt hatten, in wessen Gesellschaft sie gelandet waren. Das japanische Duo „Jack or Jive“ ist in großer Ahnungslosigkeit auf der Thorak-Compilation gelandet und zeigte sich über das politisch-usikalische Umfeld entsetzt (peinlicherweise gefiel dem JF-Rezensenten deren Beitrag am besten). Derlei Methoden sind vom VAWS bekannt: Bereits 1994 schaltete der Vertrieb Anzeigen in Musikmagazinen und vertrieb auch Platten populärer Bands wie „Deine Lakaien“. Neben der bestellten Ware erhielten Grufties dann rechtes Propagandamaterial der UFK. Das „Deine Lakaien“-Label „Gymnastic Records“ stoppte damals die Belieferung, nachdem Fans Alarm geschlagen hatten und legte sich mit dem VAWS an. Umso erschreckender, daß derlei Tricks immer wieder funktionieren. Im Sommer 1998 erschien bei VAWS der »Profile Bizarre-Wandkalender 1999«, der Fotos von dreizehn nicht-rechten, aber umso prominenteren Independent-Bands enthält. Die „Grufties gegen Rechts“ hat die Bands inzwischen über den VAWS aufgeklärt: Das Ergebnis war immer das gleiche. Eine unscheinbare Promo-Anfrage, wie sie täglich dutzendfach bei den Plattenfirmen eingehen. Über den VAWS wußte man nichts, und hinterher ist man entsetzt. Umso notwendiger ist hier Aufklärung, um dagegen vorzugehen. Da ein Großteil der bisher erwähnten rechten Bands vergleichsweise bedeutungslos ist, soll im Folgenden nur auf die »Großen« näher eingegangen werden.

Josef Maria Klumb und seine Projekte "Forthcoming Fire", "Von Thronstahl", "Preussak" und "Weissglut"

»Only buy British!« - «Nazi-Bastard!!!« (Schuß)17

Seit Jahren verbreitet Josef Maria Klumb in Interviews Verschwörungstheorien und deutschtümelndes Gefasel. Daß er in der Zeit, in der er für den VAWS arbeitete, nur Pakete für 12 D-Mark die Stunde packte, weil er gerade arbeitslos war und einen Job brauchte - wie er im Interview mit dem Heavy-Metal-Magazin »Rock Hard«-Interview18 selbstmitleidig weismachen will - ist schwer zu glauben. So schrieb er das Vorwort zum ersten Band von »Deutschland muß vernichtet werden« und verteilte auf der Frankfurter Buchmesse 1997 eine gegen die sog. „Wehrmachts-Ausstellung“ gerichtete Sonderausgabe des Neonazi-Blattes „Unabhängigen Nachrichten“.  Noch im Sommer 1998 wurde er hinter dem Verkaufsstand des VAWS beim »Zillo-Festival« gesehen. Daß er einige der von ihm verpackten Bücher offensichtlich mit Interesse gelesen hat, läßt sich auch an seinen Äußerungen erkennen. In einem Interview mit der Zeitschrift „Gothic“19 erklärte er auf die Frage, wer denn die »Illuminaten« seien, von denen er auf dem zweiten Album singt: »Es ist die Hochfinanz, es sind die Kräfte, welche hinter ihren Marionetten die Welt bewegen (...) Das Gesicht dieses kommenden Regimes drückt sich aus durch die UNO, NATO, Weltbank, Zionismus (...)«.

