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(R)echte Freunde des »Gottkönigs«

Colin Goldner
Einleitung

Nach wie vor zu wenig beachtet sind die Kontakte des Dalai Lama zu alten und neuen Nazis. Damit ist nicht allein seine Freundschaft zu Heinrich Harrer gemeint, der als SA-Mann und späterer SS-Oberscharführer überzeugter Nazi gewesen war (auch wenn er das bis zu seinem Tod Anfang 2006 abstritt). 1939 war Harrer im Zuge einer SS-Bergsteiger-Expedition zum Nanga Parbat in Nordindien (heute Pakistan) in britische Kriegsgefangenschaft geraten, aus der er 1944 nach Tibet entfliehen konnte. Erst Anfang 1950 lernte er den damals knapp 15-jährigen Dalai Lama kennen, dem er in der Folge mehr oder minder regelmäßigen Englisch- und Geographieunterricht erteilte. Im November 1950 verließ Harrer Lhasa. Seine vielgerühmte Tätigkeit als »Lehrer und Vertrauter des Gottkönigs« hatte etwas mehr als ein halbes Jahr gedauert.

Bild: Bundesarchiv, Bild 135-KA-06-098 /CC BY-SA 3.0

Blick auf Lhasa und Potala während einer Tibetexpedition im Jahr 1938.

Der Dalai Lama selbst erwähnt Harrer in seiner ersten Autobiographie von 1962 nur höchst beiläufig, erst nachdem dieser über seine Buchveröffentlichungen (»7 Jahre Tibet«) zu einer publicitywirksamen Figur geworden war, erinnerte sich auch der »Gottkönig« daran, dass er und der SS-Mann eigentlich von Anfang an »sehr gute Freunde« gewesen seien. In späteren Jahren traten die beiden vielfach gemeinsam auf.

Auf die Frage (in einem Interview von 1997!), ob er von der Verstrickung seines Freundes in das verbrecherische Nazi-Regime gewußt habe, gab der Dalai Lama tiefen Einblick in seine Art von Geschichtsverständnis: »Natürlich wußte ich, dass Heinrich Harrer deutscher Abstammung war – und zwar zu einer Zeit, als die Deutschen wegen des zweiten Weltkrieges weltweit als Buhmänner da standen. Aber wir Tibeter haben traditionsgemäß schon immer für Underdogs Partei ergriffen und meinten deshalb auch, dass die Deutschen gegen Ende der vierziger Jahre von den Alliierten genügend bestraft und gedemütigt worden waren. Wir fanden, man sollte sie in Ruhe lassen und ihnen helfen.«

Ob solche Position als Ausdruck einer gewissen Affinität zu Nazi-Deutschland gewertet werden muß, oder einfach nur als Beleg einer tiefen Ignoranz des tibetischen »Gottkönigs«, läßt sich nicht entscheiden. Die vielkolportierte Behauptung, Harrer habe als »langjähriger Tutor« des jungen Dalai Lama wesentlich dessen politische Einstellung geprägt, ist jedenfalls nicht haltbar. Dass der Dalai Lama auf seinen späteren Auslandsreisen immer wieder die Nähe Harrers suchte, der zwar bis zu seinem Tod Anfang 2006 abstritt, jemals überzeugter Nazi gewesen zu sein, sich aber nicht scheute, Zeit seines Lebens enge Kontakte zur extremen Rechten in Österreich und Deutschland zu pflegen, deutet indes auf eine gewisse »Seelenverwandtschaft« hin.

Nach dem Tode Harrers besuchte der Dalai Lama dessen Grab in Kärnten, um für eine günstige Wiedergeburt seines Freundes zu beten. Anschließend beehrte er seinen zweiten rechten kärntener Freund, Jörg Haider, mit dem er die Grundsteinlegung für ein seit langer Zeit – und noch mit Unterstützung Harrers – geplantes Tibet-Zentrum in Kärnten erörterte. Zur Riege der Seelenfreunde »Seiner Heiligkeit« zählt Politprominenz der rechtesten Sorte: von Silvio Berlusconi bis hin zu Franz Pahl von der rechtskonservativen Südtiroler Volkspartei, die es als ihre Hauptaufgabe betrachtet, »das Heimatrecht der angestammten Bevölkerung zu verteidigen und das Land vor Überfremdung zu bewahren«. Nicht zu vergessen Roland Koch (CDU), der schon als RCDS-Vorsitzender dem tibetischen Gottkönig in tiefster Verehrung zugetan war. Erwähnenswert sind auch die freundschaftlichen Kontakte des Dalai Lama zu dem unlängst verstorbenen US-Senator Jesse Helms, der seiner rassistischen und schwulenfeindlichen Ausfälle wegen einige Berühmtheit besaß.

