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NPD-Wahlkampf in Mecklenburg-Vorpommern

Andrea Röpke
Einleitung

Die NPD hat sich in Mecklenburg-Vorpommern festsetzen können. Zum dritten Mal innerhalb von fünf Jahren gaben über 40.000 Nordostdeutsche dem wohl radikalsten Landesverband unter Führung von Udo Pastörs bei Wahlen ihre Stimme. Das entspricht dem NPD-StammwählerInnenpotenzial. Sechs Prozent der Stimmen wurden bei der Landtagswahl am 4. September 2011 eingefahren. Das bedeutet zwar einen Verlust von rund 1,3 Prozent zu 2006, doch bleibt die Neonazi-Partei in Fraktionsstärke mit immerhin fünf Abgeordneten im Schweriner Schloss vertreten. 

NPD-Propaganda vor dem Sonnen­blumenhaus in Rostock, dem Ort des Pogroms von Rostock-Lichtenhagen 1992.

Vor allem durch die Unterstützung von »Freien Kräften« wie dem Kameradschaftsnetzwerk Freies Pommern konnte dem Landesverband der NPD ein flächendeckender Wahlkampf gelingen. Bereits am 9. Juli fand die Auftaktveranstaltung in Karow nahe Schwerin statt. In den nächsten Wochen säumten rund 80.000 Plakate die Alleen, Dörfer und Kleinstädte. 200.000 Euro soll die NPD dank anonymer Protegés in den Wahlkampf investiert haben. Ein Teil der Spenden wird dem »millionenschweren Kaufmann« (SuperIllu) und Spitzenkandidaten Udo Pastörs selbst zugeordnet.

Dabei schien der NPD zunächst vor allem das richtige Thema zu fehlen. In einem Bundesland mit nur rund 1,8 Prozent Migrant_innenanteil ließ sich die rassistische Forderung nach der »Trennung von Deutschen und Ausländern im Unterricht« nur bedingt verwenden.  Diese Leere wurde durch Aktionismus kompensiert. Zentrale Anlaufpunkte für die Organisation waren das »Nationale Wohnobjekt« in Salchow bei Anklam sowie das »Thinghaus« in Grevesmühlen. 

Die Internetpräsenz des Landesverbandes sowie das Nachrichtenportal »mupinfo.de« von David Petereit begleiteten jeden Schritt des Wahlkampfes. Rasant wurden lokale Themen aufgegriffen. So gelang es Udo Pastörs sich als erster Politiker werbewirksam vor die Werkstore einer von Entlassungen bedrohten Eisengussfabrik in Torgelow, nahe der polnischen Grenze zu stellen. Spontan sollen sich rund 50 EinwohnerInnen der Kundgebung angeschlossen haben. Die anderen Parteien schienen ihren Einsatz in Vorpommern wieder mal verschlafen zu haben. Solche Lücken nutzt die  NPD. In den letzten Tagen vor der Wahl provozierte und störte Pastörs gezielt Veranstaltungen anderer Parteien. Clever ließ sich der ehemalige Edelsteinhändler bei allen Auftritten filmen. Tag für Tag wurden neue Videobotschaften mit Statements, Provokationen oder Aktionen veröffentlicht. Damit sollte ein Manko, die fehlende TV-Präsenz, ausgehebelt werden.

Geschickt klammerten NPD-Kandidaten kritische Stadtgebiete wie Rostock oder Greifswald aus und setzten alles auf eine Karte in den Regionen, die sich bereits 2006 und drei Jahre später bei den Kommunalwahlen als Hochburgen herauskristallisiert hatten. Apathisch ignorierten Medien und Öffentlichkeit das emsige Treiben der Neonazis. Gerne wurde sich auf die ersten Wahlprognosen von vier Prozent verlassen. Überregionale Medien, aber auch das Bundesinnenministerium, spielten die NPD herunter.

Nach dem, wenn auch knappen, Wahlflop der NPD in Sachsen-Anhalt im Frühjahr und dem Versagen in Bremen zwei Monate später, galt sie als abgeschrieben. Warnungen aus Mecklenburg-Vorpommern verhallten. Dabei hatten Kenner der Szene dort wenig Zweifel am Wiedereinzug der Neonazis ins Parlament. Bereits in der frühen Wahlkampfphase zeigte sich die mangelnde Distanz vieler Wähler_innen zur NPD. Bürger_innen äußerten sich frustriert in deren Videoclips, so als sprächen sie mit einer »normalen« Partei. Längst schien die jahrelange Graswurzelarbeit der Neonazis – zumindest in einigen Regionen – aufgegangen. Hemmschwellen sanken – die Akzeptanz stieg. Die NPD konnte einen dynamischen und selbstbewussten Wahlkampf führen.

