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Rückblick 1991: Gladio Terror in der Türkei ?

Einleitung

Vor 25 Jahren … berichteten wir im Antifaschistischen Infoblatt (AIB) im Schwerpunkt der Nummer 14 (1991) über die internationalen Machenschaften von „Stay Behind“. Der Sammelbegriff bezeichnet verdeckte Organisationen in Westeuropa, die nach dem Zweiten Weltkrieg gegründet und später zum Teil der NATO unterstellt wurden. Sie sollten bei einer Invasion des Warschauer Paktes hinter den Linien der „Besatzer“ eingesetzt werden.

Kenan Evren auf dem Titelbild der Zeitschrift "Newsweek" (September 1980).

Unter dem Titel „Menschen töten, Bomben werfen...“ erschien ein Artikel über solche Strukturen in der Türkei. Eine solche Geheimstruktur, die mit der NATO zusammenarbeitet, sei dort bereits seit zwanzig Jahren bekannt. Unter dem Namen „Counter-Guerilla“ machte sie sich einen blutigen Namen. Die zahlreichen Verbindungen zwischen Politik, Militär, Geheimdiensten und dem organisierten Verbrechen in der Türkei werden dort als „Tiefer Staat“ bezeichnet.

Eines der maßgeblichen Mitglieder dieser Struktur sei der extrem rechte Heroinhändler Abdullah Çatlı gewesen, der auch großen Einfluss bei den paramilitärischen „Grauen Wölfen“ gehabt habe. Der Artikel behandelt die Frage, ob es sich bei der Counter-Guerilla um einen türkischen Ableger von „Stay Behind“ handelt. Gegründet wurde die Geheimtruppe laut der Zeitschrift "Der Spiegel"1 bereits im Jahr 1953, ein Jahr nach Beitritt der Türkei zur NATO, unter der Bezeichnung „Anti-Terror-Organisation“. Sie war im selben Gebäude wie die US-Militärmission untergebracht. 1964 wurde sie in „Abteilung für Sonderkrieg“ (oder, wie es in anderen Berichten heißt in „Ozel Harp Dairesi“ (OHD) / „Amt für besondere Kriegsführung“) umbenannt und dem Generalstab unterstellt.

Zum Zeitpunkt des Militärputsches 1980 stand diese Abteilung unter dem Befehl jenes General Kenan Evren, der den Staatsstreich kommandierte und sich später zum Präsidenten ernannte. Von US-Militärexperten mitaufgebaut, kamen die Mitglieder der Abteilung größtenteils aus den Reihen der faschistischen „Grauen Wölfen“ (Bozkurtçular). Als Grundlage für die Arbeit diente laut journalistischen Recherchen eine Order, die wortwörtlich aus einem US-Army-Handbuch („Field Manual“) abgeschrieben war.2 In dem Schriftstück, unterschrieben vom damaligen Chef der Heeresstreitkräfte Ali Keskiner, wird die Bildung einer illegalen Gruppe vorgesehen. Deren Tätigkeit wird dem Fachautoren Leo A. Müller zufolge so beschrieben: „Menschen töten, Bomben werfen, Raubüberfälle organisieren, Folter, Menschenentführung, Brandstiftung, Sabotage, Propaganda, Desinformationspolitik“.3 So kann es nicht verwundern, daß die türkischen „stay behinds“ im Artikel verdächtigt werden, den faschistischen Terror vor dem Militärputsch mitorganisiert zu haben.

Als Beispiel wird das Massaker am 1. Mai 1977 in Istanbul genannt. Von einem öffentlichen Gebäude aus war in die Menge der Demonstrant_innen geschossen worden, wobei 33 Menschen starben und Hunderte verletzt wurden. Die Sicherheitskräfte sahen bei dem Verbrechen, das nie aufgeklärt werden konnte, tatenlos zu. Weitere Beispiele sind das Massaker an Aleviten in Kahramanmaraş 1978, sowie zwei Attentatsversuche 1977 auf den damaligen sozialdemokratischen Ministerpräsidenten Bülent Ecevit. Eine besondere Brisanz bekam diese Truppe bei ihrem Einsatz im Schatten des Golfkrieges. Der Chef der „Abteilung für Sonderkrieg“, Kemal Yilmaz, soll laut einem Bericht der Zeitung „ak“44 öffentlich bestätigt haben, daß die Truppe in Kurdistan gegen die kurdische Befreiungsbewegung eingesetzt werde. So wird ein Massaker vom Juni 1990 an 26 kurdischen Dorfbewohner_innen als gezielte Counter-Guerilla-Aktion beschrieben.

  • 1Der Spiegel Nr. 48/1990: "Spinne unterm Schafsfell"
  • 2Die Field Manual zu „Anti-Guerilla-Operationen“, FM 31/16, FM 31/20, FM 31/21, seien im Auftrag des türkischen Generalstabes übersetzt und als offizielles Schriftstück für den Dienstgebrauch in Umlauf gebracht worden. Vgl. ZOOM 4+5/1996
  • 3Vgl. "Gladio, das Erbe des Kalten Krieges. Der NATO-Geheimbund und seine deutschen Vorläufer". Hamburg 1991, Seite 57
  • 4ak Nr. 327: "Schmutziger Krieg hinter den Linien: Konterguerilla in der Türkei und Kurdistan"