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Rassistischer Mord in Paris

Einleitung

Loïk Le Priol, ein 27-jähriger gut vernetzter Ex-Militär, Neonazi und Geschäftsmann, wird des rassistischen Mordes an dem ehemaligen argentinischen Rugby-Nationalspieler Federico Martín Aramburú in Frankreich verdächtigt.

Bild: Screenshot facebook

Der Angeklagte Loïk Le Priol (Mitte) von der „Groupe Union Défense“ (GUD) mit dem Maskulinisten Julien Rochedy (links) von der ehem. „Front National de la Jeunesse“ (FNJ) und Jean-Romée Charbonneau (rechts) ein Politiker der „Rassemblement National“.

Aramburu hat 22 Länderspiele für Argentinien bestritten, 2007 die Weltmeisterschaft in Frankreich gespielt und von 2004 bis 2010 in Frankreich für die Rugby-Vereine Biarritz, Perpignan und Dax, sowie für die schottischen Glasgow Warriors gespielt. Mit Biarritz Olympique wurde er zweifacher französischer Meister. Der hauptverdächtige Neonazi wurde kurze Zeit später in Ungarn festgenommen, als er versuchte, in die Ukraine zu gelangen. In Zahony (Ostungarn) wollte er offenbar die Grenze überqueren, um sich wie andere rechte Akteure am Kriegsgeschehen zu beteiligen. Er sei auf dem Weg in die Ukraine gewesen, „um gegen die Russen zu kämpfen“, erklärten die Ermittlungsbehörden.1

Am 19. März 2022 kommt ein Obdachloser in die Bar „Le Mabillon“ (Paris) und bittet die Gäste um eine Zigarette. Seine Bitte wird von rechten Bargästen abgelehnt, die ihn als „Untermenschen“ bezeichnen. Diese Äußerungen schockieren Aramburú und seinen ehemaligen neuseeländischen Mannschaftskameraden Shaun Hegarty. Sie fordern Loïk Le Priol und Romain Bouvier auf, sich respektvoller zu verhalten, woraufhin diese mit rassistischen Äußerungen antworten und die beiden schlagen.2 Nachdem der Streit in der Bar vom Personal beendet wurde, ging Aramburú mit seinem Begleiter zunächst den Boulevard Saint-Germain hinauf. Auf Höhe der Hausnummer 146 kam ihnen ein Jeep entgegen. An Bord waren drei Personen, mit denen sie zuvor den Streit in der Bar hatten. Einer der Insassen eröffnete das Feuer in ihre Richtung, ein zweiter kam hinzu und schoss Aramburú sechs Mal in den Rücken. Aramburu wurde mindestens dreimal getroffen und starb noch am Tatort. Weder sein Begleiter noch der eintreffende Rettungsdienst konnten ihn wiederbeleben. Die Täter flohen in einem von der 24-jährigen Lyson Rochemir gefahrenen Auto3 .

Priols Verhaftung erfolgte zwei Tage nachdem die Polizei seine Lebensgefährtin und Tatwagenfahrerin verhaftet hatte. Er war von mehreren Zeug_innen identifiziert worden. Die Polizei suchte als zweiten Täter den 31-jährigen Bouvier, welcher ebenfalls der extrem rechten „Groupe Union Défense“ (GUD) zugerechnet wird. Ende März 2022 wurde Bouvier - nach der Verwendung seiner Kreditkarte - verhaftet.

Bekannte aus der Neonazi­-Szene

Der in Ungarn festgenommene Hauptverdächtige hatte Anfang 2016 die Sportmarke „Babtou solide“ etabliert. Priol setzte dafür auf „Identitäre“ Konzepte und Männlichkeit. Laut der antifaschistischen Webseite „Reflexes“ war er bereits zuvor als einer der Anführer der "Groupe Union Défense" (GUD) bekannt geworden4 . Der Neonazi verbrachte einige Jahre in der Marineschule „École des Mousses“, bevor er sich mit 17 Jahren für fünf Jahre bei den Marinekommandos verpflichtete. Im Montfort-Kommando nahm er zwischen 2013 und 2015 an Auslandseinsätzen in Mali und Dschibuti teil. In einem Video, das im März 2016 von „Mediapart“ veröffentlicht wurde, prahlte Priol damit, dass er „mehr als einen Kerl erledigt“ habe5 .

