Skip to main content

Queerfeindliche Morde

Einleitung

Wie die internationale Rechte die Themen Homosexualität, Gender, Familie und Feminismus in letzter Zeit zu einem ihrer zentralen Themen gemacht hat, analysierte der Schwepunkt der letzen Ausgabe des antifaschistischen Infoblatts (AIB Nr.136). Dass diese Feindmarkierung zunehmend gewaltvoll verläuft und zu Anschlägen und Morden führt, ist ebenso absehbar wie gewollt.

Mord an queers
(Foto: Screenshots instagram)

Juraj und Matúš (+ 12. Okt. 2022) wurden im Stadtzentrum von Bratislava ermordet.

Am Freitag, dem 27. August 2022, wurde der 25-jährige trans* Mann Malte während des Christopher-Street-Days in Münster brutal niedergeschlagen, sechs Tage später starb er infolge seiner Verletzungen. Der Täter hatte unter misogynen und transfeindlichen Äußerungen eine Auseinandersetzung begonnen, Malte eilte zu Hilfe. Seitdem ist wenig Zeit vergangen, doch die Gewalttaten häufen sich:

In der Nacht des 12. Oktober schoß ein 19-Jähriger in der queeren Bar Tepláreň im Stadtzentrum von Bratislava, Slovakei auf die Anwesenden. Die beiden Gäste Juraj und Matúš starben, die Kellnerin der Bar wurde schwer verletzt. Der Täter, der sich anschließend selbst erschoß, hinterließ ein Manifest. Er handelte getrieben von LGBTQ-Feindlichkeit und Antisemitismus und wollte mit seiner Tat weitere Mitstreiter zu Ähnlichem animieren. Seine Radikalisierung im Internet lässt sich nachvollziehen: Er schreibt selbst, die Meme-Kultur der Alt-Right und die frauenfeindliche „Manosphere“ seien Radikalisierungsfaktoren in seiner Biographie. Er bezieht sich konkret auf die Verschwörungerzählung der „Redpill“, die sich gegen Feminismus und den immer jüdisch konnotierten „Kulturmarxismus“ wendet. Erweckungsmoment sei der Anschlag auf die Moschee in Christchurch gewesen. Weitere Inspiration war der antisemitische Anschlag auf die Synagoge im US-amerikanischen Poway 2019. Auch dieser Anschlag wurde mit dem „Großen Austausch“ begründet. Er bezieht sich neben „Klassikern“ akzelerationistischer Literatur wie „Siege“ oder den „Turner Diaries“ auch auf eine vergleichsweise neue Publikation, die im Juli 2022 auf Telegram-Kanälen veröffentlicht wurde und bedankt sich explizit bei einem „Terrorgram Collective“.

Vor der Tat machte der Täter aus seinen Vernichtungsfantasien online keinen Hehl. Auf seinem Twitter-Account hatte er über Monate hinweg antisemitisches und queerfeindliches Material veröffentlicht, vieles davon als Meme in Anime-Ästhetik.1 Sein Vater ist bei der rechtspopulistischen Kleinstpartei „Vlast“ (Heimat) aktiv und kandidierte bei den Wahlen 2020 sogar für den Nationalrat.

Etwas mehr als einen Monat später, am 19. November, gab es den nächsten Anschlag, diesmal in Colorado Springs, USA. Ein 22-jähriger drang in den queeren „Club Q“ ein und schoß auf die Anwesenden, bevor er durch Besucher*innen des Clubs überwältigt werden konnte. Daniel Aston, Kelly Loving, Ashely Paugh, Derrick Rump und Raymond Green Vance überlebten den Anschlag nicht, 25 weitere Menschen wurden verletzt.

Auch dieser Mörder stammt aus einem extrem rechten, LGBTQ-feindlichen, politisch aktiven Umfeld: Der Großvater des Täters ist der republikanische Politiker und Trump-Anhänger Randy Voepel, der den Sturm auf das Kapitol im Januar 2021 positiv kommentiert hatte. Die Mutter des Täters selbst schrieb viel in einer Facebook-Gruppe für christliche Mütter und vertritt eine ähnliche politische Auffassung. Der inzwischen gelöschte Instagram-Account des Täters hatte einen einzigen Post: eine brennende Regenbogenfahne.

Der Hass auf queere Menschen ist wichtiger Programmpunkt republikanischer Politiker*innen in Colorado. Eli Brenner, der für das Amt des Senators kandidierte, hatte Transfeindlichkeit zum Kernpunkt seines Wahlkampfes gemacht. Auch ist Colorado Heimat einiger mächtiger evangelikaler Organisationen, deren primäres Betätigungsfeld der Kampf gegen körperliche und sexuelle Selbstbestimmung ist. Aus diesen Reihen wurde 2015 ein Terroranschlag auf die Planned Parenthood-Klinik in Colorado Springs verübt. Organisationen wie die „Proud Boys“ haben in den letzten Jahren immer wieder queere Veranstaltungen in unterschiedlichen Städten im Bundesstaat Colorado attackiert.2

Queerfeindliche, homophobe, misogyne Gewalt steigt weltweit an. Laut dem Portal translivesmatter.info3 wurden weltweit im Jahr 2022 bis Ende September 390 Menschen aus transfeindlichen Gründen ermordet oder in den Selbstmord gerieben. Die Dunkelziffer dürfte groß sein – und weitere homophobe Morde und Femizide sind täglich hundertfache Realität.