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Preußische Gesellschaft und konservative Revolution

Einleitung

Der positive Bezug auf den ehemaligen Staat Preußen ist in der bundesdeutschen extremen Rechten seit jeher beliebt. Dieses »Preußentum« kann nicht allein als Nostalgie abgetan werden. Seine Wirkkraft reicht weit in rechts-konservative Regierungskreise.

Preussen hat viele rechte Bewunderer: Manfred Rouhs von der rechtspopulistischen Partei Pro Deutschland demonstrierte im Februar 2011 vor dem Standbild des Kaisers Friedrich Wilhemls II. (Berlin) für die Wiedereinführung des Staates Preussen.

Eine Vielzahl von großen und kleinen Organisationen schmückt sich mit dem Label »Preußen«: von den diversen Vertriebenenverbänden über Monarchisten- und Kulturvereinigungen bis hin zu neonazistischen Kameradschaften und Bands.

z.B.
Freistaat Preußen
Preußenkolleg
Preußeninstitut/Zollernkreis
Der Bismarckbund e.V.
Preußischer Verein
Preußischer Nationalkongreß
Berliner Kulturgemeinschaft Preußen
Kameradschaft Preußen
NIT Preußen
Preussen Skinheads Potsdam
Proissenheads

Die Relevanz vieler Preußen-Vereine ist eher gering. Der von Rigolf Hennig betriebene Verein »Freistaat Preussen« verfügt immerhin über einen eigenen Landtagspräsidenten und stellt auf Antrag eigene »Staatsangehörigkeitsausweise« aus. Das in Remscheid beheimatete Preußen-Institut mit angeschlossenem Zollernkreis pflegt den monarchischen Gedanken und hält sich für den nächsten Hohenzollern-König bereit. Weitaus mehr hat die Preußische Gesellschaft Berlin-Brandenburg zu bieten. Hier treffen sich im exklusiven Ambiente des Hilton-Hotels am Gendarmenmarkt »Privatgelehrte und Botschaftsmitarbeiter, Mittelständler und Stammtischbrüder im Geiste Friedrichs des Großen«.1

Die Gesellschaft verfügt über eine umfangreiche Infrastruktur und scheint sich so zum bundesweiten Zentrum des preussischen Milieus zu entwickeln, das altgediente Streiter anderer Organisationen – wie den oben genannten – anzieht.2 Das Erscheinungsbild der Gesellschaft ist dabei denkbar seriös. Ihr Vorsitzender Volker Tschapke, Bauunternehmer, ist ein angegrauter aber gepflegter älterer Herr im Anzug, der uns freundlich aus den Publikationen heraus anlächelt. Der Wahlspruch der Gesellschaft »Pro Gloria et Patria« mitsamt preussischen Adler ist selbstverständlich ordnungsgemäß beim Deutschen Patentamt als Marke geschützt. Der Chefin des Hauses Hilton, Frau Gunthi Katzenmeier, wird die Gastfreundschaft der vergangenen Jahre mit der Ehrenmitgliedschaft gedankt.

Die Gesellschaft führt regelmäßig Stammtische und Vorträge durch und gibt die Publikation »Preussische Nachrichten von Staats- und Gelehrten Sachen« in einer Auflage von 10.000 Exemplaren heraus. Der Auftrieb an tatsächlichen und potentiellen Sponsoren und Mäzenen bei gesellschaftlichen Ereignissen wie dem jährlichen Neujahrsempfang ist beachtlich. Unter den mehr als 1000 Gästen waren dieses Jahr allein zwölf Vertreter von Banken anwesend, darunter die Deutsche und die Dresdner Bank. Letztere ist mit Direktor Hans Jürgen Bartsch auch im Beirat des Vereins vertreten. Hinzu kommen Konzerne wie Daimler-Chrysler, Hochtief, Siemens, Lufthansa, die Deutsche Bahn sowie Vertreter diverser Unternehmerverbände und mittelständischer Unternehmen.

Neben einem Mitarbeiter des Auswärtigen Amtes waren über zwanzig Botschaften vertreten. Auf der Gästeliste finden sich weitere Bundes- und Landesministerien, so das Ministerium des Innern, das Ministerium für Bildung und das für Verteidigung. Letzteres traf auf etliche Angehörige der Bundeswehr und des Reservistenverbandes. Unklar ist, wen die braunen Flecken des Events gestört haben könnten: So waren beispielsweise Nation & Europa-Herausgeber Peter Dehoust, DVU-Chef Gerhard Frey oder REP-Chef Rolf Schlierer anwesend. Dass die weiteren ehemaligen oder ständigen Funktionäre rechtsextremer Kleinstparteien und Organisationen nicht groß aufgefallen sind, dürfte nicht wundern. Aber Gerhard Frey?