Immer wieder bezieht er sich auf den rechtsesoterischen Verschwörungstheoretiker Jan Udo Holey, der unter dem Pseudonym Jan van Helsing die antisemitischen Bände »Geheimgesellschaften I & II« veröffentlichte. Der zweite Band wurde im Februar 1996 in der Schweiz wegen Verstoßes gegen das Anti-Rassismus-Gesetz beschlagnahmt.20 Als hätte er die Texte von »Mäxchen Treuherz und die juristischen Fußangeln« gründlichst studiert, folgt auf jede eindeutig rechte Aussage eine scheinbar relativierende: »Ich wirke in Hinsicht auf eine Elite, und wenn ich in diesen Zeiten die Erhebung einer Elite fordere und heraufbeschwöre, dann meine ich eine Elite des Herzens, eine Gefühls-, Gedanken- und Seelenelite, deren freies Selbstbewußtsein und Liebesfähigkeit jeglichen Rassismus einfach nur entbehrt.« Das diese Gedankengänge kaum verständlich sind ist „Jay Kay“ (Josef Maria Klumb) offenbar ziemlich egal, denn »(...) wer uns im Reich der Lüfte aufgrund seiner Beschränktheiten nicht folgen kann, soll sich erst gar nicht die Mühe machen, uns zu verstehen.« Um wenige Sätze später wieder etwas deutlicher zu werden: »Man muß ein für alle mal erkennen, daß, wenn ich für Deutschland rede, ich nicht für circa 50 Millionen geistige Totgeburten spreche, (...), sondern daß die .Volksseele', die bis ins Heute hinein so brutal vergewaltigt wurde, daß ich für dieses Heiligtum (...) den Kern und das Zentrum des Begriffes Deutschland eben verteidigen werde..« Josef Klumb fügte immerhin drei Jahre vor der Paulskirchenrede (1998) des Schriftstellers Martin Walser21 hinzu: »Ich gestatte mir einfach die Freiheit, mich hin und wieder einfach mal deutsch zu geben, weil ich ein für allemal die Rolle des Sündenbocks nicht länger mitzutragen gewillt bin.« Für ihn ist es weder rechts, die rechte Propaganda der »Liquidierung von Rudolf Heß«22 nachzubeten, noch in Hinblick auf die Feiern anläßlich der Niederlage Nazi-Deutschlands zu bemerken, daß der 8. Mai 1945 »(...) trotz allem eine Eroberung, eine Unterwerfung und eine Unterdrückung des Geistes (war), die bis heute anhält und mir sogar mein Bewußtsein noch streitig machen möchte«. Seiner Definition nach ist Faschimus »(...), Nonstop-Fernsehen, MTV, und alles, was auf Massen hin ausgerichtet ist.«23

Mittlerweile ist Josef Klumb auf dem besten Wege, selbst Teil des »MTV-Faschismus« zu werden. Die Nachfolgeband von „Forthcoming Fire“ mit dem Namen „Weissglut“ (Bingen am Rhein) ist seit 1998 bei dem Label Epic, Teil des »renommierten« Sony Music -Konzerns, unter Vertrag, die sich nicht scheuten, einen Neonazi unter Vertrag zu nehmen. So wird es eventuell nicht mehr lange dauern, bis im Zuge der »Neuen Deutschen Härte« auch „Weissglut“ über die Bildschirme flimmert. Im Jahr 1996 begann sich nach dem Interview im "Gothic" auch die rechte Zeitung „Junge Freiheit“ für Josef Klumb zu interessieren und veröffentlichte ein ausführliches Interview von Roland Bubik. Wer da wen rechts überholt hat, sei im Nachhinein dahingestellt, bemerkt „Jay Kay“ (Josef Klumb) doch in einem aktuellen Interview in dem Heavy-Metal-Magazin „Rock Hard“ 24 , daß es wohl eines Redakteurs der Zeitung "Junge Freiheit" (JF) bedurfte, um ihn von folgendem Plan abzubringen: »Nachdem ich drei Jahre die Repressalien (der Antifa) ertragen mußte, war ich so genervt, daß ich auf das Cover der letzten Forthcoming Fire-CD, Verurteilt – gerichtet - lebendig verbrannt' ursprünglich ein Foto von den Nürnberger Prozessen packen wollte, in das die Köpfe der vier Bandmitglieder hineinmontiert werden sollten.«
Seinem damaligen Label „Hyperium/Hypnobeat“ platzte jedenfalls nach dem „Junge Freiheit“-Interview der Kragen: In einer öffentlichen Erklärung sagte man sich von der Band los und verweigerte eine Vertragsverlängerung.

Josef Klumbs Hang zu Ausreden, die sein rechtes Weltbild vertuschen sollen, wird auchin einem „Zillo“-Interview25 deutlich: »Wie rechtsextrem kann ich sein, wenn mich aufgrund meines Interviews, das ich der Jungen Freiheit' gab, ehemalige NS-Widerstandskämpfer in ihren Briefen an mich bestätigen?« fragt er und fügt an: »Ich habe mich mit einem Überlebenden der "Weißen Rose"26 getroffen(...)«. Daß es sich bei dem Überlebenden der „Weißen Rose“ um den stellvertretenden Bundesvorsitzenden der rechten Partei „Die Republikaner", Hans Hirzel handelte, verschweigt er.

