Skip to main content

Polnisch-deutsche Aussöhnung auf die extrem rechte Art?

Jakub Neumann
Einleitung

In Polen finden nationalistische Gruppierungen, (extrem) rechte Parteien und Neonazis immer stärkeren Zulauf.1 Die politische Selbstverortung der rechten und nationalistischen Gruppierungen war hierbei meist offensiv feindlich gegenüber Deutschland und damit auch deutschen potentiellen Bündnispartnern gewesen. Doch in den letzten Jahren gibt es eine neue Entwicklung in Polen. Einige rechte bis neonazistische Gruppierungen, die früher Deutschland als Nachfolger der nationalsozialistischen Besatzungsmacht angriffen, wünschen sich nun, Polen hätte sich mit NS-Deutschland gegen die Sowjetunion verbündet. Die extreme Rechte tritt immer öfter offen neonazistisch auf und sucht vermehrt den Anschluss an die deutschen Gesinnungskameraden.

  • 1Vgl. AIB Nr. 110: „Im nationalistischen Taumel fällt Polen nach rechts“
Foto: Recherche Nord

Exponierte Vertreter aus den Kreisen des polnischen Ablegers des „Blood & Honour“ Netzwerkes im Juni 2017 beim „Rock gegen Überfremdung“ in Themar.

Erste Annäherungen im RechtsRock

Die ersten extrem rechten polnisch-deutschen Netzwerke gab es in der Neonazi-­Skinheadszene und im „National Socialist Black Metal“ (NSBM). Seit Mitte der 1990er Jahre gab es in Südwestpolen Neonazis, die sich unter dem Label „Blood & Honour“ (B&H)  zusammenschlossen und Kontakte nach Deutschland knüpften. Der wegen Mord verurteilte Thüringer NSBM-Aktivist Hendrik Möbus besuchte das polnische Wrocław 1998 direkt nach seiner Entlassung aus der Haft.1 Deutsche RechtsRock-­Bands wie „Brainwash“, „Painful Awake­ning“ und „Kategorie C“ spielen Konzerte in Polen und polnische Neonazibands wie „Legion Twierdzy Wrocław“ (LTW) , „Dark Fury“ oder „Selbstmord“ treten bei deutschen Neonaziveranstaltungen auf. Zuletzt nahmen die Neonazi-Musiker Robert Fudali („Rob Darken“) von „Graveland“ und Jan Peter Kerstin(g) von „Sleipnir“ einen Song zu Ehren des unter polnischen Neonazis Legendenstatus besitzenden 2005 verstor­benen Sängers Mariusz Szczerski „Szczery” von der polnischen Band „Honor“ auf.

Eine Gruppe führender Aktivisten aus dem polnischen „Blood & Honour“-Milieu besuchte im Juli 2017 das RechtsRock-Festival im thüringischen Themar. Diese polnischen Aktivisten kooperieren eng mit Neonazis aus Frankfurt/Oder, welche sich ebenfalls in den Kreisen des in Deutschland verbotenen „Blood & Honour“-Netzwerkes verorten. Hierbei exponiert sich vor allem der reisefreudige Neonazi-Aktivist Michael H., mit dem zusammen die polnischen Neonazis in verschiedenen europäischen Ländern auftauchen. 

Der polnische Neonazi Krzysztof Kwiatkowski („Kwiatek”) gilt in Polen als wichtiger internationaler Netzwerker. Er ist Betreiber des Neonazilabels „Strong Survive Records“ und mit diesem in die internationale Produktion von neonazistischer Propaganda eingebunden. Er bewegte sich u.a. in den Zusammenhängen von „Blood & Honour“ und dem rassistischen „Creativity Movement,“2 Er soll laut Berichten polnischer AntifaschistInnen auch Verbindungen in die Kreise der bayerischen „Kameradschaft Süd“ gehabt haben, die einen Terror-Anschlag in München geplant hatten.

Internationale Vernetzung über Parteien

Eine weitere Ausnahme aus der wechselseitigen deutsch-polnischen Neonazi-­Feindschaft war zeitweilig die polnische Neonazipartei "Narodowe Odrodzenie Polski" („Nationale Wiedergeburt Polens“), die sich um international Vernetzung bemühte. Wie das Antifaschistische Infoblatt (AIB) berichtete besuchten NPD-Funktionäre im August 2000 ein von der NOP organisiertes „Nationalrevolutionäres Sommercamp“3 in Duszniki Zdrój. Der Leiter der deutschen Delegation Alexander von Webenau aus der damaligen NPD-Führungsriege sagte zu diesem Anlass, polnische und deutsche Nationalisten säßen wohl das erste Mal seit 1936 zusammen und beide Seiten hätten 1939 Fehler gemacht. Im selben Zeitraum behaupteten NOP-Mitglieder öffentlich, ihre Partei werde finanziell von „Freunden aus Frankreich, Italien, Spanien und Deutschland“ unterstützt. Bis 2010 war die NOP auch Teil der europäischen Neonazi-­Netzwerke „European National Front“ (ENF) und der „International Third Position“ (ITP).

Im Oktober 2015 organisierten die „Junge Nationaldemokraten“ (JN) ein internatio­nales Treffen, an dem auch Redaktionsmit­glieder des polnischen Magazins „Szturm“ teilnahmen. „Szturm“ ist ein Onlinemagazin, das von Mitgliedern der „Młodzież Wszech­polska“ („Allpolnische Jugend“) und dem ehemaligen NOP-Anführer von Białystok, Bogusław Koniuch, betrieben wird. „Szturm“ ist innerhalb der polnischen Neonazi-­Szene umstritten, da es die ukrainischen Nationalisten vom Azov-Bataillon unterstützt und Kontakte nach Deutschland unterhält.

