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Objekt 21

Heribert Schiedel
Einleitung

Neonazistische trifft organisierte Kriminalität

Anfang 2013 konnte eine eigens gegründete Sonderkommission der Kriminalpolizei in Oberösterreich (OÖ) ein kriminelles Netzwerk zerschlagen, auf dessen Konto Brandanschläge, Drogenhandel, Schutzgelderpressung und schwere Misshandlungen gingen. Eine politische Dimension bekam der Fall durch die Tatsache, dass von den elf Ende Januar in Untersuchungshaft genommenen Verdächtigen gleich sechs der Neonaziszene zugerechnet werden. Konkret handelt es sich um die Führungsriege der Anfang 2011 behördlich aufgelösten Neonazigruppe Objekt 21, die es auf rund 200 Mitglieder und SympathisantInnen brachte.

Teilnehmer eines neonazistischen »Balladenabends« im Objekt 21. Links: Jens Brucherseifer von der Band »Sturmwehr« und rechts: Jürgen Windhofer

Söldnerdienste im Rotlichtmilieu

Als im Mai 2012 in Wien ein Bordell in Flammen aufging, wurde umgehend ein eskalierender Konkurrenzkampf im Rotlichtmilieu dafür verantwortlich gemacht. Im Zuge der Ermittlungen gerieten dann oberösterreichische Neonazis ins Visier, einer von ihnen gab zu, dass sie von einem 51-jährigen Zuhälter dazu angestiftet worden seien, den Brand beim Konkurrenten zu legen. Der daraufhin aufgeflogenen Bande unter Neonaziführung wird mittlerweile die Verantwortung für Sachschäden in der Höhe von insgesamt 3,5 Millionen Euro zugeschrieben. Begonnen habe die Serie 2009 mit einem Brandanschlag auf ein Bordell in Kirchdorf/OÖ, wobei der Geschäftsführer entführt und (mit einer Motorsäge) gefoltert worden sei. Zwei Jahre später hätten Mitglieder der Bande in Schärding/OÖ das Auto eines weiteren konkurrierenden Zuhälters in Brand gesteckt. Daneben werden sie für insgesamt 23 Einbrüche, Schutzgelderpressungen und Misshandlungen von illegalisierten Prostituierten verantwortlich gemacht. Bei Hausdurchsuchungen konnten zehn Kilogramm Sprengstoff und zahlreiche illegale Waffen samt Munition beschlagnahmt werden. Die Sonderkommission hat mittlerweile 80 Personen vernommen, nun liegt der Fall bei der Staatsanwaltschaft, die schon in der Vergangenheit für ihr Zögern im Zusammenhang mit der behördlichen Bekämpfung von Objekt 21 kritisiert wurde.

Völkische Kulturpflege

Im März 2010 gründeten Neonazis aus dem Dunstkreis der örtlichen (informellen) Blood & Honour-Strukturen im oberösterreichischen Desselbrunn den Verein Objekt 21. Während laut Vereinsregister ein Manuel Spindler offiziell den Obmann gab, zog im Hintergrund Jürgen Windhofer die Fäden. Der mehrfach vorbestrafte Neonazi aus Ebensee führte schon den Kampfverband Oberdonau an und wurde erst 2009 wiederum zu einer Haftstrafe verurteilt. Anlässlich des neuerlichen Haftantrittes von Windhofer im Herbst 2010 zeigten zahlreiche (auch deutsche) Neonazis ihre Solidarität, etwa auf den Neonazi-Portalen Altermedia oder Alpen-Donau. Vom Gefängnis aus hielt Windhofer Kontakt zu seinen »Kameraden«, auf Facebook war er ebenfalls weiter aktiv. Auf seinem dortigen Profilbild trägt er einen Button mit der Forderung »Freiheit für Wolle«, womit der mutmaßliche NSU-Mittäter Ralf Wohlleben gemeint ist.

