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Polizei als »Anti-Antifa«-Quelle

Einleitung

Einblicke in die Arbeitsweise der »Anti-Antifa« in Dresden

Zu den Aktivitäten Dresdner Neonazis zählt seit Jahren das Sammeln von Daten  von politischen Gegnern. Die schon länger von AntifaschistInnen gehegte These, dass sie dazu auf polizeiliche Ermittlungsergebnisse zurückgreifen, wurde Ende 2006 belegt. Unbekannte waren nach Eigenangaben in einen Treffpunkt der Dresdner Neonazi-Szene eingedrungen und hatten dabei im November 2006 entsprechende Ausschnitte aus einer offensichtlichen Anti-Antifa-Akte gefunden. Diese liegen dem Antifaschistischen Infoblatt vor. Die einem Informanten anonym zugespielten Dokumente wurden von sächsischen AntifaschistInnen als authentisch eingestuft.

Sie bestätigen den Verdacht, dass Dresdner Neonazis gezielte Anzeigen gegen politische Gegner stellten, um so Ermittlungsverfahren herbeizuführen. In den dabei vom Dresdner Staatsschutz angelegten Akten finden sich nicht nur mit vermeintlich linken Personen bestückte Lichtbildmappen, sondern auch eine Vielzahl weiterer persönlicher Daten. Diese wurden nun teilweise eins zu eins von den »Anti-Antifas« neu zusammengestellt.

Die Sammlung enthält Namen und Bilder von etwa 100 vorwiegend Dresdner Personen. Dabei reicht das Spektrum weit. Von AntifaschistInnen über Gewerkschafter, MitarbeiterInnen einer Schülerzeitung, linken ParteifunktionärInnen, Professoren und zivilgesellschaftlich Aktiven wurden offenbar willkürlich all jene zusammengefasst, welche in irgendeiner Form den Neonazis als »kritisch« sprich »Gegner« aufgefallen waren. Entsprechend differiert der Gehalt der Erkenntnisse stark. Offenkundig ist, dass insbesondere die Daten zu vermeintlichen AntifaschistInnen fast ausschließlich aus polizeilichen Ermittlungsakten stammen. Das belegt die Archivierung von Bildern aus erkennungsdienstlichen Behandlungen bei der Polizei genauso wie die Angabe von Personalausweisnummern, oder auch Wohnadressen von Eltern und Verwandten, bei einigen Personen.

Antifas anzeigen als Konzept

Regionale AntifaschistInnen hatten schon im Jahre 2004 darauf hingewiesen, dass es zum Konzept sächsischer Neonazis gehört, mittels Anzeigen Anti-Antifa-Arbeit zu machen. So rief das, auch in Dresden gelesene, Neonazi-Fanzine »The Stormer« 1 damals »bekannte Kameraden« dazu auf, Anzeigen zu stellen, um so Akteneinsicht zu erlangen.2 Eine »arbeitsgruppe antifa dresden« beschrieb online ihre selbst gestellten Ansprüche unter anderem so: »die bisher vorhanden umfangreichen aber oft bereits veralteten daten ueber dresdner antifaschistische gewalttaeter neu zusammenfassen und strukturieren und aktualisieren (...) koordination der bisher losen datensammlungen« und Sammlung von »persoenlichen daten ueber handelnde und hintermaenner und -frauen der lokalen antifa-szene« in einer »taeterdatei«.3

Diese »Koordination« wurde offensichtlich im Spektrum der »Freien Kräfte Dresden« übernommen. Der Ort, wo die Unterlagen gefunden wurden, dient als Treffpunkt für eben diese Szene. Regelmäßig finden hier Treffen vom »Nationalen Jugendbündnis Dresden« (NJB) statt. Offiziell ist das NJB die Jugendorganisation des bemüht rechtskonservativen und NPD-dominierten »Nationalen Bündnis«, intern bemüht es sich junge Neonazis zu bündeln. Eine ganze Reihe derer, die hier verkehren beteiligten sich mehrfach an diversen Angriffsversuchen auf nichtrechte Veranstaltungen.

Und so finden sich in der Datensammlung dann die Lichtbilder wieder, die größtenteils aus den Verfahren stammen, welche erst zustande gekommen waren, nachdem bekannte Dresdner Neonazikader 2004 gegen AntifaschistInnen Anzeige erstattet hatten. Diese Anzeigen wurden bereitwillig vom zuständigen Staatsschutzdezernat aufgegriffen und trotz Hinweisen die Akten an die Neonazis ausgehändigt. In einem noch laufenden Verfahren beschuldigen dieselben Neonazis eine Antifaschistin, eine Aktivistin der rechten Szene niedergeschlagen zu haben. Zuvor hatten Neonazis versucht, eine Anti-Rechts-Veranstaltung zu stören.