Bürger auf die Barrikaden! Deutschland ist in Not!

Worüber redet der geehrte Gast nun zu solchen Anlässen? Vielleicht über ein Thema, das die Preussische Gesellschaft schon immer umtreibt: die geistige Erneuerung Deutschlands. Und die geht nur durch die Errichtung eines »Preußen von unten«, wie Volker Tschapke schreibt.3 »Unruhe ist die erste Bürgerpflicht« so Tschapke weiter, »Lassen Sie uns in einer außerparlamentarischen Opposition die Kräfte bündeln, die die Erneuerung unseres Vaterlandes an Haupt und Gliedern vorantreiben. (...) Das gerade ausgerufene Jahrzehnt Rot-Grün könnte sehr kurz werden, lassen sie uns zusammen daran arbeiten.«

Damit fordert Tschapke nahezu zeitgleich das gleiche wie Arnulf Baring, der im November vergangenen Jahres in der FAZ schrieb: »Die Situation ist reif für einen Aufstand gegen das erstarrte Parteiensystem. Ein massenhafter Steuerboykott, passiver und aktiver Widerstand, empörte Revolten liegen in der Luft. Bürger, auf die Barrikaden! Wir dürfen es nicht zulassen, daß alles weiter bergab geht, hilflose Politiker das Land verrotten lassen.« Damit tingelte der 70-Jährige »Vordenker« – so nennt ihn die BILD-Zeitung – anschließend durch die deutschen Talkshows. Und Jörg Schönbohm gibt Volker Tschapke auf dem Brandenburgtag der Jungen Union mit seiner Forderung nach einem Preußen von unten »völlig Recht«.4

Ob der Staat Preußen wieder erstehen soll, ist unter den »Preußen«-Fans durchaus umstritten. »Der Staat Preußen, der seit jeher Träger des Militarismus und der Reaktion in Deutschland gewesen ist, hat in Wirklichkeit zum bestehen aufgehört.«, so beginnt das alliierte Kontrollratgesetz Nr.46, durch das 1947 der Staat Preußen und seine Gliederungen aufgelöst wurde.5 Für viele ist dieses Gesetz Ausdruck einer Siegerwillkür und daher eine Anerkennung undenkbar.

Andere, wie die Preussische Gesellschaft, sehen sich aufgrund der historischen Tatsachen zu einem Eiertanz genötigt: »Von den Verfechtern des gegenwärtigen liberalistischen Systems (sic!) wird uns vorgeworfen, dass Preußen als Verkörperung einer autoritären Staatlichkeit für die Aufgaben unserer Zeit und der Zukunft untauglich sei. Das sagen ausgerechnet jene, deren Politik sich übergenug als untauglich zur Problemlösung erwiesen hat. (...) Ein Denken von Preußen her wird den Staat nicht im englisch-liberalen Sinne als Gegenüber betrachten, sondern sich mit ihm identifizieren«6 Das bedeutet: »Wir brauchen kein neues Preußen – aber wir brauchen die Wiederbelebung des preußischen Geistes.«, wie Tschapke es an anderer Stelle formulierte.

So gelingt es den »Preußen«, sich selbst als »Reformkräfte«, gar als »außerparlamentarische Opposition« zu präsentieren. Hier begehrt, ganz im Sinne einer Konservativen Revolution, eine selbsternannte geistige Elite gegen eine andere auf, gegen eine »politische Klasse«, die die Notwendigkeit der »Wiedergeburt Deutschlands« bestreitet.7 Und die »nur ein legitimes, geradezu sakrosantes politisch-gesellschaftliches System kennt: das liberale Modell der freiheitlich-demokratischen Grundordnung, so wie sie sich in der heutigen Bundesrepublik Deutschland darstellt.«3

  • 1Vgl. monitor Nr.8 (Rund­brief des apabiz), S.3
  • 2So wurde die enge Kooperation mit dem Preußeninstitut verein­bart. Die Staatsbriefe von Hans-Dietrich Sander sollen als »Neue Staats­briefe« direkt von der Gesellschaft heraus­gege­ben werden. Vgl. Pro gloria et patria, in: Der Rechte Rand Nr.81, März / April 2003
  • 3 a b Volker Tschapke in: Preussische Nachrichten.. v. Oktober/November 2002.
  • 4Am 23.11.2002 in Brandenburg/Havel. Vgl. http://cdubrb.schwarzmedia.net/index.php?view=192&fkt=text
  • 5Amtsblatt Alliierter Kontrollrat Deutschlands S.262.
  • 6Volker Tschapke in: Preussische Nachrichten.. v. Februar/März 2003.
  • 7So Hans-Joachim Winter in: Preußens Chancen bestehen im Unzeitgemäßen in: Preussische Nachrichten..v. Mai 2002.