Das Medienportal „Street-Press.com“ berichtet in einem ausführlichen Beitrag, dass Priol zu einem „Hit-Team“ gehörte, das im Oktober 2015 den ehemaligen GUD-Führer - der er selbst angehörte - Edouard Klein verprügelte.6 Laut Informationen von „Mediapart“ und „Marianne“ stürmte er mit vier weiteren extrem rechten Aktivisten, darunter Romain Bouvier, der ebenfalls im Mordfall Aramburú angeklagt ist, in Kleins Wohnzimmer. Dutzende Minuten lang folterten Priol und seine Kumpane ihn und filmten ihre Taten.7 Mittäter war Logan Djian, der Edouard Klein als GUD-Chef nachfolgte und wegen mehrerer Angriffe bereits im Gefängnis saß. Inzwischen hat er in Lyon ein Tattoostudio eröffnet. Ebenfalls dabei Kleber Vidal, ein bärtiger Bodybuilder und Ex-Mitarbeiter von „Babtou solide“ der auch in der extrem rechten „Action française“ aktiv gewesen sein soll.

Priol und Djian wurden in Untersuchungshaft genommen und nach zehn Tagen auf Kaution (jeweils 25.000 Euro) wieder auf freien Fuß gesetzt. Die Kaution von Djian sei damals von Axel Loustau, einem engen Vertrauten von Marine Le Pen, bezahlt worden, enthüllte „Mediapart“. Priol und vier Mitangeklagte mussten zwar im Oktober 2021 vor Gericht, doch die Anhörung wurde coronabedingt verschoben. Priol nutzte die Gelegenheit, um die Aufhebung der richterlichen Kontrolle zu beantragen, die ihm verbot, nach Paris zu kommen und ihn zwang, sich regelmäßig bei einer Polizeistation im Departement Var zu melden. Dem Antrag wurde stattgegeben. Nur so wurde es ihm ermöglicht, am Abend des Mordes an Federico Martín Aramburú in Paris zu sein.

Modemarke für die extreme Rechte

Mit „Babtou solide“ wurde in den Social- Media-Kanälen Teile der Netzwerke der Tatverdächtigen deutlich8 . Eine der Töchter von Frédéric Chatillon - einem engen Freund von Marine Le Pen, der in die Affären um die illegale Finanzierung des „Rassemblement National“ (RN) verwickelt war und früher Chef der GUD war, ist hier eine Werbeträgerin. Auch ihre Mutter Marie d‘Herbais posierte an der Seite von Ex-Front-National-Parteichef Jean-Marie Le Pen in einem „Babtou Solide“-Shirt.

Der YouTuber Baptiste Marchais posierte als Model an der Seite von dem bereits erwähnten Kleber Vidal. Marchais war bei der extrem rechten „Jeunesses Nationalistes Révolutionnaires“ ( JNR) und wurde 2016 als der erste von der Marke gesponserte Athlet vorgestellt. Ein weiteres Gesicht der Marke war Antoine Oziol de P., ein extrem rechter Aktivist, der an zahlreichen Aktionen der „Génération Identitaire“ oder der „Zouaves Paris“ teilgenommen hatte. Als der Neonazi im April 2019 bei einer Auseinandersetzung verletzt wurde, kam es anschließend zur Inhaftierung des Antifa-Aktivisten Antonin Bernanos9 .