Vernetzung über Russland-Solidarität und PEGIDA

Der Bürgerkrieg in der Ukraine hat in Polen neue pro-russische Gruppen auf den Plan gerufen. Der frührere Neonazi-Aktivist Mateusz Piskorski hat sich mittlerweile neoeurasischen Ideen zugewandt und gründete hierfür die Partei „Zmiana“ („Wandel“). Der frühere Anführer der polnischen Neonazi-Gruppe „Falanga“, Bartosz Bekier, wurde Vizepräsident der „Zmiana“-Partei. Wenig verwunderlich das Beide als pro-russische „Beobachter“ in die Krisenregion reisten. Bekier arbeitete auch für das „Europäische Zentrum für geopolitische Analysen“ — einen prorussischen Think Tank, der seit Jahren in Polen aktiv ist. Unter dem Banner dieses Think Tanks organisierten Bekier und Piskorski eine Konferenz mit dem Titel „Polen und Deutschland in der Ära der US-Hegemonie - Zusammen oder Gegeneinander“ im Haus der „Polnisch-russischen Freundschaft“. Als deutscher Gast nahm unter anderem der rechte Publizist Manuel Ochsenreiter teil.

Rechte Politaktivisten versuchten zeitweilig in Polen einen eigenen Ableger bzw. eine Kopie des rassistischen PEGIDA-Netzwerkes aus Dresden aufzbauen. Die erste entsprechende große Anti-Flüchtlings-­Demonstration in Warschau wurde von der extrem rechten Partei „Obóz Narodowo-­Radykalny“ („Nationalradikalen Lager“) orga­nisiert. Anschließend lud die extrem rechte Gruppierung „Ruch Narodowy“ („Nationale Bewegung“) die frühere PEGIDA-Funktionärin Tatjana Festerling zu einer Demonstration ein. Zum ersten Mal zeigten sich nun Aktivisten von „Ruch Narodowy“ mit einer Angehörigen der deutschen extremen Rechten. Mittlerweile ist es der „Ehrenvorsitzende“ der ultra-rechten „Allpolnischen Jugend“, Robert Winnicki, der zusammen mit ungarischen und tschechischen Nationalisten versucht Teil einer Art paneuropäischen PEGIDA-Bewegung zu sein. Im Mai 2016 besuchte er die „internationale patriotische Demonstration“ in Dresden. Ultrakatholische Webseiten bezeichneten dies als „Symbol der polnisch-deutschen Aussöhnung“.

"Identitäre Bewegung" in Polen ?

Vor einiger Zeit gründete der schlesische Verband der „Obóz Narodowo-Radykalny“ (ONR) ein „Schlesisches Kulturzentrum“. Dieses Zentrum scheint sich an ähnlichen Projekten der „Identitären Bewegung“ (IB) in Deutschland und Österreich zu orientieren. In dem Zentrum fanden bereits Vortragsveranstaltungen und Treffen mit Aktivisten der „Identitären Bewegung“ aus Deutschland statt. Vertreter aus den Kreisen der IB waren auch bei Demonstrationen der ONR in dieser Region präsent. Der Anführer des schlesichen ONR-Verbandes ist Michał Olszewski. Einst soll er über Polen geklagt haben: „In diesem kranken Land können wir noch nicht einmal die Rassenfeinde töten.

Ausblick

Vor einigen Jahren war in der deutschen Neonazi-Szene eine offene Kooperation mit polnischen Neonazis fast undenkbar. Der Neonazi-Musiker Michael Regener machte im Lied „Polacken Tango“ seiner Band „Landser“ die Haltung klar: „Wenn ich das seh werd‘ ich echt sauer Polackenlümmel schreien White Power, Oh wie ich dieses Scheissvolk hasse, Seit wann gehören Polacken zur arischen Rasse?“.

Das einige Vertreter aus den Kreisen von „Blood & Honour“ und „Combat 18“ mittlerweile davon abweichen, dürfte weniger auf antirassistische Reflektion als auf Pragmatismus, Geschäftssinn und persönliche Freundschaften zurückgehen. Billige Produktionsmöglichkeiten, Konzert-Locations und ein leichterer Zugang zu illegalen Waffen macht Polen für das Milieu interessant.

Einige der Anführer aus dem polnischen B&H-Milieu sind vor Ort oftmals auch als gewalttätige Hooligans und Akteure in der organisierten Kriminalität bekannt. In Białystok geriet die lokale Neonaziszene wegen Drogenhandel und Zwangsprostitution in den Fokus der Polizei. In Gdańsk wurde gegen Olgierd L. wegen Zwangsprositution ermittelt. Er gilt als örtlicher Anführer einer Neonazi-Skinhead-Gruppe.

  • 1Die erste Kassetten-Single „Thuringian Pagan Madness“ von Möbus NSBM-Band „Absurd“ erschien 1995 in Polen bei dem Label „Capricornus Prod“ von Maciej Dabrowski. Die LP-Fassung des Albums „Asgardsrei“  erschien 1999 über das Label „Wolftower Productions“ von Artur Ciesielski im polnischen Oswiecim (Auschwitz). Vgl. „Unheilige Allianzen“ von Dornbusch & Killgus, rat 2005
  • 2Zuvor als „World Church of the Creator“ und „Church of the Creator“ bekannt
  • 3Vgl. AIB Nr.52; „Polen — Sommerlager der ,International Third Position’“