Im erstinstanzlichen Verfahren am Amtsgericht Dresden wurden Absprachen zwischen den »ZeugInnen« deutlich. Alle hatten sich offenbar – auch mithilfe von Bildern – auf dieselbe Frau geeinigt, welche sie nun kollektiv beschuldigten. Zu einem anderen regionalen Antifaschisten wurde ein »Steckbrief« gefertigt und verteilt, mit Angaben von persönlichen Daten wie Arbeitgebern und Bild. Im Online-Gästebuch des Arbeitsplatzes fand sich später eine Morddrohung. In den Unterlagen werden neben AntifaschistInnen aber auch eine ganze Reihe weiterer, den Neonazis in irgendeiner Weise »aufgefallener« Menschen, genannt. Die Redaktion einer Schülerzeitung, die sich regelmäßig gegen Neonazis wendet, genauso wie das Wahlbündnis »AUF-Dresden« und eine Vielzahl von Einzelpersonen aus allen möglichen zivilgesellschaftlichen Zusammenhängen.

Neonazistische Drohkulisse

Es liegt nahe, dass die Gefährdung für einmal in den Fokus geratene AntifaschistInnen nicht unerheblich ist. Für Neonazis ist es besonders »attraktiv« zu versuchen gegen sie vorzugehen. Denn die AntifaschistInnen sind es, welche regelmäßig den Neonazis »gegenüberstehen« – auf Demonstrationen, bei Veranstaltungen und im Alltag. Aus der Erfahrung,  das sie »immer da« sind, wird dann konstruiert, sie müssten wichtig und somit »Antifa-Kader« sein.

Schon Anfang der 1990er Jahre hatten Neonazis in »Der Einblick – Die nationalistische Widerstandszeitschrift gegen zunehmenden Rotfront- und Anarchoterror« über 200 Datensätze von politischen Gegnern veröffentlicht. Trotz einer hohen medialen und gesellschaftlichen Aufmerksamkeit blieb eine langfristige Signalwirkung in der Szene aus. Nichtsdestotrotz  betreiben immer wieder einzelne Neonazis Anti-Antifa-Arbeit. Das Konzept blieb dabei über die Jahre dasselbe. Wo immer sie vermeintliche Gegner ausmachten, versuchten sie diese zu diskreditieren und zu denunzieren. Im zweiten Schritt kam und kommt es immer wieder zu unmittelbaren Angriffen.

Polizei spielt mit

Beim Sammeln der dazu notwendigen Erkenntnisse profitierten die Dresdener Neonazis wohl auch von ihren Beziehungen zum regionalen Staatsschutz. Sie selbst sprachen dabei von »einem von uns«, der dort tätig sei. Der gemeinte Beamte leistete auch schon mal Schützenhilfe für die Neonazis. Nach einer Veranstaltung an der TU Dresden berichtete damals eine Besucherin der Jungle World: »Er wies im Beisein der Neonazis den Veranstalter darauf hin, dass die Neonazis, sollten sie keinen Zutritt erhalten, eine Anzeige gegen den Veranstalter wegen Verstoßes gegen das Versammlungsrecht stellen könnten. Sie könnten dann den Namen des Veranstalters erfahren. Die dabeistehenden Neonazis fanden den Vorschlag gut und nickten nur«.4 Mittlerweile wurde eine Reihe der damaligen durchgeführten polizeilichen Maßnahmen in Dresden, welche übereilt und von besonderem Ermittlungseifer geprägt umgesetzt wurden, als rechtswidrig eingestuft. Die gesammelten Daten kamen trotzdem bei den Neonazis an.

  • 1Für die deutschsprachige Ausgabe von "The Stormer" sollen zeitweilig die Neonazis Markus L. und Michael Sch. verantwortlich gewesen sein. Der Vertrieb soll u.a. auch über Plauen in Westsachsen erfolgt sein.
  • 2Siehe AIB 61, »Papier ist geduldig« und C18, Stormer – Die Deutsche Fassung #1, Anti-Antifa Kampf und Taktik
  • 3zitiert nach dem Portal Tharandt 250
  • 4Jungle World, # 15, Dresden ermittelt, 31. März 2004