Einzig der zeitnahe Prozess gegen den Nordwestmecklenburger NPD-Kreistagspolitiker Sven Krüger aus Jamel wegen illegalen Waffenbesitzes und gewerbsmäßiger Hehlerei sorgte bundesweit für Schlagzeilen. Bei Prozessbeginn im Juli war die Medienresonanz groß, denn der bullige Bauunternehmer mit der langen Latte an Verurteilungen legte kleinlaut ein Geständnis ab. Als so schnell keine aktuellen Verbindungen zum Wahlkampfkreis um Pastörs, Köster und Co. gezogen werden konnten, verebbte das Interesse. Zudem hatte Krüger sein NPD-Mandat niedergelegt. Krügers Verurteilung und seine Freilassung auf Kaution hatten nur noch einen geringeren Nachrichtenwert.

Inzwischen lassen sich die Neonazis in Mecklenburg-Vorpommern ohnehin kaum noch enttarnen. Die Clique um Pastörs steht längst zu den vielen Straftätern in den eigenen Reihen. Sogar mit den über 30 – wohl rechts motivierten – Anschlägen auf Parteibüros kokettiert die Szene.

Offen redet Udo Pastörs davon, den verhassten »Parteienstaat« bekämpfen zu wollen. Sein Mitstreiter, der NPD-Landtagsabgeordnete Michael Andrejewski aus Anklam provozierte mit einem echten Reizvideo. Ausgerechnet Andrejewski, den viele für einen der geistigen Brandstifter des Pogroms von Rostock-Lichtenhagen 1992 halten, postierte sich als »Zeitzeuge« mit einem Infostand vor dem elfgeschössigen Sonnenblumenhaus in Rostock. Bis zu 1200 Rechte und SympathisantInnen belagerten vor 19 Jahren die damalige zentrale Aufnahmestelle für Asylbewerber_innen. Brandsätze flogen, Menschen lebten in Todesangst. Es grenzt an ein Wunder, dass niemand getötet wurde. Zum Jahrestag der Angriffe übt sich die NPD um Andrejewski in dreister Geschichtsklitterung, denn nicht »irgendwelche bösen Rechtsextremisten« seien an den Untaten schuld gewesen, sondern in erster Linie die Migrant_innen selbst.

Das Video sorgte für keinen Aufschrei. Auch nicht die Tatsache, dass einer der NPD-Direktkandidaten, Stephan Jandzinsky-Joecke, im T-Shirt mit Hitler-Signatur den Wahlkampf unterstützte. Ebenso wenig, dass auch NPD-Landesvorstandsmitglied Alexander Wendt sich offen mit der Unterschrift von Hitler-Stellvertreter Rudolf Heß auf dem Shirt zeigte. Konspirative Treffen der Szene, wie ein Solidaritätskonzert der Hammerskins für Sven Krüger in Jamel verliefen ungestört. Leider zu spät, erst ganz kurz vor dem Wahltag am 4. September, stellte das Internetportal Vice News ein für die NPD peinliches Video ins Netz. Zu hören waren Drohungen in Jamel und zu sehen ein Grill im »Thinghaus« mit der Aufschrift »Happy Holocaust«. Kleinlaut stotterte Landeschef Stefan Köster in dem Clip herum.

Die Feier am Wahlsonntag erledigte die NPD dann professionell. Presse war nicht zugelassen, ganz kurz durfte das Jubelgeschrei um 18 Uhr gefilmt werden. Nur führende Kader und Parteispitzen hatten sich außerhalb von Schwerin im Pamplower Hof eingefunden. Von den Kadern der »Freien Kräfte« in Mecklenburg-Vorpommern war niemand dabei, auch nicht der Landtagsabgeordnete Tino Müller oder der radikale Drahtzieher David Petereit, der sich einen Platz im Schweriner Landtag sichern konnte. Ihnen scheint der außerparlamentarische Kampf in der Region wichtiger. Der Fraktionsstatus im Schweriner Schloss mit all seinen finanziellen Vorteilen bietet vor allem Mittel zum Ausbau weiterer Infrastrukturen. Die Show dagegen wird Udo Pastörs überlassen.