Inzwischen darf man Josef Maria Klumb wohl auch juristisch abgesegnet einen »Neonazi« nennen: Nachdem ihn das Landgericht Hamburg mit entsprechenden Dokumenten konfrontierte, nahm Josef Klumb am 17. Dezember 1998 seinen Antrag auf Erlaß einer einstweiligen Verfügung wegen Verleumdung gegen die Zeitung „Der Spiegel“ zurück, der ihn in einem Artikel27 als Neonazi präsentierte.

Nach Informationen des Antifaschistischen Infoblattes (AIB) hat Josef M. Klumb inzwischen die Vertonung des Liedes »Sonnenritter« von Hendrik Möbus, dem verurteilten Mörders der National Socialist Black Metal (NSBM) Band „Absurd“, unterstützt. Das macht es auch für das Epic-Label schwer, die Band zu halten und so darf man gespannt sein, wie lange diese Liason noch währt. Bisher versuchte Epic, die rechten Verstrickungen von Josef M. Klumb zu verschleiern, und auch große Teile der Musikpresse taten sich durch unkritisch-solidarische Berichterstattung hervor.

Aber es tut sich etwas: Die Veranstalter eines für den 15. Dezember 1998 geplanten Auftrittes von „Weissglut“ in Nürnberg sagten das Konzert ab, nachdem sie über die Hintergründe informiert wurden.

"NO MORE BLOOD AND SOIL!"28

Letztlich ist Aufklärung also der einzige Weg, den neurechten Strategen das Handwerk zu legen, und zwar solange und so nachdrücklich, bis sie die »Operation Dark Wave« aufgeben. Bis dahin ist es freilich noch ein weiter Weg, den wir auch weiterhin mit unseren FreundInnen aus der »schwarzen Szene« gehen werden. Die positiven Reaktionen, die die „Grufties gegen Rechts“ seit der Veröffentlichung der Broschüre »Die Geister, die ich rief...« (im Mai 1998) von Gothics aus dem gesamten Bundesgebiet bekommen haben, stimmen jedenfalls optimistisch. Inzwischen gibt es Grufties gegen Rechts-Gruppen in Bremen, Berlin und Rostock. Neben den unermüdlich in unserem Sinne engagierten Bands „Deine Lakaien“, „Das Ich“, „Estampie“, „Goethes Erben“ und ihren Labels haben inzwischen auch die vom VAWS getäuschte Band „Einstürzende Neubauten“ unseren Aufruf unterschrieben. Auch sie waren versehentlich auf dem »Profile Bizarre«-Kalender gelandet. In diesem Zusammenhang liegen uns Distanzierungen u.a. von den Musik-Projekten „Lacrimosa“, „Subway to Sally“ und dem Fan-Club der Band „Die Krupps“ vor. Die Bands „Lichtmaschine“, „Steril“, „Endzeit“, „Korbak“ und „Exedra“ spielten Soli-Konzerte für uns.

Und auch die Zeitschrift „Zillo“ unter ihrem neuen Chefredakteur Joe Asmodo will vom rechten Image weg. Anläßlich einer in Bremen stattfindenden Soli-Party schickte uns Joe Asmodo am 29. Januar 1999 ein Fax mit folgendem Text: »Liebe Leute von .Grufties gegen Rechts' (...) Wir begrüßen es sehr, daß sich in der Wave- und Gothicszene ein Bewußtsein und Handlungspotential gegen Unterwanderungstendenzen von Rechts zu entwickeln beginnen.  Eure Veranstaltung (...) betrachten wir als Teil dieses Prozesses, den es zu unterstützen gilt. Wir werden Eure Veranstaltung (…) entsprechend ankündigen. Darüber hinaus bieten wir Euch an, diese Veranstaltung kostenlos mit einer 1/4 Seite Anzeige (...) zu bewerben. Betrachtet diese Geste bitte als eindeutige Stellungnahme der Firma Zillo  MusicMedia GmbH gegen Rassenhaß, Ausländerfeindlichkeit und Rechtsradikalismus aller Art.«

Sollte es doch noch gelingen, den braunen Vormarsch in der schwarzen Szene zu stoppen? Vorsichtiger Optimismus ist angebracht, auch wenn die hier genannten Bands nur die Spitze des braunen Eisbergs sind.