SS-Expedition & Nazihenker

Weitaus weniger bekannt sind die Kontakte, die der Dalai Lama im Exil zu den Mitgliedern der SS-Expedition Ernst Schäfer pflegte, die 1938/39 in Lhasa zugange war. Die Nationalsozialisten, Himmler vorneweg, hatten größtes Interesse an Tibet gehegt, wo man, basierend auf den theosophischen Schriften Helena Blavatskys, das Hirngespinst verfolgte, es hätten Überlebende des untergegangenen Kontinents Atlantis im tibetischen Hochland sagenhafte unterirdische Reiche geschaffen, in denen ihr uraltes höheres Wissen bewahrt würde. Insofern wähnte man auch den Ursprung der »nordischen Rassenseele« in Tibet beheimatet. Selbstredend gab es auch handfestes politisches beziehungsweise militärisches Interesse an »Innerasien«. In den Kinos wurden ständig irgendwelche Tibet-Filme gezeigt, es gab zahllose Ausstellungen und Veröffentlichungen zum »Dach der Welt«. Das heutige große Interesse an Tibet hat, wenn auch mit anderen Vorzeichen, seine Wurzeln mithin in der flächenddeckenden Tibet-Propaganda der Nazis.

Der Dalai Lama, dessen Regent Reting Rinpoche im Jahre 1939 die Schäfer-Delegation offiziell im Potala empfangen und mit einem Freundschaftsschreiben an den »trefflichen Herrn Hitler, König der Deutschen« versehen hatte, weigert sich bis heute, irgendwelche Auskunft zu den damaligen Unterredungen zu geben. Bis in die 1990er Jahre hinein pflegte er stattdessen regen Kontakt zum letzten Überlebenden der Expedition von 1939, zu dem 2004 verstorbenen SS-Hauptsturmführer Bruno Beger, der 1971 wegen Mordes an 86 KZ-Häftlingen als NS-Kriegsverbrecher (»Rassenspezialist von Auschwitz«) rechtskräftig verurteilt worden war, aber nur kurze Zeit abzusitzen hatte. Man traf einander oftmals zu persönlichen Gesprächen, jeweils in herzlichster Atmosphäre. Unter dem Titel »Meine Begegnungen mit dem Ozean des Wissens« legte Beger sogar eine eigene Denkschrift darüber vor.

Internationale Rechte

Dokumentiert sind Kontakte des Dalai Lama zu Miguel Serrano, dem Vorsitzenden der »Nationalsozialistischen Partei« Chiles. Serrano, ehedem Botschafter Chiles in Österreich, gilt als Vordenker des sogenannten »Esoterischen Hitlerismus«. In seinen Publikationen halluziniert er, der »Führer« sei nach wie vor am Leben und plane von einer unterirdischen Basis in der Antarktis aus mittels einer gigantischen Flotte an UFOs das »Dritte Reich« zu vollenden und die Weltherrschaft zu erringen.

Dazu kommen auch die Kontakte des Dalai Lama zu dem japanischen Terroristen und Hitler-Verehrer Shoko Ashara, den er mehrfach und in allen Ehren in Dharamsala empfing. Er stattete Asahara mit zwei hochoffiziellen Empfehlungsschreiben aus, die wesentlich zum Aufstieg der AUM-Sekte zu einer der gefährlichsten Terrorgruppen beitrug. Die U-Bahn-Attentate in Tokyo vom 20. März 1995 – es hatte seinerzeit zwölf Tote und über 5.000 teils Schwerstverletzte gegeben – waren nur das Vorspiel zu einem geplanten Massenmord an 20 Millionen Menschen gewesen: die Sekte plante, die gesamte Einwohnerschaft Tokyos mit Botulismusbakterien auslöschen, womit Asahara seinen Anspruch als buddhokratischer Weltendiktator zu unterstreichen beabsichtigte. Anfang 2004 wurde Asahara zum Tode verurteilt, das Urteil wurde indes nicht vollstreckt. Es steht zu erwarten, dass er lebenslang in Haft bleibt. Der Dalai Lama konnte sich, entgegen aller Propaganda der internationalen Tibet-Unterstützerszene, zu einer klaren Verurteilung seines »spirituellen Freundes« bis heute nicht durchringen.

Rechter Schlagschatten

Dass sich im Schlagschatten des Dalai Lama neben all den esoterisch beflissenen Tibetschwärmern und pseudoengagierten Menschenrechtsverfechtern zunehmend auch Figuren von Rechtsaußen einfinden – anläßlich seines Deutschland-Besuches im Herbst 2007 hatte die NPD in den »klar nationalistischen Positionen« des »spirituellen und politischen Führers vom Dach der Welt« weitreichende Gemeinsamkeiten entdeckt –, kann diesem nur vordergründig nicht zur Last gelegt werden: seine gebetsmühlenhaft vorgetragenen »Tibet-den-Tibetern«-Parolen etwa hören sich nicht nur völkisch-rechtsextrem an, sie sind es. Nicht von ungefähr wird seine »Seine Heiligkeit« von rechtslastigen Figuren und Medien hofiert, und nicht umsonst sucht er deren Nähe. Neuerdings geht die Rede, er könne, auf besondere Einladung Jörg Haiders, seinen Alterssitz von Nordindien nach Kärnten verlegen. Der Bau eines gigantischen buddhistischen Zentrums ist bereits in Planung.

Siehe auch: www.gottkoenig.de

Colin Goldner
Dalai Lama: Fall eines Gottkönigs.
Alibri-Verlag, Aschaffenburg, 2008