Das kriminelle Vorleben Windhofers ließ es ratsam erscheinen, ihn nicht mit offiziellen Leitungsaufgaben bei Objekt 21 zu betrauen. Auch inhaltlich versuchte man sich in Camouflage, um nicht gleich wieder verboten zu werden. So hieß es im Gründungsaufruf, man stelle »einen Verein zur Erhaltung und zur Pflege unserer tausende Jahre alten Kultur mitsamt ihrem Brauchtum« dar. Von den Mitgliedern forderte man die obligaten Sekundärtugenden wie »Kameradschaft, Ehrlichkeit, Treue, Verlässlichkeit und Disziplin«. Noch deutlicher wurden die Neonazis mit der Wahl ihres Vereinslogos, einem Schlagring, und ihrer Vereinsfahne, welche deutlich der Hakenkreuzfahne nachempfunden war. Auch der damals etablierte gleichnamige Neonaziversand ließ angesichts seines einschlägigen Angebotes rasch Rückschlüsse auf den politischen Charakter des Vereins zu. Eine breitere Öffentlichkeit begann sich aber erst für Objekt 21 zu interessieren, als bekannt wurde, dass sich der Verein in einem Haus des Vaters des österreichischen Regisseurs Stefan Ruzowitzky (»Die Fälscher«) eingemietet hatte. Die Neonazis richteten sich dort häuslich ein und begannen alsbald ihre neue, mit zahlreichen Nazi-Symbolen geschmückte Bleibe für Veranstaltungen zu nutzen. So trat dort im September 2010 Jens Brucherseifer (Sturmwehr) auf. Beste Kontakte bestanden darüber hinaus zum Freien Netz Süd (Nationales Bündnis Niederbayern) und nach Thüringen zu den dortigen Heimatschutz-Strukturen. In Gotha wurde im Zusammenhang mit den Brandanschlägen der deutsche Andreas P. verhaftet, auch in Oberösterreich soll zumindest ein deutscher Neonazi unter den Untersuchungshäftlingen sein. Es ist davon auszugehen, dass sich nun auch deutsche Behörden für die kriminelle Neonazi-Struktur rund um Objekt 21 interessieren, zumal es schon in der Vergangenheit immer wieder Spuren nach (Ober-)Österreich gegeben hat.

Lasche Behörden, untätige Politik

Im August 2010 kam es nach medialem Druck zu einer ersten Hausdurchsuchung im Vereinslokal, jedoch ohne wirklich Belastendes zu Tage zu fördern. Der Grund dafür könnte in den angeblichen guten Kontakten der Neonazis zur Polizei liegen. Zumindest behauptete ein Aktivist gegenüber dem Vermieter, dass man vor der Hausdurchsuchung gewarnt worden sei. Auch hieß es von Seiten der regionalen Behörde im Sommer 2010 noch, dass man zwar vom Verein, aber nichts von dessen Aktivitäten wisse. Erst nachdem antifaschistische Recherchen diese Aktivitäten nachgewiesen hatten, wurde der Verfassungsschutz aktiv. Im Herbst 2010 wurde Objekt 21 behördlich aufgelöst, was Anfang 2011 rechtskräftig wurde. Dennoch machten die Neonazis weiter, was eine neuerliche Hausdurchsuchung im Mai 2011 provozierte und in der Folge zu Anzeigen gegen elf Verantwortliche bei der in dieser Sache bis heute untätigen Staatsanwaltschaft Wels führte. Nun zog sich der Verfassungsschutz aus dem Fall zurück, da sich die mehrheitlich dem Skinheadmilieu entstammenden Neonazis gänzlich der organisierten Kriminalität verschrieben hätten. Dass mit diesen Machenschaften im Rotlicht- und Drogenmilieu die neonazistischen Aktivitäten finanziert wurden, bestreiten die Behörden jedoch bis heute kategorisch.

Noch im August 2010 berichteten Medien, die Polizei würde die Neonazis als »kleine Fische« verharmlosen. Nachdem diese – nicht vom Verfassungsschutz, sondern von der Kriminalpolizei – nun zum großen Fang erklärt worden waren, standen die säumigen Behördenteile unter Kritik und die Politik unter Zugzwang. Und so musste der Forderung der sozialdemokratischen Opposition und von antifaschistischen NGOs nach Einberufung des Landessicherheitsrates nachgegeben werden. Ob dieser mehr Substantielles hervorbringt als vergleichbare Aktivitäten seitens der oberösterreichischen Landespolitik in der Vergangenheit, muss leider bezweifelt werden. Zu stark ist die FPÖ in Oberösterreich, zu groß die Bereitschaft der ÖVP, die Augen vor den Dimensionen der neonazistischen Bedrohung zu verschließen.