  • 1Inschrift auf der CD »Die
    Brut« (1992) der Dark-Wave-Band „Goethes Erben“
  • 2Jürgen Hatzenbichler war früher „stellvertretender Führer“ der ultra-rechten Partei „Nationale Front“ in Kärnten und Mitglied der rechten FPÖ
  • 3„Nation und Europa“3-4/1991
  • 4„Junge Freiheit“ 10/1993
  • 54 AD/Rough Trade 1996
  • 6„Junge Freiheit“ 29/1996
  • 7„Siouxsie and the Banshees“ 1979, Mittageisen (Metal Postcard), dem kommunistischen Montagekünstler John Heartfield gewidmet
  • 8Anmerkung der Redaktion: 1983 unterzeichnete Werner Symanek jun. (Gladbeck) als Parteivorsitzender die Satzung der der in Bottrop sitzenden Partei „Deutsch Demokratische Volksbewegung“ (DDVB). Als Kassenwart fungierte Werner Symanek sen.
  • 9Video-Aktuell 2/1994
  • 10»Literatur Aktuell« März 1994
  • 11Aus »Mäxchen Treuherz und die juristischen Fußangeln«
  • 12"VAWS-Report" Juli 1996
  • 13Anmerkung der Redaktion: Das VAWS-Postfach war zeitweilig gleichzeitig das Postfach der „Unabhängigen Nachrichten“. Im Januar 1995 beschlagnahmt die Polizei in den Räumen der VAWS die „Unabhängige Nachrichten“.
  • 14„Unabhängige Nachrichten 3/1995“
  • 15„Junge Freiheit“ 2/1999
  • 16Anmerkung der Redaktion: Das Bandmitglied Douglas Pearce erklärte dem „Glasnost Wave-Magazin“ (Heft-Nr. 27) im Mai/Juni 1991: „In der nationalsozialistischen Bewegung wurde 1934 die SA von der SS gesäubert. Für uns war dieses Ereignis ein Wendepunkt in der Geschichte der Menschheit, weil danach die Achterbahn auf den Krieg zu losging und wir immer noch mit den Folgen leben. Es war also ein wichtiger Tag – und es passierte im Juni!“ Daher liegt die Vermutung nahe, dass sich der Name der Gruppe auf den am 30. Juni 1934 stattgefundenen sog. Röhm-Putsch bezieht.
  • 17Sample zu Beginn von: Velvet Acid Christ - Futile (Nazi-Bastard-Mix) 1996.
  • 18»Rock Hard« 1/1999
  • 19„Gothic“ Nr. 23, Sommer 1995
  • 20Anmerkung der Redaktion: 1996 erging gegen beide Bände von „Geheimgesellschaften“ ein Beschlagnahmebeschluss des Amtsgerichts Mannheim wegen Volksverhetzung.
  • 21Wenn mir aber jeden Tag in den Medien diese Vergangenheit vorgehalten wird, merke ich, daß sich in mir etwas gegen diese Dauerpräsentation unserer Schande wehrt (…) – Martin Walser: Rede in der Paulskirche am 11. Oktober 1998
  • 22Anmerkung der Redaktion: 1933 ernannte Adolf Hitler den NS-Funktionär Rudolf Heß zu seinem Stellvertreter. Rudolf Heß wurde 1945 dem internationalen Militärgerichtshof in Nürnberg überstellt. Er wurde 1946 zu lebenslanger Haft verurteilt. 1987 starb er im Kriegsverbrechergefängnis Spandau durch Suizid.
  • 23Alle Zitate in diesem Abschnitt aus dem „Gothic“-Interview aus „Gothic“ Nr. 23, Sommer 1995
  • 24„Rock Hard“ 1/1999
  • 25„Zillo“ 2/1997
  • 26Anmerkung der AutorInnen: Eine demokratische Widerstandsgruppe im Nationalsozialmus
  • 27Der Spiegel 44/1998
  • 28Songtitel der britischen Gothic-Band
    „Positive Noise“