Politiker & Killer im Freundeskreis

Priol konnte sich auf seine guten Verbindungen verlassen, die ihn stets schützten, wie etwa zu Jean-Eudes Gannat oder Julien Rochedy. Ersterer war Chef der "Identitären"-Organisation „Alvarium“ aus Anjou, die im November 2021 aufgelöst wurde. Der zweite ist ehemaliger Sprecher des „Front National de la Jeunesse“ (FNJ) und Boss einer „école masculiniste“ (Online-Kurse in denen Männer lernen „männlicher“ zu werden). Auf einem Foto ist Priol mit Julien Rochedy zu sehen. Begleitet werden die beiden von Jean-Romée Charbonneau, dem Kandidaten des RN in Niort für die Kommunalwahlen 2020. Priol hatte o en- bar auch mit dem rechten „Rapper“ Yves Alphé aka „Goldofaf“ seine Verbindungen. 2016 soll er in einem Musikvideo - das im Lokal des bekannten Neonazi-Anführers Serge Élie Ayoub gedreht wurde - zu sehen sein. An seiner Seite Esteban Morillo, der Neonazi, der für den Tod des Antifaschisten Clément Méric im Jahre 2013 verantwortlich ist, und sein Freund Alexandre Eyraud, der ebenfalls in diesem Mordfall angeklagt wurde10 .

Unabhängig von der Wahlniederlage Marine Le Pen`s bei der jüngsten Präsidentschaftwahl oder dem Ergebnis des "Front National" bei der kommenden Parlamentswahl, lässt sich eine schärfere Gangart in der extremen Rechten Frankreichs feststellen. Die französische Regierung warnte jüngst laut Spiegel11 vor der zunehmenden Bewaffnung und sprach von einem „bedeutenden Sicherheitsproblem auf EU-Ebene“. Waffenschmuggel – zukünftig vermehrt auch aus den Kriegsgebieten in der Ukraine – aber besonders auch europäische Schützenvereine seien ein zunehmendes Problem.

Von den Behörden jedoch ist nichts Großes zu erwarten. Die Festnahmen im Fall Aramburú waren vorallem der Popularität des Opfers in der argentinischen und baskischen Community und in der Sportwelt geschuldet – wäre das Opfer ein unbekanntes gewesen, die Täter mit ihren Polizei- und Militärkontakten hätten sich wohl locker rausgewunden.

  • 1mirror.co.uk: ‚Neo-Nazi linked‘ wannabe lawyer charged with murder of Argentina rugby star. Peter Allen. 25. März 2022
  • 2lepoint.fr: Meurtre d’Aramburu : la police recherche trois individus d’extrême droite. L’ex-rugbyman a été tué par balle samedi matin en sortant d’un établissement de nuit de Saint-Germain-des-Prés. Une altercation avait précédé le meurtre. Aziz Zemouri 20. März 2022 und fr.wikipedia.org/wiki/Loïk_Le_Priol
  • 3wsws.org: French police linked to far-right murder of rugby player Federico Aramburu. Samuel Tissot. 6. Mai 2022
  • 4reflexes.samizdat.net/manifestation-nationaliste-du-9-juin-facho-incognito
  • 5Wegen Gewalttaten kam es zu seinen Ausschluss aus der Armee, sein Strafregister enthält auch eine Gewalttat gegen eine Sexarbeiterin in Dschibuti.
  • 6streetpress.com: Un ex-militaire au passé violent: Loïk Le Priol, le néofasciste soupçonné du meurtre du rugbyman Federico Martín Aramburú. Par Christophe-Cécil Garnier & Tomas Statius. 23. März 2022
  • 7marianne.net: Retour sur une violente agression entre „gudards“, dans la sphère du Front national. Mathias Destal. 21. März 2016 und mediapart.fr: Les preuves de la sauvagerie de proches du Front national. Marine Turchi & Thierry Vincent. 21. März 2016
  • 8"Babtou solide" ist seit Juni 2017 aus dem nationalen Handels- und Gesellschaftsregister gelöscht
  • 9Vgl. acta.zone/qui-est-antoine-oziol-de-pignol, streetpress.com/sujet/1563377190-antonin-bernanos-prisonnier-politique, de.indymedia.org/node/41281
  • 10twitter.com/ComiteClement/status/1039520507245166595: Die Mörder von Clement Meric spielten Statisten in dem Video „Le rêve parisien“ des faschistischen „Rappers“ Goldofaf, das im Local von Serge Ayoub gedreht wurde @ComiteClement, 11. September 2018
  • 11www.spiegel.de/politik/deutschland/frankreich-warnt-vor-bewaffneten-rec…